Einen Erbschein stellt das Nachlaßgericht aus. Das Nachlaßgericht ist eine Abteilung des örtlichen Amtsgerichts. Dafür ist ein förmliches Verfahren vorgesehen, das mit dem Antrag auf Erteilung eines Erbscheins mit einem bestimmten Inhalt beginnt und entschieden wird durch einen Beschluß, ob der Erbschein gemäß Antrag erteilt wird oder ob der Antrag abgelehnt wird. Hilft ein Vergleich der Beteiligten im Erbscheinsverfahren, um in einem streitigen Nachlaßverfahren einen Erbschein erteilt zu bekommen?
In unserem Erbfall des Monats gab es Streit darüber, wer denn eigentlich Erbe ist. Es gab nämlich einen Erbvertrag, der die damalige Lebensgefährtin zur Alleinerbin einsetzte als Gegenleistung für ihr Versprechen, daß sie den Erblasser bei Bedarf zu pflegen. Nachdem sie eine Affäre mit dem Hausmeister an ihrem Arbeitsplatz angefangen hatte, von der das ganze Dorf wußte, war nicht nur die Beziehung mit dem späteren Erblasser beendet.
Rücktritt vom Erbvertrag wirksam?
Der Erblasser ging damals auch zum Notar und trat vom Erbvertrag zurück. Gründe stehen allerdings keine in der notariellen Erklärung des Rücktritts.
Das Gesetz sieht in BGB § 2295 einen Rücktritt vom Erbvertrag unter anderem dann vor, wenn die vom Erbvertrag als Erbin bedachte Person eine wiederkehrende Leistung an den Erblasser erbringen sollte und diese Verpflichtung später aufgehoben wird. Pflegeleistungen sind solche „wiederkehrenden Leistungen“. Und wenn eine Beziehung beendet wird, weil die Lebensgefährtin fremdgeht, dann wird fast immer auch die Verpflichtung zur Pflegeleistung beendet werden. Schließlich ist das eine sehr persönliche, intime Leistung. Normalerweise wollen beide Seiten das nicht mehr haben, wenn die Beziehung als Lebensgefährten mit gemeinsamer Wohnung erst einmal beendet ist. Somit sollte das Nachlaßgericht genau darauf schauen, ob der Rücktritt vom Erbvertrag inhaltlich wirksam erklärt wurde und ob alle formalen Vorschriften eingehalten wurden.
Antrag auf Erbschein
Als der Erbfall eingetreten war, dachte der Sohn des Erblassers, daß alles klar sei: Es gibt einen Erbvertrag und eine vom Notar beurkundete Erklärung, davon zurückzutreten. Also dachte der Sohn sich, daß er als einziger Nachkomme der Erbe in gesetzlicher Erbfolge sein müsse. Der Sohn beantragte also einen Erbschein, der ihn als Alleinerbe ausweist.
Streitiges Nachlaßverfahren
Die ehemalige Lebensgefährtin des Erblassers wollte aber nicht leer ausgehen. Sie schrieb ans Nachlaßgericht, daß sie gegen den Antrag Einwendungen erhebe. Sie schrieb auch, daß sie eine Begrünung nachreichen werde. Danach beantragte sie jeden Monat Fristverlängerung um einen weiteren Monat, weil Verhandlungen zwischen den Beteiligten des streitigen Nachlaßverfahrens liefen. Das Nachlaßverfahren beim Gericht war somit ein streitiges Verfahren. Da kann das Gericht nicht mehr einfach glauben, was im Antrag zur Begründung steht, weil ja jemand anderes das Gegenteil erreichen möchte. Das Nachlaßgericht muß hier etwas mehr prüfen.
Auslegung der letztwilligen Verfügung
Das Nachlaßgericht muß eine letztwillige Verfügung im Wege der Auslegung darauf prüfen, was der Erblasser eigentlich gewollt hat. Wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, daß im vorliegenden Fall die Gründe für den Rücktritt vom Erbvertrag vorliegen, die das Gesetz vorsieht, dann ist dem nachzugehen. Wann genau eine Auslegung einer Verfügung stattfinden muß, ist allerdings umstritten. Fachliteratur und Rechtsprechung sind sich in diesem Punkt nicht ganz einig.
Bindung des Nachlaßgerichts an Vergleich
Es ist auf der einen Seite anerkannt, daß ein Nachlaßgericht so entscheiden kann, wie die Beteiligten es in einem Vergleich vereinbart haben. Allerdings steht im Verfahrensrecht (FamFG) auch eine Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen. Das kann im Einzelfall zu Problemen führen:
Wenn kein Grund ersichtlich ist, warum das Gericht etwas ermitteln sollte, dann braucht es nicht zu ermitteln. Auf der anderen Seite kann sich aber auch aufdrängen, daß etwas geklärt werden muß; dann gibt es keine Bindung an Vereinbarungen der Beteiligten, sondern das Gericht muß ermittelt, wie es wirklich ist. Je mehr die Beteiligten vorgetragen haben, warum sie im Recht und die anderen Beteiligten im Unrecht sind, desto deutlicher drängt sich ein Bedarf an Ermittlungen des Sachverhalts auf.
Für die Beteiligten bedeutet das, daß sie möglichst nicht zu früh „poltern“ sollten. Es ist oft besser, einen Ausweg zu suchen über Regelungen mit den anderen Beteiligten. Sonst kann es nach heftigem Streit zwar zu einer Einigung kommen, aber trotzdem zu einer abweichenden Entscheidung des Nachlaßgerichts. Das Nachlaßgericht ist im streitigen Verfahren häufig nicht an einen Vergleich gebunden, manchmal steht der gerichtsbekannte Streit mit seinen Argumenten und sogar einer Bindung entgegen. Dann muß das Gericht so entscheiden, wie es nach der Ermittlung des Sachverhalts zu einer Überzeugung vom tatsächlichen Sachverhalt gekommen ist.
Im Eifer des Gefechts fällt es oft schwer, einen Erbstreit taktisch so zu führen, daß es immer noch Spielräume für Einigungen gibt. Dabei kann ein Rechtsanwalt helfen, der auf Erbrecht spezialisiert ist und solche Fälle immer wieder anvertraut bekommt, um sie zum Erfolg zu führen. Im aktuellen Erbfall des Monats hat ist es uns gerade noch gelungen, den Erbschein aufgrund einer Einigung der streitenden Beteiligten zu bekommen, obwohl dem Nachlaßgericht der Streit über die Erbenstellung eigentlich bekannt war.