Erbfall des Monats - März 2020

Testament in Briefform

Was genau ist denn eigentlich ein Testament? Diese Frage stellt sich immer wieder bei eigenhändigen Testamenten. Welche Formalien und welche Wortwahl sind nötig, damit man von einem rechtsgültigen Testament ausgehen kann? Zu dieser Frage gibt es viele Meinungen, die erfahrungsgemäß umso dezidierter vorgetragen werden, je geringer das Wissen um die tatsächliche Rechtslage ist. Schauen wir uns an einem praktischen Fall an, wie ein letzter Wille aufgeschrieben werden muß, um als Testament Geltung zu haben:
Eine ältere Dame hatte nur entfernte Verwandte, so daß sie auch einer Freundin im Ausland etwas zukommen lassen wollte. Ihr Vermögen bestand aus mehreren Immobilien, mehreren Bankverbindungen und einer größeren Anzahl an Schmuckstücken. Sie schaute vermutlich lieber in ihren Fernseher als ins Gesetzbuch, das seit 120 Jahren unverändert regelt, was in Deutschland nötig ist, um von einem Testament ausgehen; der Schreibstil erinnert einen nämlich sehr an die klischeehaften Fernsehsendungen, in denen die Testamentseröffnung von einem Jurist mit grauen Haaren und dunkelgrauem Anzug in einem holzgetäfelten Raum vorgenommen wird. Wenn dann die Kamera auf das Testament schwenkt, das gerade verlesen wird, dann fallen sofort der versiegelte Umschlag, das unterstrichene Wort „Testament“, die Schönschrift und das Datum der Testamentserrichtung auf. Dazu kommen wichtig wirkende Floskeln wie beispielsweise „im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte“. Und wenn der Film aus einem anderen Land stammt, sind oft noch die Unterschriften von Zeugen mit auf dem Testament. In der Praxis läuft das alles aber ganz anders ab. Und in unserem aktuellen Erbfall des Monats lassen sich die formalen Anforderungen an ein Testament sehr einfach mit dem guten alten Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) durchprüfen, das seit dem 01.01.1900 gilt.
Der Sachverhalt war folgender: Als die alte Dame starb, reichte ein Freund aus England einen Brief der Verstorbenen beim Nachlaßgericht in Stuttgart vor. In diesem Brief hatte die alte Dame ihm in englischer Sprache geschrieben, daß seine Schwester nach dem Tod der alten Dame ihren Schmuck und die Geldanlagen bei der L.-Bank bekommen solle. Sie hat den Brief von Hand geschrieben und natürlich auch unterschrieben. Allerdings vergaß sie das Datum, und es steht auch keine Überschrift über dem Schreiben. Das Wort „Testament“ kommt überhaupt nicht ausdrücklich vor.
Nun waren die entfernten Verwandten nicht damit zufrieden, daß sie „nur“ die Immobilien und einen Teil der Bankguthaben bekommen sollten. Um die Erbtante so-und-so-vielten Grades hat sich zwar niemand von ihnen allzu oft gekümmert. Aber sie fühlten sich als nächste Verwandte im Recht, alles zu erben. Sie haben sich den Gang zum Fachmann gespart, erst einmal „Anwalt in eigener Sache“ gespielt und dem Nachlaßgericht in ihrer laienhaften Denkweise geschrieben, daß dieses Schriftstück zu verstehen sei als bloßen Brief, der nichts zu bedeuten habe. Einer von ihnen hat sich zusammengereimt, daß die Überschrift „Testament“ nötig sei, damit man von einer rechtlich erheblichen Verfügung ausgehen könne. Eine andere Verwandte meinte, die persönliche Adressierung des Briefs sei ja etwas ganz anderes, als wenn ein Testament sich entweder neutral oder ans Nachlaßgericht adressiert dazu äußere, wer was bekommen solle. Wieder ein anderer Verwandter meinte, ohne Datum könne sowieso kein gültiges Testament vorliegen, so daß sie der Freundin ihrer Erbtante nichts abzugeben bräuchten. Und ein Vetter meinte, daß ein Testament auf deutsch verfaßt sein müsse, weil das doch im Gerichtsverfassungsgesetz in § 184 so geregelt sei – einzige Ausnahme ist in diesem Paragraph die sorbische Sprache für die „Heimatkreise der sorbischen Bevölkerung“ in Sachsen und Brandenburg. Englische Dokumente könnten aber auf keinen Fall akzeptiert werden, meinte der Vetter.
„Ein Blick ins Gesetz hilft manchmal bei der Rechtsfindung“ ist ein Satz, den manche Juraprofessoren den jungen Studenten immer wieder mit auf den Weg geben. Und das ist für die Formalien eines Testaments ziemlich einfach:
Zunächst einmal muß das Testament nicht in deutscher Sprache verfaßt sein. Im Gerichtsverfahren wird zwar zwischen dem Gericht und den Beteiligten des Nachlaßverfahrens deutsch gesprochen und geschrieben. Urkunden in fremden Sprachen werden aber selbstverständlich berücksichtigt. Bei Bedarf braucht man eben einen öffentlich bestellten und vereidigten Übersetzer, der dem Gericht zuverlässig mitteilt, was in dem Schriftstück steht.
Muß das Wort „Testament“ ausdrücklich erwähnt werden oder gar als unterstrichene Überschrift über dem Text stehen? Das Gesetz verlangt das nicht. Also reicht es, wenn aus dem Text erkennbar ist, daß es eine Regelung sein soll, wer das Vermögen im Todesfall bekommen soll.
Das Datum sollte allerdings eigentlich schon im Testament stehen. BGB § 2247 II verlangt das im Rahmen einer „Soll-Vorschrift“ genauso wie eine Angabe des Ortes, an  dem das Testament errichtet wurde. Allerdings ist eine „Soll-Vorschrift“ keine „Muß-Vorschrift“. Und damit der letzte Wille beachtet wird, gehören die Angabe von Ort und Datum nicht zu dem, was die Wirksamkeit eines Testaments ausmacht. In der Praxis ergeben sich Probleme aus dem fehlenden Datum vor allem dann, wenn es mehrere Testamente gibt und man nicht weiß, welches das aktuellste ist. Auch da kann aber der Beweis für das Datum der Testamentserrichtung mit allen möglichen Beweismitteln geführt werden, also unter anderem durch Zeugenbeweis. Im vorliegenden Fall ist das der Bruder der Begünstigten, der den Brief per Post bekommen hat: Er kann bezeugen, daß ihm dieser Brief erst ein paar Jahre nach dem älteren Testament zugegangen ist.
Entscheidend ist bei den Formalien, daß ein Testament vom Testator (dem späteren Erblasser) vollständig von Hand geschrieben wird – wer mit dem Mund oder Fuß schreiben kann, kann auch damit ein „eigenhändiges Testament“ errichten. Außerdem muß das Testament am Ende unterschrieben werden, was bei einem Brief ja meistens auch der Fall ist.
Dazu kommt noch die Altersgrenze: Testierfähig ist man zwar schon ab 16, in dem Alter muß man aber noch zum Notar gehen. Ein eigenhändiges Testament kann man erst mit 18 Jahren wirksam errichten.
Der ganze „Rest“ an Formalien und was dafür gehalten wird ist nebensächlich. Es muß allerdings noch ein wesentliches Kriterium erfüllt sein: Der „Testierwille“ ist Voraussetzung dafür, daß ein Testament vorliegt. Diesen Willen ermittelt man nicht mit Hilfe von bestimmten Worten, die verwendet wurden. Es reicht aus, daß die Ernsthaftigkeit aus dem Text erkennbar wird. In den meisten Fällen bedeutet schon die Unterschrift, daß nicht mehr nur ein Entwurf oder eine Absichtserklärung vorliegt, sondern der darüber stehende Text mit der Unterschrift zur verbindlichen Willenserklärung wird.
Der handschriftliche Brief an den Bruder der Begünstigten ist also ein wirksames Testament, mit dem seiner Schwester der Schmuck und die Geldanlagen bei der L.-Bank vermacht wurden. Nachdem sich die Verwandten, die in der gesetzlichen Erbfolge die Erben sind, dagegen sträuben, braucht die Vermächtnisnehmerin nun einen Rechtsanwalt, der ihre Ansprüche durchsetzt. In diesem Fall ist das aber halb so schlimm: Das Mindesthonorar des Anwalts müssen die Gegner als Schadenersatz erstatten, wenn sie den Erbstreit verlieren. Und das ist in diesem Fall sehr wahrscheinlich.

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