Erbfall des Monats - Juli 2023

Wertvolle Kunst geerbt – ausschlagen wegen der Steuer?

Ungewöhnliche Erbschaften können eine Herausforderung sein, bei der die Erben sich überfordert fühlen.  Vor kurzem rief ein Mandant beim Fachanwalt für Erbrecht an und wollte eigentlich „nur“ eine beglaubigte Unterschrift abgeben, um die Erbschaft von seiner Tante auszuschlagen.  Er hatte Angst davor, daß er für die vielen Kunstwerke seiner verstorbenen Tante Erbschaftsteuer in Höhe von mehreren hunderttausenden Euro zahlen müsse.
Vorneweg eine Nebensächlichkeit:  Ein Fachanwalt für Erbrecht kann zwar Beratung rund ums Erbrecht, Testamentsentwürfe und Erbschaftsteuer anbieten.  Eine Unterschrift für die Erbausschlagung öffentlich beglaubigen kann aber nur ein Notar; alternativ kann man die Erklärung auch beim Nachlaßgericht abgeben.  Ob es sinnvoll ist, das Erbe auszuschlagen, ist eine ganz andere Frage.  Und hier ist der Fachanwalt für Erbrecht zufälligerweise der ideale Ansprechpartner, weil er in der Ausbildung zum Fachanwalt sowohl die unterschiedlichen Arten der Haftungsbeschränkung des Erben als auch Erbschaftsteuer gelernt hat.
Im Erbfall des Monats geht es hauptsächlich um das „Luxusproblem“, daß zum Nachlaß hunderte Kunstwerke gehören, die einiges wert sind.  Sie stellen einen Wert dar, den der Erbe bekommt.  Und für diesen Wert muß grundsätzlich Erbschaftsteuer bezahlt werden, und zwar mit Geld, das in dieser Erbschaft nicht vorhanden ist.  Für Juristen gibt es aber kaum einen Grundsatz ohne Ausnahmen.  Die wichtigsten Punkte für diesen Fall sind:
Der Neffe hat für den Nachlaß seiner Tante zwar lediglich einen persönlichen Freibetrag von €20.000.  Allerdings steht der persönliche Freibetrag am Ende der Berechnung für die Erbschaftsteuer.  Außerdem kommen zusätzliche Freibeträge in Frage, die den steuerfreien Teil der Erbschaft erhöhen, die aber im Verhältnis zu einer größeren Erbschaft ohne liquide Geldmittel immer noch relativ überschaubar sind und es oft nicht möglich machen, die Steuer dann auch tatsächlich kurzfristig zu bezahlen.  Hausrat und andere bewegliche Gegenstände bleiben im Wert von €20.000 steuerfrei, wenn sie nicht sowieso unter bestimmte Vergünstigungen fallen.  Als Pflegefreibetrag gewährt das Gesetz eine Vergünstigung von bis zu €20.000, falls der Neffe sich um Pflege, Haushaltsführung, Begleitung zu Ärzten oder dergleichen gekümmert hat.  Und damit sind wir beim wichtigsten und gleichzeitig überraschenden Punkt in diesem Fall:
Vor dem Blick auf die Freibeträge wird erst einmal der Steuerwert der Nachlaßgegenstände zusammengerechnet, und dabei gibt es dann auch schon Vergünstigungen bei bestimmten Gegenständen.  Für Kunstwerke, Bibliotheken, wissenschaftliche Sammlungen, Archive usw. gibt es ein Privileg im Erbschaftsteuerrecht.  Das Erbschaftsteuergesetz sieht vor, daß sie nur mit 60% ihres tatsächlichen Wertes angesetzt werden, wenn sie:
– wegen ihrer Bedeutung für Kunst
– im öffentlichen Interesse erhalten bleiben sollen sowie
– die jährlichen Kosten in der Regel höher sind als die Einnahmen.
Vollständig steuerfrei bleiben diese Gegenstände, wenn sie außerdem seit mindestens 20 Jahren im Familienbesitz sind oder im Verzeichnis des national wertvollen Kulturgutes eingetragen sind oder, soweit das in Frage kommt, der Erbe sie der Denkmalpflege unterstellt.  Die Steuerfreiheit setzt außerdem voraus, daß die genannten Voraussetzungen zehn Jahre bestehen bleiben und der Erbe sie so lange behält.  Erst danach darf er sie verkaufen, ohne Erbschaftsteuer auf den tatsächlichen Wert seiner Erbschaft zu zahlen.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie man diese Steuervorteile erreichen kann.  Am einfachsten ist es wohl, wenn ein Museum die Kunstwerke als Leihgabe in eine öffentliche Ausstellung aufnimmt.  Bei besonders wichtigen Kunstwerken kommt das in Frage, sonst wird nicht gleich eine ganze Kunstsammlung den nötigen Platz in einem bereits bestehenden Museum finden.
Ansonsten stellt sich bei hohen Werten die Frage, ob man das mit der öffentlichen Ausstellung nicht selber in die Hand nimmt.  Freilich ist das nichts alltägliches, und wer weiß schon wie das geht?  Der Erbe muß das ja nicht alles selber wissen und selber erledigen können, er kann sich helfen lassen.  Immerhin geht es bei der befürchteten Erbschaftsteuerschuld von mehreren hunderttausenden Euro im konkreten Fall um eine Erbschaft, die beim Verwandtschaftsgrad des Neffen einen Steuersatz von 30% ausmacht, um ein Vermögen in Millionenhöhe.  Dafür kann man auch etwas an Berater bezahlen, um es reibungslos zu erben, unterm Strich kann hier noch einiges für den Erben übrig bleiben.  Ein guter Fachanwalt für Erbrecht, der seine eigene Kanzlei aufgebaut hat, sollte als Berater auch eine Kunstausstellung organisieren können.  Die Rechtslage kann er als Jurist abklären, und das Organisatorische ist beim Selbständigen über die Branchengrenzen hinweg zum Großteil das gleiche.  Für die anderen Aufgaben muß man das Gespür mitbringen, wann man andere Fachleute einbeziehen muß.  Bei Kunst ist es sicher hilfreich, einen Kunsthistoriker als Kurator der Ausstellung zu haben, wenn man nicht selber die Fachkenntnisse für öffentliche Ausstellungen hat.  Und die Räume für die Ausstellung zahlreicher Kunstwerke müssen ja nicht im teuren Innenstadtbereich einer Großstadt liegen, da läßt sich auch etwas für eine bezahlbare Miete finden, gegebenenfalls hilft ein spezialisierter Makler für Gewerbeobjekte etwas geeignetes zu finden, was vielleicht schon jahrelang leer steht und günstig zu mieten ist.
Nach der Beratung kann der Erbe nun entscheiden, ob er die „dicke“ Erbschaft mit den vorübergehenden Einschränkungen annehmen möchte, ob er sich das Geld für die Erbschaftsteuer leihen wird oder ob er tatsächlich die Erbschaft ausschlägt und dann gar nichts vom Erbe seiner Tante hat, nicht einmal Erinnerungsstücke.

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