Erbfall des Monats - August 2019

Undatiertes Testament und Verjährungsfragen

Die Erblasserin des Monats hinterließ zwei Testamente: Eines war mit Ort und Datum versehen; das andere war ein handschriftlicher Brief ohne Datum, in dem sie schrieb, daß eine Freundin ihren Schmuck und eine Bankverbindung in einem „diskreten Alpenstaat“ als Vermächtnis bekommen solle. Ihre Erben sind entfernte Verwandte.
Nachdem erst einmal nicht klar war, wer diese Verwandten sind und wer von ihnen zu welcher Erbordnung gehört, setzte das Nachlaßgericht einen Nachlaßpfleger ein mit den Aufgaben, die Erben zu ermitteln und bis dahin den Nachlaß zu verwalten sowie alle Nachlaßverbindlichkeiten zu regulieren. Die letztgenannte Aufgabe kommt bei Nachlaßpflegschaften äußerst selten vor, da das eigentlich Aufgabe der Erben ist. Der Nachlaßpfleger wurde von der Vermächtnisnehmerin aus dem Brieftestament kontaktiert. Ihre Rechtsanwältin forderte aber nicht ausdrücklich das Vermächtnis ein. Der Nachlaßpfleger zögerte und hielt erst einmal alle Beteiligten hin, bis Klarheit besteht. Vier Jahre später waren die Erben endlich ermittelt.
Die Erben behaupten jetzt, das undatierte Testament mit dem Vermächtnis sei unwirksam neben dem datierten Testament, in dem sie selber zu Erben eingesetzt sind. Außerdem verweigern sie die Erfüllung des Vermächtnisses wegen einer angeblichen Verjährung des Vermächtnisanspruch. Der Fall sieht auf den ersten Blick verzwickter aus, als er es tatsächlich ist:
Im Bürgerlichen Gesetzbuch ist geregelt, welche Formalien ein Testament erfüllen muß. Nach BGB § 2247 II sollen Ort und Zeit der Errichtung des Testaments angegeben werden. Das sind aber kein Muß-Vorschriften; wenn sie fehlen, ist das Testament trotzdem wirksam. Das Testament muß lediglich von der Erblasserin eigenhändig geschrieben und unterschrieben sein. Bei einem handschriftlichen Brief sind diese Voraussetzungen erfüllt. Der Brief kann ausreichend ernsthaft bestimmen, was nach dem Tod der Erblasserin mit ihrem Vermögen geschehen soll, damit ein Testament vorliegt zu Gunsten der Vermächtnisnehmerin.
Bei unbekannten Erben ist steht dann noch die Frage im Raum, wann die Verjährung des Vermächtnisanspruchs eigentlich beginnen kann. Grundsätzlich ist das am Ende der Jahres der Entstehung eines Anspruchs der Fall, bei Vermächtnissen also in der Regel am Ende des Jahres, in dem der Todesfall lag. Ab dann muß das Vermächtnis innerhalb von drei Jahren erfüllt worden oder eingeklagt sein, sonst kann der Anspruch der Vermächtnisnehmerin verjähren. Durch Verjährung ist der Anspruch zwar nicht erloschen, der Schuldner (=der oder die Erben) kann aber die Erfüllung verweigert, damit am Ende der Frist Rechtssicherheit besteht, wem was endgültig zusteht.
Spannend ist vor allem die Frage, ob die Erben wirklich vor Gericht klären wollen, ob denn nun der Anspruch auf Erfüllung des Vermächtnisses verjährt ist, weil die Vermächtnisnehmerin und ihre Anwältin „nur“ den Nachlaßpfleger angeschrieben und nicht gleich verklagt haben. Wenn der Nachlaßpfleger mehrere Jahre braucht, um „die Verwandten“ zu ermitteln, dann spricht das schon auch Bände über das Verhältnis der Erben zu ihrer reichen Erbtante. Und dann fragt man sich wohl zu recht, ob es richtig ist, den Freunden und Freundinnen der Erbtante ein Vermächtnis zu verweigern mit der Begründung, es sei beim Ende einer Verjährungsfrist nur eingefordert aber nicht auch eingeklagt worden. Der Fall ist noch nicht abgeschlossen, so daß man noch gespannt sein kann, wie er weitergeht. Falls die Erben mit der Verjährungseinrede durchkommen sollten, ist die Angelegenheit für die Vermächtnisnehmerin noch lange nicht verloren:
Im Erbfall des Monats stellt sich noch eine andere Frage: Wie wirkt sich die Nachlaßpflegschaft aus, die das Gericht mit der Aufgaben angeordnet hat, alle Nachlaßverbindlichkeiten zu regeln? Dazu gehört wohl auch die Erfüllung von Vermächtnissen, was normalerweise nicht zu seinen Aufgaben gehört. Wenn diese Aufgabe nicht wirksam zum Aufgabenkreis des Nachlasspflegers bestimmt wurde, dann kann schon deshalb keine Verjährung eingetreten sein, weil dann ja gar nicht bekannt war, wer denn überhaupt als Erbe Schuldner des Vermächtnisanspruchs ist.
Die Vermächtnisnehmerin hat den Nachlaßpfleger mit höflichen Worten auf ihr Vermächtnis hingewiesen, damit ist es eingefordert. Er hat es nicht als Verwalter des Nachlasses erfüllt, also einen Verstoß gegen seine Pflichten begangen. Wenn man nur auf das wirtschaftliche Ergebnis schaut, ist es für die Vermächtnisnehmerin an dieser Stelle egal, ob sie das Vermächtnis noch gegen die Erben einklagen kann oder ob sie stattdessen vom Nachlaßpfleger Schadenersatz verlangen kann für den Wert, der ihr entgangen ist.
Dazu kommt noch, daß sie eine Rechtsanwältin damit beauftragt hat, daß die sich um die rechtlichen Angelegenheiten des Erbfalls kümmert. Falls etwas mit der Verjährung „schief gegangen“ sein sollte, muß auch die Anwältin den entstandenen Schaden ersetzen. Im vorliegenden Fall lautete die Vollmacht auf eine Sozietät, in der einige Rechtsanwälte sich zusammengeschlossen haben, so daß jeder von ihnen für den möglichen Schaden haftet.

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