Die Erblasserin hatte ihren Sohn durch ihr Testament wegen schwerwiegender Meinungsverschiedenheiten enterbt, er sollte nichts von ihrem Vermögen bekommen und auch nicht erfahren, was sie alles besaß. Der Sohn wollte das nicht einfach so hinnehmen und erkundigte sich, ob ihm nicht doch Informationen zu seiner Mutter und vielleicht auch noch etwas von ihrem Vermögen zusteht.
Wenn ein naher Angehöriger enterbt ist, kann ihm ein Pflichtteil zustehen, also eine finanzielle Mindestbeteiligung am Wert des Nachlasses. Damit dieser Wert zuverlässig ermittelt werden kann, stehen dem Pflichtteilsberechtigten Auskunftsansprüche gegen den Erben zu, unter anderem kann er ein Verzeichnis aller Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten verlangen, die zum Nachlaß gehören. Wenn der Pflichtteilsberechtigte darauf besteht, daß das Verzeichnis von einem Notar aufgenommen wird, dann muß der Erbe ein solches notarielles Nachlaßverzeichnis veranlassen. Soweit die Theorie zu BGB § 2314.
Doch welche Folge kann es haben, wenn das notarielle Nachlaßverzeichnis auf sich warten läßt? Manchmal kommt es vor, daß der Notar das Nachlaßverzeichnis nicht schnell erstellt sondern viele Monate ohne sichtbare Aktivität vergehen. Der Pflichtteilsberechtigte kann darauf nicht unmittelbar einwirken, seine Ansprüche richten sich immer nur gegen den Erben. Wenn der Pflichtteilsberechtigte etwas übernehmen möchte, steht ihm vor allem ein Mittel zur Verfügung: Er kann vor Gericht beantragen, dass gegen den Erben ein Zwangsgeld verhängt wird, um die Erstellung des Nachlaßverzeichnisses zu erzwingen.
Für den Erben ist das eine schlechte Situation, weil er oft selbst nichts dafür kann, daß das Verzeichnis nicht schneller erstellt wird. Er kann sich in einer derart brisanten Situation allerdings bei der Notarkammer über die Untätigkeit des Notars beschweren und greifbare Schäden ersetzt verlangen, wenn es auf Seiten des Notars zu Verletzungen der Berufspflichten gekommen ist. Ansonsten kann der Erbe lediglich versuchen, einen anderen Notar zu finden, der diese unbeliebte Tätigkeit zeitnah erledigt.
Wenn der Notar das Nachlaßverzeichnis erstellt, haben sowohl der Erbe als auch der Pflichtteilsberechtigte darauf, daß sie dabei anwesend sein können, damit sie sich selber ein Bild vom Bestand des Nachlasses machen können. Wenn diese Beteiligten in keiner Weise in die Erfassung der Nachlaßgegenstände einbezogen wurden, kann das Nachlaßverzeichnis im Einzelfall so unzureichend sein, daß es ein weiteres Mal erstellt werden muß.
Auf diesem Weg kann der Sohn im Erbfall des Monats immerhin erfahren, welche Vermögenswerte seine Mutter hinterlassen hat. Aus dem Netto-Nachlaßwert steht ihm dann eine Zahlung in Höhe der Hälfte der “gesetzlichen Erbquote” zu, die er ohne das Testament bekommen hätte.