Erbfall des Monats - Juni 2025

Vorsorge- und Generalvollmacht: zurückbehalten?

An einer Frage scheiden sich die Geister bei der Vorsorge- und Generalvollmacht:  Soll man eine Ausfertigung der Vollmacht gleich schon „in guten Zeiten” an den Bevollmächtigten übergeben?  Oder soll man vorsichtshalber die Vollmacht erst im Notfall übergeben, wenn der Vorsorgefall eintritt, also bei Handlungsunfähigkeit, fortschreitender Demenz oder dergleichen?  Häufig werden Vollmachten an einem sicheren Ort aufbewahrt, den die Bevollmächtigten erst erfahren sollen, „wenn es soweit ist.“

Erbfall des Monats: Vorsorge- und Generalvollmacht „über den Tod hinaus“ zurückbehalten

Aktuell beschäftigt uns ein praktischer Fall, wie er bisher noch selten vorkommt.  Allerdings kann man seit ein paar Jahren eine Entwicklung in der Gesellschaft beobachten, die uns wohl bald häufiger solche Fälle beschert:  Die umfassende Vollmacht wurde in guten Zeiten erteilt und notariell beurkundet.  Die Vollmacht soll ausdrücklich auch über den Tod hinaus gelten, so daß dann die Erben vertreten werden.  Der Bevollmächtigte sollte eine Ausfertigung aber erst vom Notar bekommen, wenn der Vorsorgefall eintritt.  Und dann war es soweit, aber alles lief anders als gedacht, und der Bevollmächtigte verhielt sich sehr kontraproduktiv.

Warum werden Vollmachten zurückbehalten?

Aus Sicht des Fachmanns stellen sich mehrere Fragen:
Ist genug Vertrauen vorhanden, wenn der Bevollmächtigte kein Exemplar der Vollmacht bekommt?  Und warum bekommt jemand eine weitreichende Vollmacht, wenn ihm nicht wirklich vertraut wird?  Wenn die Vollmacht nicht übergeben wird, spricht das doch für ein tiergehendes Mißtrauen gegen diese Person.
Warum schaut man nicht in guten Zeiten zu, was der Bevollmächtigte macht oder auch nicht macht, solange man bei einem Mißbrauch der Vollmacht noch etwas dagegen unternehmen kann?  Im Vorsorgefall ist man ja hilflos ausgeliefert.  Einen schlechten Bevollmächtigten kann man nur loswerden, solange man noch fit genug ist.  Und das geht nur, wenn er die Vollmacht gleich ausgehändigt bekommt.  Im Vorsorgefall ist es dafür zu spät.
Und warum soll der Bevollmächtigte eigentlich auch nach dem Tod die Erben ungefragt vertreten dürfen, wenn die Vollmachtgeberin selbst nicht erst in größter Not von diesem Bevollmächtigten vertreten werden möchte?  Das ist widersprüchlich und macht den Erben das Leben schwer.  Wenn das gewollt wäre, müßten sie doch auch gleich noch enterbt werden – oder die Vollmacht gilt eben nicht über den Tod hinaus.

Vorsorge- und Generalvollmacht wurde benötigt

Im Erbfall des Monats trat nach ein paar Jahren der Vorsorgefall ein.  Durch schwere Krankheit und beginnende Demenz wurde es nötig, daß jemand die Vollmachtgeberin unterstützt.  Der Bevollmächtigte tat das aber nicht, und die Vollmachtgeberin schien inzwischen selber lieber einen rechtlichen Betreuer haben zu wollen als einen Bevollmächtigten.  Wegen ihrer Krankheit weiß man aber nicht so genau, ob der Bevollmächtigte nicht einspringen wollte oder ob die Vollmachtgeberin es sich anders überlegt – oder einfach vergessen – hatte.  Ein Betreuer wurde vom Gericht aufgrund neurologisch-psychiatrischen Gutachtens bestellt und kümmerte sich bis ans Lebensende um die rechtlichen und geschäftlichen Angelegenheiten.  Dann starb die ältere Dame.

Transmortale Generalvollmacht

Um den Todesfall herum ließ der Bevollmächtigte sich vom Notar eine Ausfertigung der Vollmacht geben.  Diese gilt schließlich ausdrücklich über den Tod hinaus, eine sogenannte transmortale Vollmacht.  Danach fing er an, bei allen möglichen Stellen als Vertreter der Erben aufzutreten.  Er ließ sich die Post der Hausverwaltung bezüglich der Eigentumswohnung an seine Adresse schicken und bekam wohl auch von den Banken die Kontoauszüge.  Die Erben jedoch baten ihn vergeblich um Auskünfte über den Nachlaß und darüber, was er so alles damit gemacht hat.  Der Bevollmächtigte stellte sich einfach auf den Standpunkt, daß die Erben ihm nichts zu sagen haben, solange sie nicht ihre Erbenstellung mit offiziellen Dokumenten belegen können.

Widerruf der Generalvollmacht

Nachdem endlich ein Erbschein vorlag, schrieb der Rechtsanwalt der Erben noch einmal den Bevollmächtigten an.  Er widerrief die Vollmacht und verlangte Herausgabe aller Gegenstände, die der Bevollmächtigte in Besitz genommen hat.  Außerdem verlangte er Auskünfte und Rechnungslegung über das, was der Bevollmächtigte getan hat.
Und nun wurde es besonders „bunt“:  Erst meldete sich ein Rechtsanwalt für den Bevollmächtigten und kündigte eine Stellungnahme an.  Dann schrieb der Bevollmächtigte selber an den Anwalt der Erben und wollte einen Termin haben.  Nachdem er einen Rechtsanwalt beauftragt hatte, durfte der Anwalt der Erben aber nicht an dem gegnerischen Rechtsanwalt vorbei direkten Kontakt aufnehmen.  Nach ein paar Tagen klärte sich dieses Problem dadurch, daß der Rechtsanwalt des Bevollmächtigten das Ende seines Mandats mitteilte, bevor er irgend etwas tun konnte.  Das ist ungewöhnlich und spricht dafür, daß es zwischen dem Bevollmächtigten und seinem Anwalt massive Probleme gab.

Termin mit dem Bevollmächtigten: “High Noon“

Der Bevollmächtigte bekam dann einen Termin beim Anwalt der Erben.  Bei der Vereinbarung des Termins gab es einen klaren Hinweis darauf, daß es nur um die Herausgabe der Gegenstände ging, die den Erben gehören, und daß es an dem Tag keine Diskussion geben wird.  Als der Bevollmächtigte in die Kanzlei des Anwalts der Erben kam, hatte er einen Aktenordner mit Dokumenten dabei, die er übergeben sollte.  Er verlangte aber als erstes eine Ausweiskopie des Rechtsanwalts, den er in dessen Kanzlei besuchte.  Außerdem verlangte er die Vorlage der Originalvollmacht, die den Anwalt zur Vertretung seiner Mandanten berechtigte.
Es ist schon nicht nachvollziehbar, warum der Anwalt sich in seiner eigenen Kanzlei ausweisen sollte.  Außerdem gibt es keinen Grund, warum man jemandem eine Ausweiskopie geben sollte.  Nachdem damit Betrug leicht möglich ist, sollte man das auf keinen Fall tun.  Der Bevollmächtigte bekam deshalb die Antwort, daß er keine Ausweiskopie bekommen wird.
Die Anwaltsvollmacht zeigte der Rechtsanwalt der Erben vor.  Das gehört zum üblichen Prozedere.  Nachdem eine Vollmacht jederzeit widerrufen werden kann, ist es normal, daß man sich das Original zeigen läßt.  Allerdings wollte der Bevollmächtigte der Erblasserin gar nicht lesen, was in dem Dokument stand.  Er fragte sofort, woher er denn wissen könne, ob die Unterschrift auf der Anwaltsvollmacht echt ist.  Zufälligerweise hatten die Mandanten ihre Unterschrift notariell beglaubigen lassen.  Aber der Bevollmächtigte der Erblasserin fragte wie aus der Pistole geschossen, woher er denn wissen könne, daß der Notar auch wirklich ein Notar ist.  Es wurde turbulent und laut.  Beinahe gab es Szenen wie im Westernfilm „High Noon“.

Keine guten Zeiten mit dem Bevollmächtigten

Es macht keinen Sinn, sich auf derart verstörende Diskussionen einzulassen.  Der Anwalt der Erben machte dem Bevollmächtigte der Erblasserin klar, daß er jetzt die Dokumente und gegebenenfalls sonstigen Gegenstände herausgeben und dann gehen soll.  Das sagte er fünf mal.  Nachdem das nichts half, stand der Anwalt auf und wies dem psychisch auffälligen Bevollmächtigte der Erblasserin die Tür.  Der ging aber nicht, so daß ein Hausverbot folgte mit dem Hinweis, daß ein längerer Aufenthalt in den Kanzleiräumen Hausfriedensbruch ist.  Erst als der Anwalt zum Telefon ging, um die Polizei zu Hilfe zu rufen, ging der Bevollmächtigte der Erblasserin.  Er nahm aber sämtliche Dokumente mit, die den Erben der Vollmachtgeberin gehörten.  Am selben Tag teilte er dann mit, daß er die Unterlagen per Einschreiben an die Anwaltskanzlei geschickt habe, in der er sich so auffällig benommen hatte.  Auskünfte oder gar Rechenschaft hat er aber weiter verweigert.  Ob die Vollmachtgeberin das so haben wollte?

Auskunft und Rechenschaft des Vorsorge- und Generalbevollmächtigten

Dieser Fall wird so weitergehen, daß die Erben den Bevollmächtigte der Erblasserin auf Auskunft und Rechenschaft gemäß BGB § 666 verklagen werden.  Und es stellt sich wieder einmal die Frage, warum die Vollmachtgeberin diese Vollmacht erteilt hat, dem Bevollmächtigten dann aber keine Ausfertigung der Vollmacht gegeben hat um zu sehen, ob er vernünftig damit umgeht.  Und schließlich ist auch fragwürdig, wozu eine Vollmacht über den Tod hinaus gelten soll, wenn sie nicht einmal zu Lebzeiten ausgeübt werden soll.

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