Inzwischen kann man sich mit Hilfe künstlicher Intelligenz (KI) vom Computer vieles erklären und auch ganze Texte schreiben lassen. Das Internet versteht sich als Raum, der in praktisch jeder Hinsicht grenzenlos ist. Deshalb bekommt man auch ein Antwort zur Rechtslage, wenn man KI im Erbrecht eine Frage klären läßt. KI im Erbrecht kann hilfreich sein – aber künstliche Intelligenz im Erbrecht kann auch Probleme verursachen.
Aktueller Fall im Erbrecht
Ein neuer Mandant kam zur Erstberatung für eine grobe Einschätzung seines Falles. Seine alleinstehende Tante ist verstorben. Er hat sich vorbildhaft verhalten und sich mit Vorsorge- und Generalvollmacht um sie gekümmert, solange sie gelebt hat. Kurz nach ihrem Tod überwies er sich dann eine fünfstellige Summe, mit der er anscheinend die Beerdigung usw. bezahlen wollte. Er meinte wohl irrtümlich, daß das Bankkonto der Erblasserin gesperrt würde, sobald die Bank etwas vom Todesfall erfährt. Es stellte sich heraus, daß ein Experiment mit KI im Erbrecht ein Problem verursacht hat, das der Mandant nun als Fehler seines bisherigen Anwalts ansieht und deshalb einen kompetenteren Rechtsbeistand sucht.
Testament ohne Unterschrift wirksam?
Seine erste Frage war, ob das „Testament“ wirksam ist, das die Tante handschriftlich in ein Poesiealbum geschrieben hat mit der Überschrift „Testament“, allerdings ohne es zu unterschreiben. Ein eigenhändiges Testament kann gemäß BGB § 2247 handschriftlich errichtet werden. Damit es wirksam ist, verlangt das Gesetz aber zwingend eine Unterschrift. Das Unterschreiben ist nicht verzichtbar, ohne Signatur ist es nur ein Entwurf. Dazu kommt noch die spannende Frage, ob die zuständige Richterin beim Eintrag in ein Poesiealbum annehmen würde, daß der Text als letztwillige Verfügung über das Vermögen ernst gemeint war. Nachdem die Unterschrift unter dem Text fehlt, ist es aber im Zivilrecht definitiv kein wirksames Testament. Wenn sich alle Beteiligten einig sind, daß das formell unwirksame Testament umgesetzt werden soll, dann akzeptiert das Finanzamt aber durchaus die Verteilung des geerbten Vermögens gemäß des unwirksamen „Testaments“.
Beginn des Streits übers Erbe
Ohne Wirksamens Testament sind die nächsten Verwandten Gesamtrechtsnachfolger in der gesetzliche Erbfolge nach der Erbtante. Dazu gehörten dann weitere Neffen und Nichten der Erbtante, die sich etwas weniger um sie gekümmert haben. Einer war verärgert, als er vom Finanzamt den Hinweis bekam, daß er in der Erbschaftsteuererklärung mehrere tausend Euro zu wenig angegeben habe. Dabei dachte er, der generalbevollmächtigte Neffe der Erbtante hätte ihm korrekte Kontostände per Todestag mitgeteilt. Der hat aber gegenüber den Miterben nur das angegeben, was nach der Überweisung der fünfstelligen Summe an sein eigenes Bankkonto übrig geblieben war. Wenig überraschend verlangte der andere Neffe nun seinen Anteil an der Summe, für die das Finanzamt schließlich auch Erbschaftsteuer von jedem verlangte in der Höhe, die dem jeweiligen Erbteil entspricht.
KI (Künstliche Intelligenz) im Erbrecht
Der Mandant hat Chat-GPT gefragt, was er für seine Tätigkeit als Vorsorgebevollmächtigter von den Miterben verlangen kann. Die Antwort der KI war, er könne von den Miterben Ausgleichung nach BGB § 2057a verlangen für seine Mithilfe im Haushalt, bei der Pflege und sonstigen Dingen. Danach hat er seinen Anwalt aufgefordert, das auch so an den Miterben zu schreiben. Der damalige Anwalt tat das auch, obwohl in BGB § 2057a doch ausdrücklich die Ausgleichung zwischen Abkömmlingen geregelt ist, also zwischen Kindern und ggf. Kindeskindern. Aber mancher Fachmann gibt nach, wenn die „Kundschaft“ etwas unbedingt so haben möchte, wie der Fachmann es gerade nicht machen würde.
Erbstreit wegen künstlicher „Intelligenz“
Der Gegner sah keine Basis mehr für Verhandlungen, weil ihm der Ausgleichungsanspruch seines Vetters völlig absurd vorkam. Er teilte über seinen Rechtsanwalt mit, daß der Fall nun vor Gericht gehen wird. Das ist bei einer objektiven, sachlichen Betrachtung auch kein Wunder. Aus Sicht des Miterben sieht es ja so aus: Erst wurde Geld verschwiegen, das der Bevollmächtigte vom Konto der Erbtante abgehoben hat. Später wird es dann gefordert wegen angeblicher Ansprüche auf Ausgleichung, die zwischen Vettern aber gar nicht bestehen können. So entsteht leicht ein Erbstreit wegen künstlicher „Intelligenz“.
Gründe für Fehler der KI im Erbrecht
Künstliche Intelligenz ist jedenfalls bisher dermaßen fehlerbehaftet, daß man sich besser nicht auf die gelieferten Ergebnisse verlassen sollte. Das gilt umso mehr in den Fällen, in denen das Internet mit weltweit Milliarden von Nutzern überhaupt nichts nützt, weil es nicht genug relevante Nutzer gibt: Erbrecht regelt jedes Land selber, es bleiben also unabhängig von der Größe des KI-Modells rund 85 Millionen Einwohner Deutschlands, und die anderen deutschsprachigen Länder haben jeweils ein eigenes Erbrecht mit gravierenden Unterschieden. KI wird hier sogar noch verwirrt, weil der gleiche oder ähnliche Fachausdruck im Nachbarland eine andere Bedeutung haben kann. Dazu kommt noch, daß die Abwicklung des Nachlasses etwa in Österreich völlig anders ist als in Deutschland, auch wenn sonst manches gleich geregelt ist.
Außerdem schaut KI eher auf Mehrheiten als auf Wahrheiten, und da läßt sich ein KI-Modell mit irreführenden Darstellungen im Netz durchaus beeinflussen.
Fazit: (auch) selber denken
Der Fall macht deutlich, daß man nicht darauf verzichten kann, selber nachzudenken über die Plausibilität der Ergebnisse, die KI einem liefert. Die Aussage der KI erinnert aber sehr stark an einen alten Sketch in der BBC-Sendung „Little Britain“. Da hat jemand ausschließlich dem Computer vertraut und auf alle vernünftigen Argumente geantwortet „Computer sagt nein“, obwohl das offensichtlich falsch war. Die Herausforderung im Umgang mit KI wird in Zukunft sein, daß wir selber mitdenken, um solche Fehler zu erkennen und zu korrigieren.