Erbfall des Monats - November 2021

Verjährung beim Vermächtnis während jahrelanger Erbenermittlung

Im aktuellen Erbfall des Monats war eine Freundin aus England die einzige Beteiligte des Erbfalls, die die Erblasserin persönlich kannte. Die Verstorbene war nämlich schon lange Jahrzehnte die beste Freundin ihrer Mutter gewesen, und sie sahen sich seit Jahrzehnten schon jedes Jahr persönlich. Die Erblasserin hatte allerdings auch noch ein altes Testament, das sie nach dem frühen Tod Ihrer Mutter mit Hilfe eines Notars errichtet hatte, und da stand als Erbe noch der Vater drin. Auf Rat des Notars, daß Ersatzerben die Verwandten mit den Erbquoten sind, die in der gesetzlichen Erbfolge, also ohne Testament, dran wären. Für die Freundin aus England gab es immerhin ein handschriftliches  Testament, in dem ihr die umfangreiche Schmucksammlung der Erblasserin sowie eine Bankverbindung im Ausland vermacht waren. Der Vater der Erblasserin war in der Zwischenzeit auch verstorben, so daß die Verwandten als Ersatzerben zum Zuge kamen.
Eigentlich ist der Fall ganz einfach: Erben bekommen als Gesamtrechtsnachfolger alles, was der Erblasserin gehört hat, und müssen Verbindlichkeiten wie zum Beispiel die Vermächtnisse erfüllen. Konkret würde das nun bedeuten, daß die Freundin aus England den Schmuck und die ausländischen  Geldanlagen bekommt, der „Rest“ in Form mehrerer Immobilien und inländischer Geldanlagen bleibt bei den Verwandten, die ihre Erbtante mindestens 50 Jahre nicht gesehen hatten, teilweise auch überhaupt nicht von ihrer Existenz wußten. Alle könnten zufrieden sein mit dem Ergebnis.
Es kam aber komplizierter als nötig, weil einige Leute jeweils etwas falsch gemacht haben. Dieser Fall zeigt uns, was dann passiert, wenn alle allen anderen die Schuld dafür geben wollen, daß nichts funktioniert – und kaum einer der Beteiligten benimmt sich normal und vernünftig:
Zunächst waren die Erben noch nicht bekannt, weil im Testament stand: „…Ersatzerben die Verwandten der väterlichen Linie und der Mütterlichen Linie mit den Quoten der gesetzlichen Erbfolge“. Dabei ist gal, ob die Verstorbene schon seit Jahrzehnten keinen Kontakt mehr zu den Verwandten hatte, weshalb nicht einmal bekannt war, wer das denn eigentlich ist und wo sie wohnen. Ein Erbrecht verjährt nicht.
Ein Nachlaßpfleger wurde vom Nachlaßgericht beauftragt, die Erben zu ermitteln und solange den Nachlaß zu sichern. dafür brauchte er einige Jahr, unter anderem weil er selber zweimal mit seinem Büro umzog. Außerdem fand er mit den Unterlagen der Standesämter nicht heraus, daß es da noch einen nichtehelichen Sohn eines Verwandten gab, der auch Miterbe wurde. Der Nachlaßrichter hatte aus einem früheren Fall in Erinnerung, daß es da noch irgend jemanden gab, er sagte dem Nachlaßpfleger aber nur, daß der weiter ermitteln solle, ohne daß er ihn auf die alte Akte hingewiesen hätte.
Es gab außerdem Verzögerungen durch eine Umstrukturierung beim Nachlaßgericht. Eigentlich war aber dieselbe Person für dieselbe Akte im selben Erbfall zuständig, nur eben von einem anderen Bürogebäude aus. Der Verfasser dieser Zeilen ist auch schon mit seinem Büro umgezogen und hat die Erfahrung gemacht: Wenn man bereit ist, seine Arbeit zu erledigen, dann klappt das auch. Aber andere schauen anscheinend lieber auf Ausreden, die plausibel klingen. Der Nachlaßrichter beklagte sich im Lauf der Jahre auch mal darüber, daß der Nachlaßpfleger so langsam sei, anstatt die Erbenermittlung als abgeschlossen anzusehen, so daß die Aufgaben des Nachlaßpflegers erledigt sind. Außerdem fand er, daß die ermittelten Erben gierig seien.
Außerdem beklagten sich die Erben beim Nachlaßrichter darüber, daß der Nachlaßpfleger die Immobilien schlecht verwalte habe, so daß sie nicht noch mehr Vermögen bekommen von der Erbtante, die sie gar nicht persönlich kannten und sich auch überhaupt nicht um sie kümmerten, als es ihr gesundheitlich schlecht ging. Das klingt bizarr, wenn jemand sich nie um seine Erbtante gekümmert hat, es ist für den Nachlaßpfleger aber ein finanzielles Risiko.
Und ein Teil der Erben verschwieg sogar im ersten Antrag auf einen Erbschein, daß es den nichtehelichen Verwandten gab, den sie früher in einem wertlosen Nachlaß noch als Miterben ans Nachlaßgericht gemeldet hatten. Jetzt, wo es um ein Millionenvermögen ging, wollten sie alles ohne diesen „unbekannten“ Verwandten an sich nehmen.
Die englische Freundin der Erblasserin sprach immer wieder beim Nachlaßgericht und beim Nachlaßpfleger vor, ob sie denn nun das Vermächtnis ausgehändigt bekomme. Dabei verwies der Nachlaßrichter auf die Zuständigkeit von entweder Nachlaßpfleger oder Erben, der Nachlaßpfleger verwies auf die Erben, und diese standen ja noch gar nicht definitiv fest. Nach einigen Jahren wurde dann endlich ein Erbschein erteilt, so daß die Vermächtnisnehmerin endlich wußte, wen sie verklagen kann. Nun beriefen sich die Erben aber darauf, daß der Anspruch angeblich verjährt sei. Nun ja, eine Verjährung beseitigt keinesfalls das Recht, das verjähren kann; die Schuldner haben lediglich die Möglichkeit, die Erfüllung verjährter Forderungen zu verweigern. Wenn sie wollen, können sie also problemlos immer noch das tun, was die Erbtante im Testament angeordnet hat – aus Anstand sollte das bei unbekannten Erbtanten auch nicht allzu sehr weh tun. Aber jetzt ist ein Erbstreit bei Gericht zu entscheiden. Und da gibt es eine knifflige Frage, die zu nicht ganz einfach zu beurteilen ist: Lagen die Voraussetzungen vor, daß die Verjährungsfrist schon vor mehr als drei Jahren begonnen hat zu laufen?
Verjährung setzt eigentlich voraus, daß man weiß, von wem man etwas verlangen kann. Und das Vermächtnis bekommt man vom Erben bzw. der Erbengemeinschaft erfüllt. Es gab zwar einen Nachlaßpfleger, der möglicherweise die unbekannten Erben als gesetzlicher Vertreter auch bei einer Vermächtniserfüllungsklage repräsentieren kann. Allerdings sieht das Gesetz zwei Arten von Nachlaßpfleger vor: Der eine wird vom Gericht bestellt, um den Nachlaß zu sichern für unbekannte Erben. Er ist im Interesse der Erben tätig, keinesfalls aber zuständig für die Abwicklung des Nachlasses. Das wird zwar manchmal fälschlicherweise angeordnet, ist aber ohne Antrag von dazu Berechtigten gar nicht zulässig und somit nicht zu beachten.
Die andere Art von Nachlaßpfleger wird auf Antrag eines Gläubigers bestellt, damit der Anspruch erfüllt werden kann, bevor die Erben feststehen. Nachdem aber sowohl der Nachlaßpfleger als auch der Nachlaßrichter mehrere Jahre lang immer wieder gesagt haben, daß eigentlich alles so gut wie erledigt sei und der jeweils andere nur noch eine Kleinigkeit zu tun brauche, erschien ein Antrag der Vermächtnisnehmerin geradezu als obstruktiv, weil doch sowieso in Kürze amtlich feststehen sollte, wer die Erben sind, von denen das Vermächtnis zu erfüllen ist. Im Nachhinein wäre ein Antrag der Vermächtnisnehmerin beim Nachlaßgericht sinnvoll gewesen, einen Nachlaßpfleger auch für die Aufgabe der Erfüllung von Vermächtnissen zu bestellen. Aber zu jedem Zeitpunkt des jahrelangen Wartens sah es eben so aus, als wäre der Antrag unzulässig, bevor darüber entschieden wurde – weil ja die Erbenermittlung vermeintlich am Ende angekommen war, und nur im Nachhinein klar wurde, daß es dann doch noch einmal langwierig weiterging.
Einfacher wäre es gewesen, wenn zum Beispiel der Nachlaßrichter zum Nachlaßpfleger gesagt hätte, wo der suchen soll, schließlich stehen nicht alle nichtehelichen Kinder in den Personenstandsurkunden der Standesämter. Einfacher wäre es auch gewesen, wenn der nicht so oft Umzüge des Büros oder dergleichen als Ausrede für monatelange Verzögerungen genannt worden wären. Und schließlich hätten die Erben auch ganz einfach zur Vermächtnisnehmerin sagen können: „Danke, daß Sie sich persönlich um unsere einsame Tante gekümmert haben, zu denen die Verwandtschaft aus welchem Grund auch immer keinen Kontakt mehr hatte.“ Und dann hätte die Freundin nicht so viel Ärger damit gehabt, ihr Vermächtnis zu bekommen.

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