Erbfall des Monats - Juli 2020

Wohnungserbbaurecht und Sozialhilfe fürs Pflegeheim

Wie ist das eigentlich mit einem Wohnungserbbaurecht, das Geschwister von ihren Eltern geerbt haben – und wenn eine Schwester Sozialhilfe braucht für die Kosten im Pflegeheim?
Diesen Monat veröffentlicht Stefan Mannheim, Fachanwalt für Erbrecht in Stuttgart, auf diesem Blog den 100. Erbfall des Monats. Und passend zum Jubiläum liegt ein sehr außergewöhnlicher Erbfall auf dem Schreibtisch. Selbst erfahrene Juristen werden bei einem Teil der Fachausdrücke denken: Wa’sch-au-dees? (schwäbisch für: Was ist denn das?).
Die Eltern (im Folgenden auch: Käufer) haben sich von einem Immobilienvertriebler ein Wohnungserbbaurecht verkaufen lassen mit den „Argumenten“, das sei preisgünstig und es könnten auch noch die Enkel darin wohnen. Aber was ist so ein Wohnungserbbaurecht eigentlich? Es ist eine Kombination aus Eigentumswohnung und Erbbaurecht (Erbpacht), wodurch das verkaufte Immobilienrecht relativ günstig erschien. Konkret ist es jedoch so, daß das Grundstück nicht mit verkauft wurde, sondern nur das Recht, daß die Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) ein Haus auf diesem Grundstück bauen und es dann ein paar Jahrzehnte lang stehen lassen darf. Am Ende dieser Zeit fällt das Recht zur Benutzung an den Grundstückseigentümer zurück, der dann den Restwert des Gebäudes ablöst. Nach ein paar Jahrzehnten ist ein Haus aber so gut wie nichts mehr wert, was die Kunden oder ihre Erben erst dann bemerken werden, wenn es soweit ist. Dazu kommen noch die Herausforderungen, die eine WEG gerade in Zeiten von Individualismus ihrer einzelnen Mitglieder zu bewältigen hat. Vereinfacht gesagt werden beim Wohnungserbbaurecht  die Nachteile von Erbpacht und WEG miteinander multipliziert.
Und der einzige Enkel der Käufer lebt inzwischen auch noch weit weg von dem Ort, in dem seine Großeltern dieses Konstrukt des Wohnungserbbaurechts mit ihren ganzen Ersparnissen erworben haben, der Enkel hat also entgegen der Anpreisungen des Verkäufers gar nichts davon.
Nach dem Tod der Käufer sind zunächst ihre beiden erwachsenen Kinder in die Wohnung eingezogen, das Wohnungserbbaurecht haben sie nämlich zu gleichen Teilen geerbt. Das eine Kind ist alleinstehend geblieben, das andere Kind wollte nach dem Erwachsenwerden des Enkels und dem Ende der eigenen Ehe keine große Wohnung mehr haben. Also zogen die beiden Geschwister zusammen in die Wohnung der verstorbenen Eltern ein, unterstützten sich im Alltag gegenseitig und brachten über die Jahre entsprechend ihrer finanziellen Möglichkeiten unterschiedlich große Geldbeträge auf für die Einrichtung und für gelegentliche Renovierungen.
Nun wurde die kinderlose Schwester pflegebedürftig und zog ins Pflegeheim. Nachdem sie keine großen Renteneinkünfte hatte, zahlte das Sozialamt einen Teil der Pflegekosten. Sie starb und vererbte ihre ganze Habe an das andere Geschwister. In derartigen Fällen gibt es eine Besonderheit: Wenn der Empfänger der Sozialleistungen stirbt, kann der Träger der Sozialhilfe (z.B. die Stadtverwaltung durch das Sozialamt) von den Erben verlangen, daß die die Sozialhilfe zurückzahlen. Die Erben können ihre Haftung zwar auf den Wert des (Netto-)Nachlasses beschränken, das müssen sie aber aktiv machen, wofür die Unterstützung durch einen juristischen Fachmann erforderlich sein kann.
Obwohl die Sozialämter inzwischen einige Übung mit solchen Überleitungsansprüchen haben, gibt es im aktuellen Fall doch ein paar Mißverständnisse: Die Bewertung von Sacheen und Rechten, für die es keinen nennenswerten Markt gibt, ist eine erste große Herausforderung: Der verstorbenen Schwester, die Sozialhilfe bezogen hat, gehörte 1/2 Anteil am Wohnungserbbaurecht an Wohnung. Das Sozialamt legte jedoch einen Wert zugrunde, der an den Wert einer Eigentumswohnung herankommt. Dabei wird das Erbbaurecht in einigen Jahren an den Eigentümer des Grundstücks „heimfallen“, also für die Inhaberin erlöschen. Beim normalen Wohnungseigentum wäre das Recht unbefristet und es würde ein Anteil am Grundstückseigentum dazugehören. Für den Wert macht es schon einen Unterschied, ob etwas einem dauerhaft oder nur vorübergehend gehört. Und 1/2 Anteil an einer Wohnung ist noch heikler. Bei der Bewertung des geerbten halben Wohnungserbbaurechts kann man sich selber die Frage stellen: Wie viel würde ich dafür bezahlen, daß ich diese Wohnung (1.) nur noch für ein paar Jahre und (2.) gemeinsam mit dem Inhaber des anderen halben Anteils benutzen darf? Der Wert dürfte „knapp über dem Gefrierpunkt“ liegen. Das muß jetzt „nur“ noch der Behörde vermittelt werden, die Kostenersatz für die Zuschüsse zu den Pflegekosten verlangt. Wer gerade um einen lieben Verwandten trauert, möchte nicht unbedingt den Ämtern erklären, warum diese sich beim Wert des Wohnungserbbaurechts verrechnet haben. Hier kann es eine angenehme Entlastung sein, einen Fachanwalt damit zu beauftragen.

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