Globalisierung ist seit Jahren ein aktuelles Thema – und sie betrifft einen auch da, wo die Betroffenen oft gar nicht daran denken: Ein Ehepaar stammt aus Deutschland und aus Afrika. Sie haben in England geheiratet und sind dann für eine interessante Arbeitsstelle nach Irland gezogen. Einen Ehevertrag haben die beiden Kosmopoliten nicht vereinbart. Auf der schönen grünen Insel sind sie dann auch in Rente gegangen und haben das Leben genossen. Das Ehepaar hat seine eigenen vier Wände in Irland und eine Ferienwohnung als Eigentum in Deutschland. Eigentümer sind sie bei allem jeweils zur Hälfte.
Als Rentner leben die beiden nun schon seit einigen Jahren in Irland. Sie errichten dort Testamente nach irischem Recht, fragen aber niemanden nach Besonderheiten beim Wohnungseigentum in Deutschland. Die Testamente sind mit der Maschine geschrieben und von der beratenden Rechtsanwältin (Solicitor) und einer zweiten Zeugin unterschrieben. Nach irischem Recht sind diese Testamente auch wirksam. In den Testamenten ist vor allem der jeweils andere Ehegatte zum Alleinerben eingesetzt.
Jetzt ist ein Ehegatte verstorben, der andere möchte als Erbe die Grundbücher in Irland und in Deutschland berichtigen lassen, so daß er als Erbe für den Miteigentumsanteil des verstorbenen Ehegatten sowohl beim Hausgrundstück in Irland als auch bei der Immobilie in Deutschland eingetragen wird. In Irland ist das kein Problem, das Testament ist ja von der Solicitor fachmännisch perfekt auf die Erfordernisse dort abgestimmt worden.
Der deutsche Teil des Vermögens stellt für den Witwer aber eine kleine Herausforderung dar: Eigentlich haben wir eine Erleichterung bekommen durch die Europäische Erbrechts-Verordnung (EU-ErbVO). Diese gilt aber (noch) nicht in Irland.
Das irische Recht geht genauso wie das englische Erbrecht und Immobilienrecht davon aus, daß jede Immobilie vererbt wird nach dem sogenannten „Belegenheitsrecht“ (lex rei sitae), also dem Nationalen Recht an dem Ort, an dem die Immobilie liegt.
Aber nach deutschem Recht und der EU-ErbVO gilt für Erbfälle seit dem 17.08.2015 das Recht des letzten Aufenthaltsorts des Erblassers; im vorliegenden Fall ist das der mehrjährige gemeinsame Wohnsitz des Ehepaars in Irland. Somit wird hier der deutsche Teil der Erbschaft nach irischem Erbrecht abgewickelt, auch wenn die Eigentumswohnung in Deutschland ist. In solchen Fällen gilt nämlich aus unserer Sicht, daß bei einer Verweisung auf ausländisches Recht eine „Rückverweisung“ nicht angenommen wird. Wenn unser Recht ins Ausland verweist, dann bleibt es dabei. Der deutsche Nachlaßrichter wird sich also mit irischem Erbrecht befassen müssen.
Zwei Erleichterungen gibt es im aktuellen Fall: Es liegt ein Testament vor, was meistens besser ist als die gesetzliche Erbfolge. Dazu kommt noch, daß Deutschland und Irland beide am Haager Testamentsformabkommen und am Haager Testamentsformübereinkommen teilnehmen, so daß es für die formale Wirksamkeit ausreicht, wenn das Testament die Formvorschriften eines der beiden Länder erfüllt. Deutsches Recht würde dieses maschinengeschriebene Testament nämlich nicht akzeptieren, weil es weder von der Erblasserin handschriftlich verfaßt noch von einem Notar beurkundet worden ist. Es wurde ja nicht beim Notar, sondern beim irischen Solicitor gemacht. In Irland ist die normale Form eines Testaments, daß es maschinengeschrieben, von der Erblasserin unterschrieben und von zwei Zeugen bestätigt worden ist. Und das ist ja der Fall. Also ist es wirksam, und damit ist der länger lebende Ehegatte wirksam zum Alleinerben eingesetzt.
Für die praktische Umsetzung ist jetzt „nur“ noch ein deutscher Erbschein erforderlich, der dann weniger Gerichtsgebühren verursacht, wenn er beschränkt wird auf „inländisches Vermögen“. Damit es mit der Erteilung des Erbscheins schnell geht, hilft es in solchen Fällen in aller Regel weiter, wenn der Antrag auf Erteilung des Erbscheins von einem Rechtsbeistand entworfen wird, der sich mit deutsch-irischen Fällen auskennt und der dem Nachlaßgericht schon im Antrag die einschlägigen Gesetze, EU-Verordnungen und Haager Übereinkommen mit den passenden Artikeln und Paragraphennummern angibt sowie ein paar Fachbücher zitiert, die in der Bibliothek des Gerichts für derartige seltene Fälle bereitstehen; dann braucht der Richter nur noch nachzulesen, ob es dort wirklich so steht, was eine längere Wartezeit erspart, die sonst für die Recherche der Rechtslage in einem kleinen Land wie Irland nötig wäre.
Sofern für den Erbscheinsantrag dann noch notarielle Beglaubigungen oder deutsche Übersetzungen von Dokumenten erforderlich sind, können diese im Ausland auch von einem deutschen Konsularbeamten vorgenommen werden, sofern er im Einzelfall für diese Aufgaben zuständig ist (das ist nicht bei allen Konsulaten der Fall). Ein kompetenter Rechtsanwalt kann in wenigen Minuten abklären, welche Stelle mit welcher Adresse zuständig ist.
Wenn der Erbschein dann erteilt ist, kann man damit ein Grundbuchamt die Berichtigung des Grundbuchblatts beantragen, so daß an Stelle der verstorbenen Miteigentümerin der Ehegatte als Erbe eingetragen wird.
All das kann man theoretisch selber erledigen, es besteht kein Anwaltszwang. Und die Anträge auf Erbschein und auf Eintragung des Erben im Grundbuch kann man auch ganz ohne notarielle Beurkundung stellen. In der Praxis ist jedoch gerade in internationalen Fällen hilfreich, einen Rechtsanwalt mit Spezialgebiet Erbrecht und außerdem mit Erfahrung in allen beteiligten Ländern zu engagieren, der einem die meisten Mühen und Stolperfallen abnimmt. Dann kann man die Erbschaft genießen.