Erbfall des Monats - März 2019

“Vollmacht” als Testament

Welche Überschrift muß ein Testament haben, damit es gilt?
Bei dieser Frage ist das Gesetz nicht so streng, wie die Erwartungen der meisten Menschen. Schauen wir kurz in die einschlägige Vorschrift für letztwillige Verfügungen, die in Juristenjargon einseitige, nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen sind: BGB § 133 besagt: „Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.“ Anders als bei einem Vertrag gibt es beim Testament niemanden, der eine Gegenleistung von dem abhängig macht, was er selber aus dem Vertrag bekommen soll; aus diesem Grund kommt es bei der Auslegung eines Testaments ausschließlich auf die Bedeutung der gewählten Worte an, die der Erblasser sich vorgestellt hat.
Kürzlich wurde uns ein Dokument vorgelegt, bei dem die Hinterbliebenen nicht sicher waren, was es bedeuten soll. Der Wortlaut dieses handschriftlichen Dokuments ist:
„Vollmacht – Hiermit erteile ich [Name, Adresse], den Herren Max Müller [Adresse] und Siggi Schulz [Adresse] die gleichberechtigte Vollmacht, nach meinem Tod zu verfügen über alle Bankkonten, Wertsachen, Mobiliar und Inventar und den Haushalt aufzulösen und über alles nach Belieben zu verfügen. [Datum, Unterschrift]“
Das Dokument erfüllt alle Formvorschriften eines wirksamen Testaments: Es wurde vom Erblasser eigenhändig geschrieben, unterschrieben, und auch das Datum wurde angegeben. Außerdem muß noch der „Testierwille“ gegeben sein, also beim Einsetzen von Erben die Absicht, den Vermögensnachfolger im Todesfall zu bestimmen. Die Überschrift ist für ein wirksames Testament egal, sie kann auch ganz fehlen. Bei falsch verwendeten Begriffen wird im Wege Auslegung die eigentlich gewollte Bedeutung ermittelt.
Bei der vorliegenden Formulierung fällt schon einmal auf, daß die beiden „bevollmächtigten“ Herren nach ihrem Belieben über das ganze Hab und Gut verfügen können, wenn der Verfasser des Dokuments verstorben ist. „Nach Belieben“ ist deutlich freier, als wenn sie mit Vollmacht für den Eigentümer, im Todesfall also für den Erben, handeln würden. Aus Sicht eines Juristen drängt es sich auf, daß der mittlerweile Verstorbene wohl nicht eine Vollmacht erteilen sondern seine Vermögensnachfolger bestimmen wollte. Und mit dem Wort „gleichberechtigt“ scheint er gemeint zu haben, daß die beiden zu gleichen Teilen erben.
Wenn es aber konkrete Anhaltspunkte dafür gibt, daß der Erblasser doch etwas anderes gemeint hat, dann hat das Vorrang. Solange aber kein Schriftstück und auch kein Zeuge dafür auftaucht, daß etwas anderes gemeint war, wird diese „Vollmacht“ als Testament angesehen.

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