Erbfall des Monats - August 2022

Gierige Erben und Schwarzgeld

Erbstreit wird immer wieder ohne Risiko auf Verluste geführt.  In unserem aktuellen Erbfall des Monats geht es um einen langjährigen Erbstreit, bei dem die Beteiligten auch für sich selber einiges riskieren.  In diesem Fall stellt sich immer wieder die Frage:  Wie verhalte ich mich in solchen Situationen, damit das Erbe vernünftig und anständig abgewickelt wird?
Die Erblasserin war eine sehr vermögende und hochbetagte, alleinstehende Tante.  Sie hatte keine Kinder, so daß die (Groß-)Neffen und Nichten ihr Vermögen erben sollten.  Eigentlich war klar, wer von ihnen wie viel Anteil am Nachlaß haben würde.
Der Lieblingsneffe war ein erfolgreicher Unternehmer im Ruhestand, er hatte viel Erfahrung mit Immobilien und Steuerfragen.  Daher wollte die Tante, daß er sich mit Vorsorge- und Generalvollmacht um ihre Bankgeschäfte, Vermietung der Immobilien und Renovierungen ihrer Häuser kümmert.  Er erledigte mit dieser Vollmacht sehr vieles, richtete die Immobilien mit viel Eigenleistung und steuerte die Arbeiten der Handwerker bei mehreren Wohnhäusern der Tante so, daß sie unterm Strich nicht einmal mehr Steuern für ihre Einnahmen aus der Vermietung zahlen mußte.  Es gab auch Schwarzgeld in der Schweiz, und das sollte —außerdem noch an der Schenkungsteuer vorbei— an die zukünftigen Erben in Deutschland verteilt werden.  Damit möglichst nichts auffliegt, übergab der bevollmächtigte Neffe diese Schenkungen als Bargeld ohne Quittung an die anderen Verwandten, die teilweise extra zu diesem Zweck an die Schweizer Grenze reisten, wo das Bargeld zu Fuß über die Grenze gebracht wurde.  Die anderen Verwandten besuchten die Erbtante seltener, manche kamen nur alle paar Jahre zu einem runden Geburtstag vorbei und ließen sich bei der Gelegenheit wieder ein paar tausend Euro als Dankeschön für den Besuch bei der Tante schenken.
Nachdem die Erbtante gestorben war, kam es zu einem sehr merkwürdigen Streit:  Die Verwandten, die doch schon viel Geld der Erbtante durch den Lieblingsneffen im Auftrag der Tante geschenkt bekommen hatten, bekamen jeder und jede eine sechsstellige Summe aus der Erbschaft.  Aber sie wollten noch mehr bekommen.  Deshalb verweigerten sie einerseits die Auszahlung des Anteils des Lieblingsneffen vom Nachlaßkonto, obwohl der sich als einziger Verwandter im größeren Umfang um die Erbtante gekümmert hatte.  Andererseits verlangten sie von ihm Rechenschaft über sämtliche Abhebungen und Überweisungen vom Bankkonto der Erbtante; jede Verfügung ohne Beleg sollte er an die Miterben „zurückzahlen“, als hätte er das Geld veruntreut.  Der Lieblingsneffe wollte seinerseits endlich auch einmal seinen Anteil am Erbe bekommen, der im Testament angeordnet war.  Der Fall kam vor Gericht, beide Seiten verklagten sich gegenseitig.
Nachdem es um jede Menge Schwarzgeld ging, hat der bevollmächtigte Neffe jetzt nur zwei Möglichkeiten:  Er kann den Zivilprozeß ums Erbe gewinnen, indem er Beweis dafür vorlegt, daß die Miterben aus seiner Hand in Vollmacht der Erbtante jede Menge Geld geschenkt bekommen haben.  Wenn er das macht, dann ist der Zivilrichter verpflichtet, den Verdacht der Steuerhinterziehung an die Steuerfahndung zu melden.  Voraussichtlich gibt es dann gegen alle Beteiligten ein Strafverfahren, auch gegen den Bevollmächtigten.  Er hat dann zwar den Erbstreit gewonnen und steht im konkreten Erbfall des Monats um rund eine viertel Million Euro besser da, als wenn er diesen Prozeß verliert.  Aber dafür ist er dann aller Voraussicht nach bald darauf vorbestraft und muß jede Menge Steuern, Hinterziehungszinsen und Strafe bezahlen — und das hört sich nicht wirklich nach einem Gewinn des Erbstreits an.

Wenn er das Steuerstrafverfahren gegen sich und gegen seine Gegner im Erbstreit verhindert, indem er keine Beweise für die Schenkungen an die anderen Verwandten vorlegt, dann wird er den Zivilprozeß verlieren.  Die Folge davon ist dann, daß er aus seiner eigenen Tasche mehr als eine halbe Million Euro an die Miterben zahlen muß, die die Miterben doch schon zu Lebzeiten der Erbtante als Schenkungen erhalte haben.  Dazu kommen dann noch erhebliche Prozeßkosten für die Partei, die den Erbstreit beim Zivilgericht verliert.
An diesem Fall sieht man sehr deutlich, daß es bei Steuerhinterziehung spätestens im Erbfall nur Verlierer gibt.  Und wenn über Schwarzgeld gestritten wird, können alle Beteiligten nur darauf hoffen, daß die jeweilige Gegenseite „dicht hält“ und nicht den Stein ins Rollen bringt mit einer strafbefreienden Selbstanzeige;  in so einem Fall weiß das Finanzamt nämlich auch von der Steuerhinterziehung der anderen Miterben, die dann aber ihre berichtigten Steuererklärungen nicht rechtzeitig abgegeben haben, bevor das Finanzamt anderweitig Kenntnis vom Sachverhalt hat.
Ein Ausweg bleibt noch:  Die Beteiligten können sich auf eine Vereinbarung einigen, wer wieviel vom Erbe bekommt.  Das sollte freilich geschehen, bevor die Steuerhinterziehung allzu deutlich in der Akte des Zivilgerichts steht.  Dann kann der Erbstreit beendet werden, ohne daß die Beteiligten automatisch mehr verlieren, als sie durch diesen Streit gewinnen könnten.
An diesem Fall sieht man sehr deutlich, daß der Umgang mit Schwarzgeld in der Erbmasse aus juristischer Sicht schwierig ist.  Wie man solche Fälle mit Anstand zu einem guten Ende bringt, ist dann keine rechtliche Frage mehr, da muß jeder Beteiligte für sich überlegen, wie man damit und mit den Miterben als Menschen umgeht.

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