Erbfall des Monats - November 2012

Patchworkfamilie und Berliner Testament

In einer Patchworkfamilie gibt es entweder Kinder aus unterschiedlichen Beziehungen oder ein Partner hat ein Kind, das nicht aus der aktuellen Beziehung stammt, in die Beziehung mitgebracht. Das kann daran liegen, daß ein Elternteil verstorben ist und der andere wieder heiratet oder auch daran, daß geschiedene oder überhaupt nicht verheiratete Eltern später mit einem anderen Partner zusammenleben. So unterschiedlich Patchworkfamilien sind, haben sie eines gemeinsam: Patchworkfamilien stehen im Erbrecht vor besonderen Herausforderungen. Nach einem Überblick über die erbrechtliche Situation wird das durch einen Beispielsfall verdeutlicht.

Häufig machen Ehegatten ein Berliner Testament, in dem sie sich gegenseitig zum Alleinerben einsetzen, damit der länger lebende Partner im Erbfall nichts vom Vermögen abgeben muß und damit keine Erbengemeinschaft entsteht. Manchmal wird verbindlich geregelt, wer Schlußerbe wird, wenn der länger lebende Ehegatte verstirbt. Häufig wird das jedoch offen gelassen, um flexibel auf Ereignisse reagieren zu können, die noch nicht abzusehen sind. Wenn Lebensgefährten eine derartige letztwillige Verfügung machen möchten, können sie das nur durch einen vom Notar beurkundeten Erbvertrag tun; gemeinschaftliche Testamente sind nämlich Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern vorbehalten.

Die Probleme der Patchworkfamilie werden nach dem Erbfall deutlich: Die Kinder des zuerst versterbenden Ehegatten machen häufig ihren Pflichtteil geltend, verlangen detaillierte Auskünfte über den Nachlaß ihres verstorbenen Elternteils und über Schenkungen in den letzten Jahren. Das ist aus deren Sicht auch sehr gut verständlich, weil sie sonst wahrscheinlich überhaupt nichts vom Familienvermögen abbekommen würden.

Besonders deutlich ist das, wenn die Schlußerbfolge offen gelassen wurde. In der gesetzlichen Erbfolge werden nämlich nur die nächsten Verwandten Erben, Stiefkinder sind nicht als gesetzliche Erben vorgesehen. Das ganze Vermögen würde also an die Halb- oder Stiefgeschwister gehen, die Kinder aus erster Ehe gingen leer aus. Wenn die Stiefmutter bzw. der Stiefvater keine Kinder hat, erben die nächsten Verwandten, beispielsweise Vettern oder eine Großnichte. Stiefkinder gehen ohne entsprechende letztwillige Verfügung leer aus.

Wenn die Schlußerbfolge flexibel geregelt ist, so daß der länger lebende (Ehe-)Partner die Schlußerbeinsetzung ändern bzw. die Höhe der Erbteile ändern kann, haben die Kinder keine verläßliche Aussicht darauf, daß sie auch wirklich Schlußerben werden. Nachdem es für Stiefkinder keinen gesetzlichen Erbteil gibt, haben sie da auch keine Pflichtteilsquote mehr. Darum ist das Einfordern des Pflichtteils aus dem Nachlaß des gerade verstorbenen Elternteils gewissermaßen der Spatz in der Hand, während die ungewisse Schlußerbeinsetzung nur wie eine Taube auf dem Dach ist.

Aber auch dann, wenn Kinder durch eine bindende Schlußerbeinsetzung darauf vertrauen können, daß sie Schlußerben werden, kann das Vermögen ihres verstorbenen Elternteils aus ihrer Sicht später weg sein. Was der Alleinerbe des Berliner Testaments für seinen Lebensunterhalt und mögliche Pflegebedürftigkeit verbraucht, ist im Schlußerbfall ja nicht mehr vorhanden. Dazu kommt noch, daß die Pflichtteilsansprüche der Angehörigen der Stiefmutter bzw. des Stiefvaters sich auch auf das beziehen, was diese(r) geerbt hat. Und damit kann im Einzelfall ein durchaus nennenswerter Teil des Vermögens gerade nicht bei den vorgesehenen Schlußerben ankommen.

Beispielsfall: Willi ist verwitwet und hat aus erster Ehe die Tochter Theresa. Willi heiratet eine neue Frau, Beate. Beate bringt einen Sohn, Samuel, in die Ehe mit. Willi hat ein stattliches Haus und Ersparnisse, Beate hat kein nennenswertes Vermögen. Willi und Beate machen ein Testament, in dem sie sich gegenseitig zum Alleinerben einsetzen. Die Schlußerbfolge wollen sie erst regeln, wenn sie absehen können, wie die Kinder sich entwickeln. Willi verstirbt. Zwei Jahre später heiratet Beate wieder, nämlich den M, bekommt von ihm ein weiteres Kind K.

Wenn Willis Tochter Theresa von Beate den Pflichtteil aus Willis Nachlaß verlangt, bekommt sie einen Teil des Vermögens ihres Vaters Willi. Anderenfalls ginge das gesamte Vermögen des Willi zunächst an die Alleinerbin Beate, nach deren Tod an deren Erben. In der gesetzlichen Erbfolge sind Beates Erben ihr neuer Ehemann M und Theresas Halbbruder Samuel. Theresa würde als Stieftochter überhaupt nichts bekommen.

Wäre Theresa von ihrem Vater zur Schlußerbin eingesetzt worden, dann wäre es anders, aber immer noch nicht ganz einfach: In Beates Erbfall wäre Theresa zwar auch Erbin, allerdings hätten Beates eigene Kinder Samuel und K und ihr neuer Mann M jedenfalls Pflichtteilsansprüche. Samuel ist immerhin auch ein Kind von Willi und Theresas Halbbruder, M und K sind für sie und Willi jedoch eine fremde Familie.

An diesem Beispiel wird deutlich, warum bei Patchworkfamilien der Pflichtteil aus Sicht der Kinder besonders wichtig ist. Oft bekommen sie nur so im Erbfall einen Teil des Familienvermögens. Andererseits würde es im Beispielsfall Beate in Schwierigkeiten bringen, wenn sie einen Pflichtteil auszahlen müßte. Das von Willi geerbte Haus möchte sie selbst mit ihren Kindern und M zusammen bewohnen, der Pflichtteil für Theresa muß bar bezahlt werden. Eigenes Vermögen hat Beate nicht, und die von Willi geerbten Ersparnisse müssen schon groß sein, um damit den Pflichtteil auch auf den Wert des Hauses bezahlen zu können.

Die Planung der Schlußerbfolge ist eine Herausforderung für Patchworkfamilien, verschärft wird der große Handlungsbedarf durch die Pflichtteilsproblematik. Lösungsmöglichkeiten gibt es für diese Herausforderungen durchaus. Allerdings ist die Situation in jeder Familie anders, da Unterschiede nicht nur in den Familienverhältnissen sondern auch beim Vermögen bestehen können und schließlich auch die individuellen Vorstellungen und Zielsetzungen sehr unterschiedlich sind. Jeder Einzelfall verlangt also eine eigene, individuelle Regelung. Hier lohnt es sich, die Beratung durch einen spezialisierten Anwalt oder Notar als gute Investition in eine Erbfolgeplanung zu sehen.

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