Erbfall des Monats - Mai 2019

Spätere Erben stehen sich selber im Weg

Beratung zu Testament und Übergabeverträgen ist gerade im Erbrecht besser als der beste Erbstreit. Das dachte sich auch unser Erblasser des Monats, der noch nicht „erblaßt“ ist sondern rüstig. Er wollte seine Vermögensnachfolge gut regeln und fragte einen Fachanwalt für Erbrecht, wie das Familienvermögen erhalten werden kann, möglichst ohne Streit mit geringer Steuerbelastung.
Die erste Herausforderung ist sein Familienstand: Seine erste Ehefrau ist bereits verstorben, von ihr stammen seine Kinder ab. Als Witwer hat er noch einmal geheiratet. Wenn er stirbt, wären ohne Testament in der gesetzlichen Erbfolge seine Witwe und seine Kinder (aus Sicht der Witwe: Stiefkinder) eine Erbengemeinschaft. Das klingt auf den ersten Blick nach Grimms Märchen, und auch in der heutigen Erbrechtspraxis gibt es zwischen Stiefeltern und Stiefkindern in Erbengemeinschaften besonders oft Reibereien; sie sind ja selbst nicht miteinander verwandt, und die verbindende Person kann im Erbfall nicht mehr schlichten oder „den Deckel drauf halten“, er wird ja dann der Verstorbene sein, dessen Vermögen verteilt wird.
Nun ist unser Familienvater Rentner, er blickt auf eine sehr erfolgreiche Karriere zurück, seine Kinder dagegen haben alle ihre Hobbys zum Beruf gemacht und kein Vermögen angespart. Das Vermögen kann auch die großzügigen Freibeträge bei der Erbschaftsteuer für Witwe und drei Kinder überschreiten. Das bedeutet gleichzeitig, daß es sich für jeden Erben lohnen würde, einen Streit über die Erbschaft zu führen, wenn sich denn einer von ihnen benachteiligt fühlt.
Es besteht ein eigenhändiges Testament, in dem steht: „Meine Frau erbt mein Haus und vom Wertpapierdepot €500.000.“ Hier haben wir schon die ersten Probleme:
(1.) Wer konkrete Gegenstände zugewendet bekommt, ist normalerweise Vermächtnisnehmer und nicht Erbe. Die Formulierung im Testament ist unklar, der Nachlaßrichter muß nach dem Erbfall durch Auslegung ermitteln, ob die Witwe tatsächlich etwas erben oder nur die genannten Gegenstände vermacht bekommen soll. Immerhin wären alle denkbaren Auslegungsergebnisse derzeit steuergünstig: Wenn die Witwe Eigentümerin des ausschließlich zu Wohnzwecken genutzten „Familienheims“ wird, in dem der Ehemann bisher seinen Hauptwohnsitz hat, und wenn sie 10 Jahre darin wohnen bleibt, dann bleibt das Hausgrundstück vollständig von der Erbschaftsteuer unberührt und sie hat den persönlichen Erbschaftsteuerfreibetrag der Witwe von €500.000 für den restliche Erwerb von Todes wegen zur Verfügung und ggf. noch weitere Steuerbefreiungen. Wenn sie nur ein Nutzungsrecht erhält, ist dessen Wert ohnehin geringer als das Eigentum, und die Kinder haben für ihren jeweiligen Erbwerb aus der Erbschaft jeweils €400.000 persönlichen Freibetrag. Derzeit sind nahe Angehörige nur selten von Erbschaftsteuer betroffen, allerdings gibt es seit Jahren die Forderung einiger politischer Parteien, die Freibeträge und Verschonungen drastisch zu kürzen und gleichzeitig die Steuersätze stark anzuheben; bei den Wahlen haben es die Betroffenen zusammen mit den anderen Wählern in der Hand, wie sie es in Zukunft gern hätten.
(2.) Außerdem ist „mein Haus“ nicht so eindeutig, wie viele Leute meinen: Eigentum kann man am Grundstück haben, das Haus gehört sachenrechtlich als „Anhängsel“ zum Grundstück dazu. Wenn „das Haus” vermacht wird, könnte auch gemeint sein, daß der Witwe ein Wohnrecht oder Nießbrauchrecht eingeräumt werden soll, während die Kinder aus erster Ehe langfristig Eigentümer werden sollen.
(3.) Bei der Auslegung dieser Fragen kann man den Mensch nicht mehr fragen, der das Testament geschrieben hat.  Die Auslegung durch das Gericht erfolgt erst nach seinem Tod, vorher kann man nichts verbindlich feststellen lassen. Die letztwillige Verfügung muß also aus fachmännischer Sicht „hieb- und stichfest“ formuliert werden. Der Fachanwalt bietet daher an, einen Entwurf für die Testamentsänderung zu machen als schnelle Notfallregelung.
(4.) Als Risiko haben wir dann immer noch die drei Kinder, die selber kein Vermögen haben und die spätestens als Rentner an Vaters Vermögen rankommen wollen. Sonst wären sie selber ja nicht finanziell abgesichert. Und die Stiefmutter beerbt man später einmal nur dann, wenn diese es ausdrücklich im Testament verfügt; in der gesetzlichen Erbfolge sind Stiefkinder nicht vorgesehen. Ihr Testament kann sie aber jederzeit ändern, außer es ist ein Ehegattentestament mit wechselbezüglichen Verfügungen. Es bleibt dann auch noch die Möglichkeit eines Erbvertrags, der die (Stief-)Kinder verbindlich als Schlußerben, als Nacherben oder als Vermächtnisnehmer im Erbfall der Stiefmutter verbindlich vorsieht und den die Stiefmutter nicht mehr ändern kann. Sonst ist die Gefahr groß, daß ein Kind den Pflichtteil ausbezahlt verlangt und die Witwe dann zwar das Haus aber kein Geld mehr hat.
Falls der Wille des späteren Erblassers aber tatsächlich so ist, daß seine Frau erheblich mehr als seine Kinder bekommen soll, läßt sich die Pflichtteilsproblematik nur mit Pflichtteilsverzichtsverträgen im Voraus ausschließen. Bei einem solchen vertrag verzichtet beispielsweise ein Kind auf seinen Pflichtteilsanspruch, den es beim Tod des Vaters aus seiner Erbschaft verlangen könnte. Üblich ist eine Gegenleistung, die ihm gleich nach der Beurkundung des Verzichts gegeben wird. Nun hat in unserem Erbfall des Monats eines der Kinder bereits einen Pflichtteilsverzichtsvertrag mit dem Vater abgeschlossen, hat das allerdings gleich in der Variante des vollständigen Erb- und Pflichtteilsverzichts gemacht. Hier kommt das Problem dazu, daß die Pflichtteilsquoten der anderen Kinder dadurch erhöht wurden, so daß später die Witwe keinerlei Vorteil haben wird – außer die anderen Kinder verzichten auch noch auf ihre Pflichtteile. Das wollen diese aber nicht mitmachen, nicht einmal wenn eine großzügige Gegenleistung sofort gezahlt wird.
Es gibt jetzt noch verschiedene Möglichkeiten, aus der etwas komplizierten Situation herauszukommen:
(A.) Eine Strategie zur Reduzierung des Pflichtteils können zum Vorteil der Ehefrau darin bestehen, daß sie vom Ehemann etwas von seinem Vermögen übertragen bekommt. Im Fall einer Schenkung wäre das allerdings in der Pflichtteilsergänzung, so daß nichts gewonnen wäre. Nützlich wäre aber eine Übertragung gegen eine Gegenleistung, die den Wert des übertragenen Vermögensgegenstands möglichst aufwiegt und die (nur) dem zukünftigen Erblasser etwas nützt. Hier kommen je nach Einzelfall ganz unterschiedliche Leistungen in Betracht. Es sollte sich aber nicht um etwas handeln, was ohnehin schon über die gegenseitige Unterhaltspflicht der Ehegatten geschuldet ist, weil es sonst ja doch keine vertragliche Gegenleistung sein könnte. Bei den „Pflichtteilsstrategien“ ist jeder Fall anders. Was im einen Fall viel hilft, macht im anderen Fall alles kaputt. Ohne fachmännische Beratung sollte man sich nicht an nennenswerte Vermögensübertragungen und Vertragsgestaltungen wagen.
(B.) Eine Stiftung könnte den Beteiligten auch Vorteile bieten. Man könnte an eine Familienstiftung denken, die das Familienvermögen zunächst vor allem für die Ehefrau und später dann für die Kinder hält. Bei dieser Lösung haben die Kinder eine gewisse Absicherung, daß sie auch einmal vom Vermögen des Vaters begünstigt werden. Die Pflichteilsergänzung kann schon 10 Jahre nach Stiftungsgründung erledigt sein.
(C.) Eine Stiftung kann auch für einen guten Zweck errichtet werden. Dann ist das Vermögen, soweit es gestiftet wird, für die Familie weg. Allerdings kann der gute zweck durchaus etwas sein, was allen Familienangehörigen gefällt. Dann ist die Neigung geringer, daß z.b. die Kinder Pflichtteilsergänzung von der gemeinnützigen Stiftung einfordern, falls die 10-Jahres-Frist zwischen Stiftungsgründung und Erbfall noch nicht abgelaufen ist. Außerdem könnten die Kinder als (bezahlter) Stiftungsvorstand oder Kuratoren eingesetzt werden; das bietet sich beispielsweise an bei Kindern mit kunsthistorischem Studium und einer Stiftung für Kunstförderung. Bei gemeinnützigen Zwecken ist für fast jeden etwas dabei, das Alphabet ist in der Liste „guter Zwecke“ von Amateurfunk bis Zivilschutz vertreten.
Der Fall zeigt, daß ohne die Mitwirkung der Kinder nur mit „Klimmzügen“ ein gutes Ergebnis zu erreichen ist. Nachdem sie jetzt keine Regelung mit tragen wollen, müssen sie erst recht damit rechnen, daß sie später leer ausgehen werden, wenn der Vater sich für eine Stiftungslösung entscheidet und zehn Jahre weiterlebt oder wenn er sonst einen Weg beschreitet, bei dem für die pflichtteilsberechtigten Kinder am Ende nichts übrig sein wird.

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