Ein Testament regelt, wer sich nach dem Tod um den Verkauf einer Immobilie kümmern und den „Netto-Erlös“ verteilen soll. Damit kein Fremder eine Rechnung für die Arbeit stellt, soll das eine Verwandte als Testamentsvollstreckerin machen, die dafür 25% Honorar bekommen soll. Derartige Regelungen werden immer beliebter. An diesem Testament war allerdings kein Rechtsberater beteiligt.
Für einen Erbrechtler ist das Testament ausgesprochen laienhaft, weil bereits das Wort „Netto-Erlös“ unklar ist: Was soll vom Verkaufserlös abgezogen werden, bevor das Ergebnis verteilt wird, und was soll nicht abgezogen werden weil die Testamentsvollstreckerin sich darum kümmern soll? Und wie soll der Wert ermittelt werden, bei dem die Immobilie verkauft wird, ohne daß sich die Begünstigten streiten und einen „Schleuderpreis“ unterstellen können? Dazu kommt noch, daß das Testament nicht eindeutig regelt, welche Begünstigten die Stellung eines Erben haben sollen und welche Begünstigte nur Vermächtnisnehmer werden. (Im Erbrechts-ABC auf dieser Website ist der Unterschied zwischen Erbe und Vermächtnisnehmer kurz erklärt.) Zu guter Letzt ist auch unklar, ob die Testamentsvollstreckerin nur die Immobilie verkaufen oder den gesamten Nachlaß abwickeln soll. Eigentlich reichen diese Unklarheiten für den guten Rat aus, daß die Verwandte am besten gar nichts macht; wer das Amt des Testamentsvollstreckers nicht ausdrücklich annimmt, braucht die schwierigen Aufgaben nicht zu erfüllen.
Bei der Vergütung von 25% für die Testamentsvollstreckung gibt es freilich einen großen Anreiz, diese Summe zu verdienen. So viel Geld läßt einen schnell blind werden für die Verantwortung, die damit verbunden ist. Nebenbei sind 25% ein mehrfaches von dem, was üblicherweise ein Experte für Erbrecht für eine Testamentsvollstreckung bekommen. Umso höher erscheint diese Vergütung bei einer Verwandten, die überhaupt keine Kenntnisse auf den Gebieten Erbrecht und Immobilien hat.
Die Verwandte möchte nun aber am liebsten einfach nach „gesundem Menschenverstand“, also ohne Blick in Fachbücher, die Aufgabe erledigen. Diese Verwandte kann unter anderem wegen Schlaganfall aber eigentlich nicht mehr klar genug denken und will auf keinen Fall mit der Hauptbegünstigten sprechen, für die sie die Immobilie verkaufen soll. Nachdem das Testament keine nähere Bedingungen regelt (Wertgutachten, Verkauf durch einen bestimmten Makler,…), gibt es einiges an Gesprächsbedarf, was sie aber verweigert.
Dazu kommt im Erbfall des Monats noch als weitere Schwierigkeit, daß eine Beteiligte ursprünglich aus Übersee stammt und jetzt in einem anderen europäischen Land lebt, weshalb sie vom deutschen Erbrechtssystem wenig Ahnung hat. Immerhin fragt sie einen Fachanwalt für Erbrecht, was die Verfügungen im Testament konkret bedeuten und wie sie sich am besten verhält, so daß es keinen unnötigen Streit gibt. Sie hält sich auch an die professionellen Ratschläge und verkneift sich überzogene Forderungen gegenüber den anderen Beteiligten.
Die Testamentsvollstreckerin läßt sich nun auch von einer Fachanwältin für Erbrecht beraten. Die Anwälte diskutieren miteinander, wie der Fall am besten angepackt wird. Doch dann wechselt die Testamentsvollstreckerin den Rechtsanwalt, weil die Beratung der ersten Fachanwältin für Erbrecht ihr nicht so gut gefallen hat. Dabei ignoriert sie völlig, daß es feststehende Fakten und Rechtslage gibt, die nun einmal in der Realität zu beachten sind.
Das weitere Verhalten der Testamentsvollstreckerin sorgt nun für massive Probleme: Sie legt ein „Wertgutachten“ eines Maklers vor, das aber im Kleingedruckten ausdrücklich jegliche Verantwortung für die Wertermittlung ausschließt und darauf hinweist, daß es gerade kein Wertgutachten sei. Das Interesse eines Maklers an einer schnellen Provisionszahlung wirkt sich nun einmal in Einzelfällen auf die Höhe des geschätzten Preises für eine Immobilie aus, so daß ein unabhängiger Sachverständiger regelmäßig die bessere Wahl ist für eine Antwort auf die Frage, zu welchem Preis verkauft werden soll. Bei 25% Testamentsvollstreckervergütung kann man außerdem vermuten, daß der Erblasser davon ausgegangen ist, daß seine Verwandte die Immobilie ohne einen Makler verkauft, so daß nicht noch mehr Kosten entstehen.
Außerdem läßt die Testamentsvollstreckerin ihren neuen Anwalt einen Vorschlag zur „Auslegung“ des Testaments vorlegen, in dem der „Netto-Erlös“ des Immobilienverkaufs ungewöhnlich definiert wird: Es sollen nicht nur Kosten abgezogen werden, die mit der Immobilie im Zusammenhang stehen, sondern auch offene Steuern und Sozialabgaben im Zusammenhang mit einer GmbH des Erblassers. Dafür gibt es im Testament keinerlei Anhaltspunkte. Aber die Testamentsvollstreckerin versucht es offensichtlich in der Hoffnung, daß sie nur viel genug an Phantasieforderungen verlangen müsse, um am Ende einen Kompromiß zu erreichen, bei dem sie möglichst viel bekommt.
Der Fall ist noch nicht abgeschlossen. Es bleibt spannend, ob der weitere Ablauf dieses Falls eine weitere Veröffentlichung im „Erbfall des Monats“ hergeben wird.
„Du kannst von jedem lernen – von manchen lernst Du immerhin, wie Du selber es nicht machen solltest“, sagte ein früherer Chef im vorletzten Jahrzehnt zu mir. Bei diesem Fall erinnere ich mich an diesen wertvollen Tip. Der aktuelle Erbfall des Monats zeigt sehr deutlich, daß das Amt des Testamentsvollstreckers nichts für Verwandte ist, sondern Fachleute mit Kompetenz für diese Aufgabe und mit sachlicher Vorgehensweise die richtigen für diese verantwortungsvolle Aufgabe sind.