Was tun, wenn ein Miterbe die Zusammenarbeit bei der Abwicklung der Erbschaft verweigert? Das kommt in einem aktuellen Erbfall vor, bei dem ein Miterbe einen „individuellen Lebensstil pflegt“ (oder abschätzig gesagt: ein Aussteiger blockiert). Er wohnt seit langem auf einer preisgünstigen Karibikinsel und verrät seinen Verwandten nicht seine aktuelle Adresse. Dafür stellt er aber regelmäßig per eMail „kreative Ansprüche“, was die anderen Miterben für ihn tun und was sie ihm so alles geben sollen. Und ausgerechnet er hat eine Erbquote von 1/2, so daß er nicht einmal überstimmt werden kann.
In diesem aktuellen Fall wollte der Mandant einen Teilerbschein für sich und für die anderen Miterben beantragen, die kooperieren. Davon muß aber dringend abgeraten werden: Ein Teilerbschein bescheinigt nur einem Teil der Erben, daß sie Erben sind und welche Quote sie in der Erbengemeinschaft haben. Ein Teil der Erbengemeinschaft wird in diesem Dokument aber offen gelassen, so daß der Teilerbschein die Erbengemeinschaft überhaupt nicht handlungsfähig macht; es stehen ja nicht alle Personen fest, aus denen die Erbengemeinschaft besteht. Die Kosten dafür wären verlorenes Geld des Antragstellers. Wenn nur ein Teil der Erben vom Nachlaßgericht durch einen Teilerbschein festgestellt wird, können nämlich nicht einmal im Grundbuch die Erben eingetragen werden.
Als einzelner Miterbe kann man durchaus auch einen Gesamterbschein beantragen, der sämtliche Miterben mit ihren jeweiligen Erbquoten ausweist. Wenn die Miterben sich nicht gegen den Antrag wehren, der Antrag plausibel ist und alle erforderlichen Dokumente vorgelegt werden, dann wird der Erbschein zügig erteilt. Damit kann dann die Erbengemeinschaft dann immerhin schon einmal ins Grundbuch eingetragen werden.
Das Gesetz verlangt für Entscheidungen einer Erbengemeinschaft die Mehrheit der Erbquoten. Wenn ein Miterbe mit 50% nicht dafür ist, kann er von den anderen Miterben nicht überstimmt werden. Und wenn seine Quote geringer wäre, gäbe es dennoch ein Problem: Verfügungen der Erbengemeinschaft können grundsätzlich nur gemeinschaftlich, also durch alle Miterben umgesetzt werden. Das betrifft in unserem Erbfall des Monats den Verkauf des geerbten Hausgrundstücks. Hier wird das Grundbuchamt keinen Käufer als neuen Eigentümer eintragen, wenn nicht alle Miterben in öffentlicher Form die Auflassung erklären und die Eintragung des Käufers bewilligen.
Wie kann man das Problem lösen? Es gibt Einzelfälle, in denen ein Gerichtsurteil die Zustimmung eines Miterben ersetzen kann. Dann löst man das Problem, indem man den Miterben auf Zustimmung verklagt und mit dem Urteil die Maßnahme umsetzt, also beispielsweise beim Immobilienverkauf die Eintragung des Käufers ins Grundbuch ermöglicht. Gerade beim Verkauf einer Immobilie liegen aber extrem selten die Voraussetzungen vor, um die Zustimmung des Miterben einzuklagen. Schließlich könnte man an einen anderen Interessenten verkaufen, und der Kaufpreises könnte ja schon ein halbes Jahr später besser sein. Außerdem ist der Preis bei den Vertragsbedingungen nicht das einzige, was für die Erben relevant sein kann: Wenn ein Interessent zwar weniger zahlt, dafür aber einen Gewährleistungsausschluß übernimmt oder eine nicht monetäre Gegenleistung zusagt, dann kann man nicht wirklich sagen, welches Angebot das beste ist.
Solange das Hausgrundstück nicht verkauft ist, sind aber auch Reparaturen erforderlich. Im aktuellen Erbfall besteht die Gefahr, daß Teile des Dachs herunterfallen und bei den Nachbarn Schaden anrichten. Hier muß ein Handwerker beauftragt werden, der die Reparatur erledigt. Die Zustimmung des Miterben ohne bekannten Wohnsitz läßt sich auch per eMail einholen, seine Adresse ist dafür nicht unbedingt nötig. Leider reagiert er aber nur dann, wenn er etwas bekommen soll. Sobald er etwas mit entscheiden oder mit bezahlen soll, kommt von diesem Miterben nie eine Antwort. Die anderen Erben können trotzdem etwas machen, weil die Reparatur ja objektiv nötig ist und schnell erledigt werden muß, bevor „etwas passiert“. Damit es später keinen Streit über die Kosten gibt, sind die vernünftigen Miterben gut beraten, wenn sie drei Vergleichsangebote einholen und dem anderen Miterben eine Frist setzen, bis wann er sich entweder für eines der Angebote entscheiden oder selber ein weiteres Angebot vorlegen muß. Dann kann auch ohne ihn ein Auftrag an den Handwerker auf Kosten des Nachlasses erteilt werden.
Falls die Bezahlung daran scheitern sollte, daß die Bank kein Geld vom Nachlaßkonto herausgibt, solange noch die Unterschrift eines Miterben fehlt, kann seine Zustimmung zur Auszahlung bzw. Überweisung eingeklagt werden.
Wie klagt man aber, ohne eine Anschrift für Zustellungen zu kennen? Und dazu noch gegen einen, der in Übersee sitzt? Hier gibt es hilfreiche Regelungen in der Zivilprozeßordnung: §§ 185 ff regeln, wie eine öffentliche Zustellung erfolgt, wenn man den Aufenthaltsort des Prozeßgegners nicht kennt und der auch keinen Bevollmächtigten hat. Das muß der Anwalt des Klägers gegenüber dem Gericht gründlich darlegen. Die Zustellung erfolgt dann durch Aushang am Schwarzen Brett des Gerichts oder über ein elektronisches Informationssystem; nach einem Monat gilt die Zustellung als wirksam erfolgt. Der Aussteiger unter den Miterben, der in der Karibik ohne bekannten Aufenthaltsort lebt, wird da wohl nicht nachschauen, so daß gegen ihn nach Ablauf der Frist zur Verteidigung gegen die Klage auf Zustimmung ein Versäumnisurteil ergehen wird. Das Urteil muß dann auch noch einmal öffentlich ausgehängt werden, damit es die Rechtsmittelfrist in Gang setzt. Nach der Frist kann dann die Vollstreckung des Urteils erfolgen. Und wenn „nur“ eine Willenserklärung durch Urteil ersetzt wurde, also beispielsweise die Zustimmung zu einer Auszahlung oder einer Überweisung, kann das Urteil mit Rechtskraftvermerk bei der Bank vorgelegt werden; das ersetzt dann die Unterschrift des Verurteilten auf dem Überweisungsformular oder Auszahlungsbeleg.
Die Erbengemeinschaft wird diese mühsame Verwaltung des Nachlasses vielleicht nicht ewig so betreiben wollen und sucht einen Weg, den Verkauf der Immobilie zu erzwingen. Über den Umweg einer Teilungsversteigerung geht das, und zwar ganz ohne Zustimmung der anderen Miterben. Für die Teilungsversteigerung reicht es aus, wenn ein einziges Mitglied der Gemeinschaft den Antrag beim Amtsgericht stellt, die erforderlichen Dokumente vorlegt und Auskünfte gibt sowie Vorschüsse auf die Kosten des Versteigerungsverfahrens zahlt; nach der Versteigerung werden als erstes diese Vorschüsse erstattet. Das weitere geht dann im wesentlichen nach den Regeln der Zwangsversteigerung, jedoch mit der Besonderheit, daß der Antragsteller selber als Miterbe zu den Eigentümern gehört. Er hat im Verfahren einige Register, die er ziehen kann, wenn er sie kennt. Und der Rest der Erbengemeinschaft kann die Versteigerung allenfalls dann verhindern, wenn ein Verschleudern weit unter Wert drohen würde. Übrigens können auch der Antragsteller und jeder andere Miterbe bei der Teilungsversteigerung mitbieten. Früher waren gelegentlich Schnäppchen möglich in Versteigerungen, heutzutage werden aber auch da Höchstgebote erzielt, die häufig um einiges über dem liegen, was im Wertgutachten steht. Somit kann eine Versteigerung auch nicht verhindert werden wegen drohender Verschleuderung des Eigentums. Die Erbengemeinschaft muß sich nach erfolgreicher Versteigerung nicht mehr um die Pflichten aus dem Eigentum kümmern und kommt der Teilung des Nachlasses einen großen Schritt näher.