Letzten Monat hatten wir eine ungewöhnliche Gerichtsverhandlung: Der Gegner war ein Rechtsanwalt, der sein Honorar zurückzahlen sollte, weil sein Auftraggeber geschäftsunfähig war aufgrund schwerer Demenz. Es geht um eine spannende Frage, die häufiger vorkommt: Kann man Zahlungen eines Geschäftsunfähigen zurückholen? Und die Zusatzfrage: Reichen die Beweise dafür aus?
Hintergrund: finanziell erfahrener wird geschäftsunfähig
Ein älterer Herr war eigentlich sehr erfahren in geschäftlichen Angelegenheiten. Er hatte Betriebswirtschaft studiert und bei einem großen Konzern in der Bilanzabteilung gearbeitet. Im hohen Alter wurde er dann aber dement und verstand nicht mehr alles richtig. Als die Demenz schwer geworden war, konnte er sich nur noch kurz merken, was gerade besprochen worden war. Und er verwechselte die Haushaltshilfe mit seiner imaginären Freundin, die sich wohl aufgrund finanzieller Hintergedanken auch von ihm küssen ließ. Es ging so weit, daß der gute Mann sein Testament ändern und große Summen Geld an die Haushaltshilfe schenken wollte.
Gutachten zum Zustand des Geschäftsunfähigen
Im Fall des Monats haben wir eine seltene Besonderheit: Es liegt ein Gutachten zum geistigen Zustand des Betroffenen vor, das im Auftrag des Betreuungsgerichts erstellt wurde. Und dieses neurologisch-psychiatrische Gutachten stellt dar, daß er im fraglichen Zeitraum definitiv nicht mehr geschäftsfähig war. In anderen Fällen ist es schwer, die Geschäftsunfähigkeit nachzuweisen, weil meistens nur Betreuungsbedarf begutachtet wird. In diesem Fall steht aber ausdrücklich das Wort „geschäftsunfähig“.
Generalvollmacht für Zahlungen und Rückforderungen
Die Tochter des Betroffenen hatte Generalvollmacht. Damit konnte sie für ihren Vater die Bankkonten und andere geschäftliche Dinge durchsehen und für ihn handeln, auch Zahlungen für ihn vornehmen und Rückforderungen stellen. Bei der Durchsicht der Kontoauszüge viel ihr auf, daß insgesamt rund eine Viertelmillion Euro fehlten. Das Geld wurde in wenigen Monaten durch Überweisungen und Barabhebungen an andere Personen verteilt. Zu dieser Zeit konnte der ältere Herr mit seinem Pflegegrad und der erheblichen Demenz weder selber an den Geldautomat gehen noch die Überweisungen bewußt tätigen. Offensichtlich hatte jemand nachgeholfen, um sich große finanzielle Vorteile zu verschaffen.
Zahlungen zurückholen mit Rechtsanwalt
Die Tochter wollte eigentlich nur die Schenkungen von € 90.000 von der Haushaltshilfe zurückfordern, die per Überweisung an diese gegangen waren. Schließlich hat sie ihren vereinbarten Lohn bekommen, und vom Geschäftsunfähigen nimmt kein anständiger Mensch „großzügige Geschenke“ an. Eine Juristin, die in den Fall involviert war, schlug der Tochter den Gang zu einem kompetenten Rechtsberater vor. Sie ging zu einem Rechtsanwalt, der ihr empfohlen worden war. Dieser Fachanwalt für Erbrecht sollte als Fachmann für derartige Fälle die Zahlungen zurückholen. Mit der Vollmacht konnte die Tochter den Anwalt im Namen ihres Vaters beauftragen. Bevor dieser Anwalt etwas einfordern konnte, verstarb der ältere Herr. Die Vollmacht der Tochter gilt aber ausdrücklich über seinen Tod hinaus. Außerdem ist die Tochter Alleinerbin geworden, so daß jetzt auch der Rechtsstreit in ihrem Namen weiterläuft.
Anwaltshonorare zurückfordern
Der Rechtsanwalt der Tochter wunderte sich schnell darüber, daß nur dieser Teil des fehlenden Geldes zurückgeholt werden sollte. Wa fehlte ja viel mehr Geld, und gerade die Barabhebungen am Automat mit Karte und PIN häufig in der Nachbarschaft der Haushaltshilfe getätigt wurden. Dazu kamen noch Geschenke wie beispielsweise das Auto des älteren Herrn, das die Haushaltshilfe auch bekommen hatte. Außerdem gab eine weitere Person interessante Auskünfte darüber, daß die Haushaltshilfe ihr gegenüber beim Verdacht großer Schenkungen des Geschäftsunfähigen erst einmal jegliche Schenkungen bestritten hatte. Als ihr dann aber Quittungen vorgehalten wurden, gab die Haushaltshilfe dann doch zu, was eindeutig dokumentiert war. Der Anwalt des dementen Vaters hatte sogar Vertragsentwürfe für eine Schenkung auf den Todesfall erstellt und dafür Honorar bezahlt bekommen. Und gegenüber dem Anwalt der Tochter bestritt die Haushaltshilfe nun erneut, was sie anderweitig noch kurz zuvor zugegeben hatte. Das fordert regelrecht eine gründliche Aufklärung des Falles heraus. Der Anwalt empfahl der Tochter des älteren Herrn, auch vom Anwalt ihres Vaters, Rechtsanwalt Winkel, gezahlte Anwaltshonorare zurückfordern sollte. Sie stimmte am Ende zu. Dieser Teil des Falls kam dann auch am schnellsten vom Fleck.
Vorrangiger Schutz Geschäftsunfähiger
Der Anwalt der Tochter verlangte von Rechtsanwalt Winkel, daß er das Honorar zurückzahlt, das der geschäftsunfähige Mandantin ihm gezahlt hat. Rechtsanwalt Winkel wollte aber nichts zurückzahlen. Er berief sich darauf, daß erstens keine Geschäftsunfähigkeit vorgelegen habe, daß zweitens auch Demente das Recht auf Beratung haben und drittens ein Anwalt nicht ohne Bezahlung arbeiten müsse. Er habe doch darauf vertraut, daß sein Auftrag wirksam war, weil sein Mandant relativ fit gewirkt habe. Zurückzahlen wollte er nichts. Es kam daher zum Gerichtsverfahren. Dort stellte sich heraus, daß Rechtsanwalt Winkel den älteren Herr immer wieder für Beratungsgespräche besucht hat. Die Themen seien eine mögliche Änderung des Testaments zu Gunsten der Haushaltshilfe und Entwürfe für Schenkungsverträge an diese gewesen. Dabei seien die Gedanken durchaus von einem Thema zum anderen gesprungen, man habe den Mandant aber wieder aufs eigentliche Thema zurückbringen können. Wer sich mit Demenz auskennt, wird hier durchaus hellhörig. Für das Ergebnis vor Gericht gibt es ziemlich klare Regeln, die im Gesetz verankert sind: Wenn jemand geschäftsunfähig ist, gilt ein vorrangiger Schutz Geschäftsunfähiger. Es gibt im deutschen Recht keinen Vertrauensschutz für die Vertragspartner eines Geschäftsunfähigen.
Auftrag nichtig, „ungerechtfertigte Bereicherung“ zurückzahlen
Ein Geschäftsunfähiger kann er grundsätzlich keine wirksamen Verträge abschließen. Seine Erklärungen sind nichtig (BGB § 105 I). Das bedeutet, daß er keinen wirksamen Auftrag an den Rechtsanwalt erteilen konnte. Was Rechtsanwalt Winkel vom geschäftsunfähigen Mandant bezahlt bekommen hat, ist eine „ungerechtfertigte Bereicherung“, die zurückgeben werden muß. Das Gesetz ist hier sehr hart für Vertragspartner eines Geschäftsunfähigen: Es gibt keinerlei Schutz ins Vertrauen darauf, daß der Vertrag wirksam ist. Sobald jemand geschäftsunfähig ist, kann man nichts mehr erwarten, muß seine eigene erbrachte Leistung abschreiben.
Allerdings unterstellt das Gesetz, daß jeder Volljährige geschäftsunfähig ist. Das Gegenteil muß man erst einmal zur Überzeugung des Gerichts darlegen und ggf. beweisen. Dieser Beweis gelingt bei Geschäftsunfähigkeit selten, weil in der Regel kein Gutachter zur richtigen Zeit schauen konnte, wie schlecht der Zustand der betroffenen Person ist. Im Erbfall des Monats haben wir den Vorteil daß bereits ein Gutachten vorliegt, das den Zeitraum der Beratungen durch Rechtsanwalt Winkel betrifft.
Beweislast
Nachdem Rechtsanwalt Winkel auch nach der Zustellung der Klage noch nicht nachgeben wollte, traf man sich im Gerichtssaal. Die Tochter war aufgewühlt, weil der Gegner jede Mende Argumente schrieb, warum er gewinnen sollte. Der Gegner bei ihr hat einiges an Zweifeln und Verwirrung aufgeworfen. Der Fachanwalt auf der Seite der Tochter war jedoch gelassen, weil dieser Fall bei nüchterner Betrachtung mit (1.) Erstsemesterwissen aus dem Jurastudium und (2.) einem Sachverständigengutachten leicht zu gewinnen war.
Nachdem die Richterin die üblichen Hinweise gegeben hatte, worum es geht und wer was beweisen muß, war eigentlich klar: Jetzt wird es einen Termin für eine Beweisaufnahme geben mit einem Sachverständigen, den das Gericht benennt. Dafür muß die Tochter einen Vorschuß bezahlen auf die Kosten dieses Sachverständigen. Der schaut sich die verfügbaren Informationen dann noch einmal ein und wird eine unabhängige Einschätzung zur Geschäfts(un)fähigkeit geben. Und dann ist entweder mit dem Sachverständigengutachten als Beweis der Geschäftsunfähigkeit der Fall gewonnen – oder die Klage wird bei Zweifeln an der Geschäftsunfähigkeit wegen der Beweislast abgewiesen.
Ausdauer führt zum Erfolg
Dann gab es aber eine Überraschung: Rechtsanwalt Winkel bot von sich aus an, daß er sein Honorar zurückzahlen werde, wenn man auf Erstattung von Prozeßkosten verzichtet. Nach kurzem Verhandeln war er sogar bereit, die ganzen Prozeßkosten zu erstatten. Offensichtlich war es ihm doch zu eindeutig, daß der ältere Herr geschäftsunfähig war. Die Prozeßkosten wären mit einem Sachverständigengutachten noch viel teurer geworden. Das ist einerseits verlockend, wenn man meint, die Gegenseite werde nicht so viel an Vorschüssen bezahlen, wenn man ja doch erst mit dem Urteil Gewißheit bekommt. Andererseits geben Leute, die derart spekulieren, regelmäßig dann nach, wenn sie die Entschlossenheit der Gegenseite sehen. Am Ende zeigte sich wieder einmal: Ausdauer führt zum Erfolg. Dann kann man Zahlungen eines Geschäftsunfähigen erfolgreich zurückholen.
Lassen sich weitere Zahlungen eines Geschäftsunfähigen zurückholen?
Für’s Erste gilt nun: Ende gut – alles gut. Die Familie des älteren Herrn hat jetzt einen Teil des Geldes zurück, das im Zustand der Geschäftsunfähigkeit verschwunden ist. Aber lassen sich auch weitere Zahlungen des Geschäftsunfähigen zurückholen? Und wenn ja: Wird das leichter werden als beim ersten Mal?
Mit dem erfolgreichen Zwischenergebnis gegen den Anwalt sind auch die Nerven etwas beruhigt für das anschließende Gerichtsverfahren gegen die „beschenkte“ Haushaltshilfe. Dort werden aber andere Richter zuständig sein. Und diese sind nicht an den ersten Fall gebunden. Dennoch ist es ein Zeichen dafür, daß sich auch die anderen Zahlungen des Geschäftsunfähigen zurückholen lassen.