Erbfall des Monats - September 2012

Überschuldeter Nachlass – was tun als Erbe?

Immer wieder müssen die Erben feststellen, daß die Erbschaft vor allem aus Verbindlichkeiten besteht. Das deutsche Erbrecht unterscheidet aber glücklicherweise erst einmal zwischen dem geerbten Vermögen und dem „Eigenvermögen“ des Erben. „Wie werde ich geerbte Schulden los, wie verhindere ich die Haftung für mit meinem Vermögen für Nachlaßschulden?“ ist dann eine brennende Frage für die Erben. Wenn der Erbe richtig handelt, dann muß er für die geerbten Schulden nicht auch mit seinem eigenen Vermögen persönlich haften sondern nur mit der Erbmasse. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Haftung zu vermeiden. Welches Vorgehen optimal ist, richtet sich vor allem danach, ob der Erbe an den oft wirtschaftlich wertlosen Erinnerungsstücken Interesse hat oder ob er möglichst gar nichts mit der Erbschaft zu tun haben will.

In einem ganz konkreten Praxisfall rief eine Witwe beim Anwalt an und erkundigte sich, wie sie die überschuldete Erbschaft ihres verstorbenen Mannes ausschlagen könne. Der Erblasser hatte hohe Schulden, die er wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht mehr zurückzahlen konnte. Der Anwalt sagte der Witwe, daß die Sache zu wichtig und zu komplex ist, um sie am Telefon zu besprechen. In einem Beratungsgespräch wurde ausführlich über die Hintergründe gesprochen. Die Witwe sagte daß, sie gern Erinnerungsstücke behalten möchte, die dem Verstorbenen gehört haben und die doch bestimmt wertlos seien. Außerdem wollte sie das Auto weiterhin haben, das – eher zufällig – allein auf den Namen des Verstorbenen zugelassen und auch von ihm bezahlt worden war. Die Beerdigung hatte die Witwe selbstverständlich schon bezahlt. Der Anwalt zeigte folgende Möglichkeiten auf:

1.) Erbschaft ausschlagen

Wer die Erbschaft ausschlägt, haftet überhaupt nicht für Nachlaßverbindlichkeiten. Allerdings ist die Frist für eine Erbausschlagung nur 6 Wochen lang. Die Frist beginnt mit der Kenntnis vom Erbfall und vom Grund der „Berufung zum Erben“. In der Praxis ist das regelmäßig der Fall ab Kenntnis vom Inhalt des Testaments bzw. mit der Nachricht des Nachlaßgerichts, daß kein Testament aufgefunden wurde.  Meistens ist der Termin des Nachlaßgerichts zur Testamentseröffnung der Stichtag für den Fristbeginn. Bis Fristende muß die Ausschlagungserklärung in notarieller Form beim Nachlaßgericht eingegangen sein. Danach ist es zu spät, um die Erbschaft auszuschlagen. Wer im Ausland lebt, hat 6 Monate Zeit für die Erbausschlagung. Eines muß dem Ausschlagenden aber klar sein: Wer die Erbschaft ausschlägt, hat keinerlei Anspruch auf die Nachlaßgegenstände, nicht einmal die wertlosen Sachen dürfen ohne Zustimmung des (noch unbekannten) Erben mitgenommen werden. Wer trotzdem nach der Erbausschlagung Sachen des Verstorbenen an sich nimmt, begeht einen Diebstahl.

Oft machen Erben, die ihre Erbschaft eigentlich ausschlagen wollen, einen gravierenden Fehler: Die Erbschaft können Sie auch durch „schlüssiges Verhalten“ annehmen, wodurch die Erbausschlagung unmöglich gemacht wird. Das passiert unter Umständen bereits dann, wenn Sie sich wie ein Erbe verhalten, beispielsweise indem Sie laufende Verträge wie das Zeitungsabonnement des Verstorbenen kündigen. Solange Sie sich vorstellen können, die Erbschaft auszuschlagen, sollten Sie das vorsichtshalber nicht tun. Wer die Erbschaft voreilig angenommen hat, kann nur noch ausnahmsweise durch Anfechtung der Annahme wieder aus der Erbenstellung herauskommen.

Die Erbausschlagung ist in vielen Fällen jedoch nicht der optimale Weg zur Haftungsbegrenzung. Die meisten Hinterbliebenen möchten persönliche Gegenstände des Verstorbenen als Erinnerung an ihn haben. Wer einzelne Dinge aus dem Nachlaß haben möchte, ohne für die Schulden zu haften, hat mehrere andere Möglichkeiten der Haftungsbegrenzung:

2.) Vergleich mit Gläubigern

Durch Verhandlungen mit den Gläubigern läßt sich häufig vereinbaren, daß nur ein Teil der Schulden bezahlt wird und der Rest erlassen wird. Damit die Verhandlungen erfolgreich sind, sollten sie von einem Profi geführt werden, der dem Gläubiger aufzeigen kann, wie leicht der Erbe die Haftung so beschränkt, daß der Gläubiger mehr Aufwand hat, ohne mehr Geld zu bekommen als durch den vom Erben angestrebten Vergleich. Wichtig ist auch, daß der Vergleich dann juristisch einwandfrei formuliert wird und weder Lücken noch Unklarheiten enthält. Der Fachmann hierfür ist ein Rechtsanwalt mit Erfahrung im Erbrecht und Vertragsgestaltung.

3.) Nachlaßinsolvenz

Ein Erbe kann beim Insolvenzgericht ein Nachlaßinsolvenzverfahren beantragen, das lediglich über den Nachlaß eröffnet wird. Das Eigenvermögen des Erben bleibt davon unberührt, seine Bonität für Kredite usw. wird dadurch nicht beeinträchtigt. Bei einem solchen Verfahren übernimmt ein Insolvenzverwalter den Nachlaß zur Regulierung der Schulden. Die Haftungsbeschränkung tritt auch dann ein, wenn das Nachlaßinsolvenzverfahren „mangels Masse“ nicht eröffnet wird. Im Laufe eines Nachlaßinsolvenzverfahrens bekommt der Erbe das ausgehändigt, was nicht wirtschaftlich verwertbar ist, also beispielsweise Erinnerungsstücke mit lediglich ideellem Wert. Bei der Verwertung kann er auch die anderen Gegenstände übernehmen, wenn er dem Insolvenzverwalter einen ausreichend hohen Preis bezahlt. Wenn der Erbe zu lange wartet, verbaut er sich allerdings die Möglichkeit des Nachlaßinsolvenzverfahrens.

4.) Nachlaßverwaltung

Der Erbe kann beim Nachlaßgericht auch die Nachlaßverwaltung beantragen. Dann wird ein Nachlaßverwalter bestellt, der die Verbindlichkeiten reguliert. Dafür verlangt das Nachlaßgericht regelmäßig einen Vorschuß auf die Vergütung des Verwalters. Der Nachlaßverwalter erstellt zunächst ein Nachlaßverzeichnis und versucht, alle Schulden zu bedienen. Üblicherweise beantragt der Nachlaßverwalter auch ein Aufgebotsverfahren, mit dem die Gläubiger ausgeschlossen werden, die ihre Forderungen nicht rechtzeitig anmelden. Nach Abschluß der Nachlaßverwaltung bekommt der Erbe die Verfügungsgewalt über den Nachlaß zurück und bekommt die Sachen, die keinen materiellen Wert aber oft einen hohen Erinnerungswert haben. Zudem ist die Haftung des Erben beschränkt, so daß er nicht mit seinem Privatvermögen für geerbte Schulden haftet.

Nachdem in unserem Beispielsfall die Witwe sich über diese Möglichkeiten Gedanken gemacht hatte, entschied sie sich für die Nachlaßverwaltung. Den Antrag ließ sie durch den Anwalt stellen, weil ihr das Verfahren zu kompliziert war.

Als Vorschuß reichte in diesem Fall die € 3.000,- aus, die das Auto des Erblassers laut Listenpreis noch wert war. Die Witwe kaufte also dem Nachlaßverwalter das Auto ab, das sie ja besitzen wollte. Es wurde dann ein „übereifriger“ Nachlaßverwalter bestellt, der den Hausrat für € 2.000,- an die Witwe verkaufen wollte. Er drohte ihr an, er werde die Einrichtung der Wohnung sonst versteigern lassen. Die Witwe war sprachlos und befürchtete, sie müsse jetzt „ihren“ Hausrat quasi ein zweites Mal bezahlen. Der Anwalt der Witwe wehrte sich gegen dieses Vorgehen des Nachlaßverwalters und schickte ihm Hinweise auf Fachliteratur zu, nach deren Lektüre der Nachlaßverwalter von seinen Forderungen gegen die Witwe absah.

Im Aufgebotsverfahren, das der Nachlaßverwalter beantragt hatte, meldete der Anwalt für die Witwe die Beerdigungskosten zur Erstattung an. Dadurch bekam die Witwe einen Teil des Geldes, das sie für das Auto bezahlt hatte, wieder zurück. Die hohen Schulden waren am Ende des Verfahrens „vom Tisch“.

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