Erbfall des Monats - Dezember 2022

Nikolaus “schenkt” Prozesskosten

Wenn es ans Erben geht, erinnern sich viele erst, mit wem sie eigentlich verwandt waren.  Schließlich erben in der heutigen Zeit mit vielen kinderlosen Erblassern oft diejenigen Verwandten, die zwar nur um ein paar Ecken herum, überraschenderweise aber doch tatsächlich die nächsten Verwandten sind.  Wenn der Kontakt kaum vorhanden war, ist es aber nicht so einfach, die Erben festzustellen.  So war es auch im aktuellen Erbfall des Monats:  Die vermögende Alleinstehende verstarb, und niemand wußte so recht, wer die nächsten Verwandten eigentlich sind.  In einem Schriftstück, das ein Testament sein konnte, stand zwar ein Vermächtnis für eine Freundin; aber Erben sollten nach einem alten Testament diejenigen sein, die in der gesetzlichen Erbfolge dazu berufen waren.  Es ist ohne weitere Möglich, ein Testament durch eine spätere Verfügung von Todes wegen zu ergänzen, so daß beide Testamente zusammen gelten.  Die „gesetzlichen Erben“ warne aber nicht konkret benannt und konnten auch nicht mit einer kurzen Nachfrage beim Standesamt herausgefunden werden.  Also setzte das Nachlaßgericht einen Nachlaßpfleger ein, der hauptsächlich zwei Aufgaben hatte:  Er sollte die Erben ermitteln und den Nachlaß für die Erben sichern.
Der Nachlaßpfleger brauchte dafür etwas länger.  Dafür gab es mehrere Gründe.  Auf der einen Seite verschwiegen ihm diejenigen, die er mit Personenstandsurkunden der Standesämter schnell ermitteln konnte, daß es da noch einen gab.  Ein nichteheliches Kind eines entfernten Verwandten war den anderen Verwandten zwar bekannt, weil sie schon einmal eine Erbschaft miteinander teilen mußten.  Im aktuellen Fall war er wieder in der selben Erbordnung Miterbe geworden.  Aber sie dachten wohl, daß sie mehr vom Erbe haben, wenn ein unliebsamer Verwandter gar nicht erst bekannt wird und dan auch nicht im Erbschein steht.  Der Nachlaßrichter erinnerte sich an irgendeine Ungereimtheit, weil er den älteren Erbfall mit diesen Verwandten der Erblasserin auch schon bearbeitet hatte.  Allerdings fiel ihm nicht konkret ein, was genau da noch zu beachten war.  Aber er wies den Nachlaßpfleger an, daß der sich noch einmal vergewissern sollte, ob nicht doch noch jemand als Miterbe ermittelt werden Könne.  Und dann zog der Nachlaßpfleger mit seinem Büro um.  Durch all diese Dinge zog sich die Abwicklung der Erbschaft in die Länge.
Nachdem der Erbfall drei Jahre alt war, drohte das Vermächtnis zum Jahresende zu verjähren.  Also erhob die Vermächtnisnehmerin Klage gegen den Nachlaßpfleger als Platzhalter der unbekannten Erben.  Der Nachlaßpfleger war im Hauptberuf Rechtsanwalt und legitimierte sich auch als solcher bei Gericht; dadurch konnte er seine Tätigkeit in diesem Gerichtsverfahren grundsätzlich als Rechtsanwalt abrechnen und ggf. später vom Verlierer des Verfahrens Kostenerstattung verlangen.
Als dann später die Erben ermittelt waren, wurde der Nachlaßpfleger im „Rubrum“ des Gerichtsverfahrens, in dem die Prozessparteien individuell bezeichnet werden, gegen die tatsächlichen Erben ausgewechselt.  Im Urteil stand er auch nicht mehr drin.  Am Ende nahm das Gericht an, daß das Schreiben mit dem Vermächtnis doch kein Testament sein sollte.  Außerdem sollte die Klägerin den Erben die Prozeßkosten erstatten.  Als das geschehen war, dachte sie, sie hätte jetzt nach turbulenten Jahren mit dem Erbstreit endlich wieder ihre Ruhe.
Einige Monate, nachdem das Gerichtsverfahren abgeschlossen war, wollte der ehemalige Nachlaßpfleger dann aber völlig überraschend ein Honorar dafür haben, daß er als Rechtsanwalt zeitweise in dem Verfahren tätig war.  Er beantragte nach einer Weile einen Kostenfestsetzungsbeschluß.  Die Vermächtnisnehmerin war davon sehr überrascht.  Der Antrag auf Kostenerstattung mußte mühsam abgewehrt werden, wofür mehrere Gründe herangezogen werden konnten:
Der Nachlaßpfleger ist nicht selbst Prozeßpartei, er ist nur ein sogenannter „gesetzlicher Vertreter“ für die unbekannten Erben.  Somit kann er kein eigenes Recht auf Erstattung von Anwaltskosten haben.  Wenn die Erben bis zum Urteil unbekannt bleiben, dann steht er freilich im Urteil, und dann bekommt er auch Kostenerstattung.  Im vorliegenden Fall war das ja aber anders.
Außerdem scheiterte der ehemalige Nachlaßpfleger auch an der Hürde den Formalien und Fristen:  Ein Kostenfestsetzungsbeschluß des Gerichts darf durch Rechtspfleger nur erlassen werden, wenn im Urteil eine Kostengrundentscheidung steht; das Urteil muß also regeln, wer wem die Kosten erstatten muß.  Nur die Höhe der Kosten wird im Kostenfestsetzungsverfahren entschieden.  Das hat der ehemalige Nachlaßpfleger übersehen.
Als der Rechtsanwalt der Gegenseite das Gericht hierauf aufmerksam machte, beantragte der ehemalige Nachlaßpfleger dann doch noch eine solche Kostengrundentscheidung.  Dafür muß aber das Urteil ergänzt werden, und dafür gilt eine Frist.  Wer eine Urteilsergänzung beantragt, muß das innerhalb von zwei Wochen tun, nachdem er vom Urteil Kenntnis hat (ZPO § 321 II).  Und nachdem der ehemalige Nachlaßpfleger schon in seinem Kostenfestsetzungsantrag das Urteil in Bezug genommen hatte, indem er den Streitwert aus dem Urteil auf den Cent genau erwähnte und auch wußte, wer gewonnen und wer verloren hatte, entschied das Gericht, daß er eben schon beim Kostenfestsetzungsantrag das Urteil kannte und mehr als zwei Wochen gewartet hat, bis er die Ergänzung des Urteils beantragt hat (LG Stuttgart, Ergänzungsurteil in der Sache 28 O 485/20).  Dieses Urteil wurde der Antragsgegnerin rechtzeitig zum Nikolaustag zugestellt, so daß sie sich beschenkt fühlen kann.
Die Freude ist umso größer, weil der Rechtsstreit jahrelang sehr heftig geführt wurde.  Und auch im Streit über die Prozeßkosten gab es einige Verunsicherungen, ob nicht doch noch einmal etliche tausende Euro bezahlt werden müssen.  Am Ende gibt es jetzt aber die beruhigende Gerichtsentscheidung, daß das Verfahren tatsächlich abgeschlossen ist und nichts mehr bezahlt werden muß.  Der Erfolg im Streit über Prozeßkosten fiel aber nicht ganz von alleine vom Himmel.  Das Ergänzungsurteil, das den Kostenantrag des etwas gierigen Nachlaßpflegers abwies, war fast wörtlich so begründet, wie der Fachanwalt für Erbrecht auf der anderen Seite seinen Antrag auf Abweisung formuliert hatte.  Gewissermaßen war dieser Anwalt Knecht Ruprecht, der für Ordnung sorgte.

Falls wir Ihr Interesse geweckt haben, melden Sie sich gerne bei uns.

Wir sind umgezogen

Wir haben einen neuen Standort! Besuchen Sie uns jetzt in der Uhlandstraße 16, 70182 Stuttgart. Freuen Sie sich auf unsere gewohnte Qualität an unserem neuen Ort!