Manchmal ist es sinnvoll, die Erbfolge unter Berücksichtigung mehrerer Personen und der Steuerlast so zu regeln, daß eine Person Alleinerbe wird und eine andere als Vermächtnis den Nießbrauch ab der Erbschaft bekommt. Das bietet sich an, wenn die im Testament oder Erbvertrag bedachten Personen keine nahen Angehörigen sind und die Erbin im Gegensatz zur Vermächtnisnehmerin relativ jung ist. Gerade macht ein solcher Fall den Beteiligten aber schwer zu schaffen, weil der Erbvertrag zu wenig Details berücksichtigt hat, und nicht umsonst sagt ein Sprichwort, daß ‘der Teufel im Detail steckt’.
Die Erblasserin war ledig und hatte keine Kinder. Ihr Vermögen bestand im wesentlichen aus einem ½ Miteigentumsanteil an einem Zweifamilienhaus und Sparguthaben bei der Bank. Das Haus gehörte ihr zusammen mit ihrer ebenfalls ledigen und kinderlosen Schwester Nora. Die Erblasserin hat in ihrem letzten Willen verfügt, daß ihre Lieblingsnichte Emilia ihr Vermögen erben soll. Ihre Schwester Nora sollte aber das Haus alleine verwalten dürfen, solange sie lebt. Dabei sollte für beide nicht allzu viel Erbschaftsteuer anfallen. Schließlich waren die Schwestern beide etwa gleich alt, so daß beide Schwestern voraussichtlich kurz nacheinander etwas zu vererben haben würden. Und was zweimal vererbt wird, wird auch zweimal versteuert.
Also sollte die Nichte Emilia das Eigentum am Haus und das Guthaben der Sparkonten gleich erben, Nora sollte aber die Erträge der Erbschaft, also die Zinsen der Sparbücher und die Nutzung am Haus als Vermächtnis haben. Die Zinsen sollte sie für Renovierungen am Haus und als Einkommen für einen möglichen Pflegefall haben. Das läßt sich mit dem Nießbrauch auch erreichen.
Bei der Erbschaftsteuer wird Noras Nießbrauch günstig bewertet, weil der jährliche Wert der Nutzungen mit einem Faktor verrechnet wird, der im hohen Alter günstig ausfällt. Sie muß also wenig Steuer zahlen. Nachdem Emilia mit der Erbschaft zu Noras Lebzeiten noch nichts anfangen kann, wird vom Steuerwert ihrer Erbschaft der Wert des Nießbrauchs abgezogen. Wenn er wegfällt, muß seit der Erbschaftsteuerreform von 2009 keine Nachversteuerung mehr vorgenommen werden.
So weit so gut. Damit die Verwaltung des Haus reibungslos funktioniert, wollte die Erblasserin nicht, daß ihre Schwester Nora und ihre Nichte Emilia alle Entscheidungen gemeinsam treffen und alle Aufträge an Handwerker usw. gemeinsam erteilen müssen. Daher setzte sie Nora zur Testamentsvollstreckerin ein und erteilte ‚Befreiung von den Beschränkungen des BGB § 181’. Damit bewirkte sie, daß Nora ihr Leben lang den Nachlaß verwalten und alle Verfügungen ohne die Mitwirkung Emilias treffen konnte. Rein juristisch gesehen ist diese Lösung nicht schlecht.
Die Probleme begannen allerdings schon recht früh. Nora wußte nämlich nicht, was das anspruchsvolle Amt des Testamentsvollstreckers an Aufgaben mit sich bringt. Nachdem sie 80 Jahre alt war, war sie auch nicht mehr allen Aufgaben gewachsen, die eine Testamentsvollstreckung mit sich bringt, zumal sie als gelernte Schneiderin nie viel Büroarbeit erledigt hat. So hat sie bereits versäumt, das vollständige Nachlaßverzeichnis unverzüglich und unaufgefordert zu erstellen. Auch hat sie keine Buchführung erstellt, um die jährliche Rechnungslegung gegenüber der Alleinerbin Emilia vornehmen zu können. Genau genommen könnte jetzt beim Nachlaßgericht die Entlassung des Testamentsvollstreckers wegen grob pflichtwidrigen Verhaltens und wohl auch wegen Unfähigkeit zur Amtsführung beantragt werden. Um des Familienfriedens willen soll das aber nicht geschehen. Im vorliegenden Testament fehlt außerdem eine Regelung zu der Frage, ob die Testamentsvollstreckung unbedingt bestehen soll oder ob das von der Erblasserin nur insoweit gewünscht war, als ihre Schwester Nora dieses Amt ausübt zur Erfüllung des Vermächtnisses an sich selbst und zur Verwaltung der beiden Miteigentumshälften am Haus in einer Hand. Daher ist jetzt unklar, ob bei einer Amtsenthebung – oder nach einer freiwilligen Niederlegung des Amts – ein Nachfolger ernannt werden soll.
Als dann noch bei Nora der Erbschaftsteuerbescheid im Briefkasten lag und sie für den Nießbrauch an Haus und Sparguthaben mehrere tausend Euro Erbschaftsteuer zahlen sollte, fragte sie Emilia, ob die das nicht mit ihrem Geld machen könne; Nora befürchtete nämlich, daß sie ihr eigenes Geld noch für einen möglichen Pflegefall brauchen würde. Außerdem wollte sie, daß Emilia Renovierungen am Haus bezahlen solle, bei dem Emilia im Grundbuch als Miteigentümerin stand.
Emilia war darüber verärgert. Schließlich muß jeder Erbe und jeder Vermächtnisnehmer seine individuelle Erbschaftsteuer bezahlen, und im Gegensatz zu Nora hat Emilia ja noch überhaupt nichts von der Erbschaft. Sie ist zwar formal gesehen Eigentümerin an den Nachlaßgegenständen geworden. Die Nutzung steht durch das Nießbrauchsvermächtnis aber Nora zu.
Dazu kommt noch, daß die letztwillige Verfügung zu den Renovierungskosten nichts regelt. Somit gilt die gesetzliche Regelung, wonach Nora als Nießbraucherin diejenigen Ausbesserungen und Erneuerungen vornehmen muß, die zur ‚gewöhnlichen Unterhaltung der Sache’ gehören (BGB § 1041); dafür hat sie ja auch mögliche Mieteinnahmen aus dem Haus und die Zinsen der Sparkonten. Sogenannte ‚außergewöhnliche Lasten’ dagegen muß Emilia als Eigentümerin bezahlen. Die Abgrenzung zwischen den beiden Kategorien ist nicht immer einfach. Daher wäre es gut gewesen, im Testament eine Regelung zu treffen, die in diesem Einzelfall gut paßt. Musterlösungen gibt es hier nicht, weil jedes Haus etwas anders ist und außerdem das für Renovierungen benötigte Geld zwischen den Beteiligten sehr unterschiedlich verteilt ist.
Hier sieht man wieder einmal, daß ‚gut gemeint’ das genaue Gegenteil von ‚gut gemacht’ sein kann. Eine Investition der Erblasserin in eine sorgfältige Beratung durch einen Fachanwalt für Erbrecht oder einen Notar hätte sich gelohnt. Dabei ist aber auch wichtig, daß der Rechtsberater ein Gespür dafür hat, welche juristischen Lösungen die beteiligten Menschen später einmal problemlos umsetzen können und wo sie aus Mangel an juristischen Fachkenntnissen überfordert sind. Manchmal ist auch eine einfachere Lösung vorzuziehen, damit nicht das wunderbar ausgefeilte Testament daran scheitert, daß die Erben nicht Umsetzung in der Lage sind. Sofern jedoch die Bereitschaft besteht, einen Fachmann als Testamentsvollstrecker einzusetzen und dafür angemessen zu bezahlen, lassen sich in der Vermögensnachfolgeplanung sämtliche juristischen Register gefahrlos ziehen.