Erbfall des Monats - Januar 2013

Pflichtteil und Pflichtteilsergänzungsanspruch

Ein Kind, das enterbt ist, kann den Pflichtteil verlangen. Die Theorie hört einfach an: Der Pflichtteil ist so viel Geld, wie der Hälfte des gesetzlichen Erbteils entspricht. Und damit nicht mit Schenkungen kurz vor dem Tod der Pflichtteil umgangen wird, gibt es den Pflichtteilsergänzungsanspruch, mit dem die Schenkungen der letzten Jahre bei der Berechnung der Ansprüche mit berücksichtigt werden. Die Praxis ist etwas ‚spannender’, wie der folgende Fall zeigt:

Der Erblasser hatte zwei eheliche Kinder. Den Kontakt zu seiner vorehelichen Tochter hatte er jederzeit vermieden. Erst nach seinem Tod erfuhr sie vom Nachlaßgericht, daß es noch eine weitere voreheliche Tochter ihres Vaters gibt; auch zu der wollte der Vater keinen Kontakt haben. Nachdem der Vater keinen Unterhalt für seine unehelichen Kinder bezahlt hatte, erwarteten sie nicht viel von der Erbschaft, zumal er Ihnen in bitterbösen Briefen geschrieben hatte, daß seine ‚richtige’ Familie hungern müsse. Im Testament war die eheliche Tochter als Alleinerbin vorgesehen, die nicht ehelichen Kinder sollten überhaupt nichts bekommen. Trotzdem ging eine der nichtehelichen Töchter zum Anwalt, damit sie wenigstens ihren Pflichtteil vom Vater bekommt.

Der Anwalt verlangte von der Alleinerbin Auskünfte über den Nachlaß und über die Schenkungen der letzten Jahre. Weil diese Auskünfte offensichtlich unvollständig waren und die Nachlaßverbindlichkeiten wie etwa Beerdigungskosten erstaunlich großzügig angesetzt waren, setzte der Anwalt vor Gericht durch, daß ein notarielles Nachlaßverzeichnis erstellt wurde. Der Notar fügte seinem Verzeichnis Abschriften von Übergabeverträgen bei, mit denen der Vater ein Mehrfamilienhaus an die jetzige Alleinerbin verschenkt hatte unter dem Vorbehalt des unentgeltlichen Wohnrechts für eine der Wohnungen. Nachdem er in früheren Jahren keinen Unterhalt gezahlt hatte, weil er ja angeblich arm war, war das verschenkte Immobilienvermögen die erste Überraschung.

Bei der Durchsicht der Übergabeverträge entdeckte der Anwalt der enterbten Tochter weitere Überraschungen. Beispielsweise hatte die Alleinerbin sich in einem der Verträge verpflichtet, als Gegenleistung für die großzügige Schenkung später einmal die Beerdigung des Vaters persönlich zu bezahlen. Die Beerdigungskosten waren bei der Pflichtteilsberechnung also zu Unrecht vom Nachlaß abgezogen worden.

Vor Gericht ging es noch heiß her wegen der Bewertung des Mehrfamilienhauses und wegen der Frage, ob diese Immobilienschenkung nach mehr als zehn Jahren noch in die Pflichtteilsergänzung fällt; nachdem der Vater sich die Nutzung eines Drittels des Hauses über das Wohnrecht vorbehalten hatte, hat er das Haus ja nicht ganz aus der Hand gegeben, so daß die zehnjährige Frist der Pflichtteilsergänzung nicht unbedingt anlief. Nachdem das Wohnrecht auf ein Drittel beschränkt war, hatte er das Haus aber im Großen und Ganzen doch schon aus der Hand gegeben, so daß die Frist doch schon abgelaufen war, weil der Vater etwas mehr als zehn Jahre über die Schenkung hinaus gelebt hat. Es wurde dann noch die eidesstattliche Versicherung der Alleinerbin über die Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskünfte erzwungen.

Am Ende einigten sich die enterbten Töchter mit der Alleinerbin auf eine Zahlung von mehreren tausend Euro. Die beiden außerehelichen Kinder des Erblassers freuten sich außerdem darüber, daß sie mit mehr als 50 Jahren voneinander erfahren haben und sich sehr gut miteinander verstehen. Die Details des Pflichtteilsrechts sind ziemlich kompliziert, so daß die Ansprüche des enterbten Kindes praktisch nur dann durchgesetzt werden können, wenn ein Rechtsanwalt damit beauftragt wird, der Spezialist im Erbrecht ist.

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