Erbfall des Monats - Juni 2014

Geschäftemacherei mit dementen Kunden

Ältere Menschen haben oft stattliche Ersparnisse. Das ist einerseits ein schönes Polster für Notlagen, lockt andererseits aber auch unseriöse Leute zum „Geschäftemachen“ an. „Die Alten“ gelten bei unseriösen Geschäftemachern als leicht zu beeinflussen.

Schauen wir uns als Praxisbeispiel das „Umschichten“ von Geldanlagen an: Häufig sind Kundenbetreuer der Bank und Inhaber von Versicherungsagenturen seit langen Jahren Vertrauenspersonen in geschäftlichen Dingen. Es gibt aber auch schwarze Schafe unter den Finanzberatern die es ausnutzen, wenn man selbst nicht so recht versteht, welche Möglichkeiten es für Geldanlage gibt. Bei der Vermittlung von Kapitalanlagen werden in aller Regel Provisionen gezahlt. Deshalb ist jedes Umschichten von einem Anlageobjekt in ein anderes für den Finanzvertrieb lukrativ. Das wird gelegentlich ausgenutzt, um ohne objektive Notwendigkeit ein Wertpapierdepot noch einmal zu „drehen“ (=umschichten in andere Anlagen, oft mit mehreren Prozent Ausgabeaufschlag bzw. Provision) oder um bestehende Geldanlagen zu kündigen und das Geld in eine Kapitalrente zu stecken.

Im Erbfall des Monats wurde einer finanziell bestens abgesicherten Dame im 85. Lebensjahr und kurz nach Einleitung des Betreuungsverfahrens ein Formular zur Kündigung einer gut verzinsten Anlage und ein Formular zum Abschluss einer Sofortrente vorgelegt. Zu diesem Zweck kamen eine Bankangestellte und zwei Versicherungsvertriebler über längere Strecken zu der alten Dame nach Hause gefahren. Die alte Dame fand damals nicht einmal mehr den Weg zu ihrem angestammten Steuerberater. Vor diesem „Geschäft“ hatte sie bereits Renteneinkünfte von mehr als € 30.000,- im Jahr, eine schuldenfreie Eigentumswohnung und mehr als eine Million Euro bei mehreren Banken angelegt. Für dieses Gespräch benötigten die drei „Berater“ für An- und Abreise sowie das Gespräch mit der Kundin jeweils einen halben Arbeitstag. Warum machten sie sich diese große Mühe, die der Bank ja auch hohe Betriebskosten verursachte, fragt sich wohl jeder normale Mensch? Der einzige ersichtliche Grund für dieses Geschäft ist die Provison: Die gut verzinste Geldanlage brachte der Bank keine Vorteile mehr, bei der Kündigung des Sparvertrags und Abschluss einer Sofortrente konnte die Bank jedoch mit einigen tausend Euro Vermittlungsprovision rechnen. So etwas ist dann natürlich auch für die nächste Gehaltserhöhung der Anlageberaterin bei der Bank relevant, ihr Vorgesetzter war sicher sehr zufrieden mit dem guten Geschäftsabschluß.

Nach der Bestellung eines Betreuers für die Dementi alte Dame hätte der Berufsbetreuer keine unnötigen „Umschichtungen“ mehr zugelassen. Also mußte das Geschäft schnell noch abgeschlossen werden. Die alte Dame hatte ihr Leben lang auf die Seriosität ihrer Bankberater vertraut, sie wurde bis dahin auch noch nie in ihrem Vertrauen enttäuscht. Sie selbst merkte wegen ihrer Demenz nicht mehr, daß das Geschäft ihr überhaupt keine Vorteile brachte. Im Gegenteil: Der Versicherungsvertrag war nicht mit ihrem Testament abgestimmt, so daß bei ihrem Tod ein halbes Jahr später auch noch ein großer Geldbetrag an entfernte Verwandte ging, von denen nur ein Teil im Testament mit so großen Beträgen bedacht war.

Der Betreuer wurde kurz nach diesem fragwürdigen Geschäft vom Amtsgericht bestellt. Er prüfte aber nicht die alten Verträge sondern „nur“ im Rahmen seiner Aufgaben das, was aktuell Neues anlag. Die Bank und die Versicherung hörten also nichts mehr bis zum Erbfall. Da wird den Erben dann gerne etwas vorgemacht, die Demenz sei „nicht erkennbar“ gewesen, es gebe „keine Pflicht zur Prüfung der Geschäftsfähigkeit“ usw. In unserem Fall haben die schwarzen Schafe der Finanzbranche aber auf Granit gebissen: Der Testamentsvollstrecker war bereit, die Sache aufzuklären und unwirksame Geschäfte rückgängig zu machen. Er wies diese Einwände zurück und erklärte der Bank die Rechtslage: Im Gesetz ist eindeutig geregelt, daß der Schutz Geschäftsunfähiger absoluten Vorrang hat. Es besteht gerade kein Vertrauensschutz darauf, daß jemand geschäftsfähig ist. Das ist zwar schmerzlich für denjenigen, der bei einem nichtigen Geschäft wegen unerkannter Geschäftsunfähigkeit viel Geld verliert. Der Vertragspartner eines dementen Menschen steht aber trotzdem nicht besser da als der Geschäftsunfähige: Unsere Gesetze gehen nämlich davon aus, daß jeder Volljährige grundsätzlich als geschäftsfähig anzusehen ist, außer das Gegenteil wird bewiesen. Wenn die schlechten Geschäfte eines dementen Menschen also für nichtig erklärt werden sollen, muß der Demente bzw. sein Betreuer die Geschäftsunfähigkeit in dem Zeitpunkt nachweisen können, zu dem der Vertrag abgeschlossen wurde; nach dem Tod haben dann der Erbe oder Testamentsvollstrecker diese Hürden zu nehmen. Die spannenden Fragen sind dann, ab wann ein Zustand schlecht genug ist, um von Geschäftsunfähigkeit auszugehen und wie man das beweist.

Ab der Diagnose „mittelgradige Demenz“ kann man in aller Regel von Geschäftsunfähigkeit ausgehen. Die mittelgradige Demenz ist im übrigen fast immer auch für einen Gesprächspartner erkennbar , der die heutzutage vorgeschriebenen ausführlichen Beratungsgesprächen zur Anlageberatung durchführt. Auf die Erkennbarkeit kommt es zwar überhaupt nicht an, man kann sich aber sein Teil denken über die Seriosität eines Unternehmens, das seine fragwürdigen Geschäfte mit diesem Scheinargument zu retten versucht.

Im Erbfall dieses Monats lag einerseits das Gutachten der Amtsärztin aus dem Betreuungsverfahren des Amtsgerichts vor, die die Geschäftsunfähigkeit kurz nach dem „Geschäftsabschluß“ zweifelsfrei bescheinigte. Außerdem hatte ein Neurologe ein paar Monate zuvor eine Demenz sowie eine durch organische Veränderungen im Hirn bedingte Paranoia bescheinigt. Ein Bankangestellter, der für rechtliche Fragen dieser Bank zuständig ist, tat diese Diagnosen als „private Meinungsäußerungen“ der Ärzte ab und schrieb dem Testamentsvollstrecker, daß seine Bank keine Veranlassung sehe, auch nur die Vermittlungsprovision für dieses „Geschäft“ herauszugeben. Nachdem der Testamentsvollstrecker in diese Fall im Hauptberuf Rechtsanwalt ist, wird der Fall sicher bald vom Landgericht entschieden. Dafür ist dann noch ein Punkt wichtig, nämlich die Beweislast:

Bewiesen wir die Geschäftsunfähigkeit in der Regel durch das Gutachten eines Facharztes für Neurologie/Psychiatrie. Einige Ärzte sind als Gutachter darauf spezialisiert, derartige Fragen zu beantworten. Immer wieder gelingt sogar eine sichere Einschätzung auf einen Zeitpunkt in der Vergangenheit; dabei helfen dann beispielsweise Schreiben des Dementen aus der damaligen Zeit oder Wahrnehmungen aus dem Umfeld wie zum Beispiel Notizen von Gesprächspartnern oder auch Eintragungen in den Akten des Hausarztes oder eines Krankenhauses. Am Ende werden die teuren Gutachten von dem bezahlt, der das Gerichtsverfahren über die Rückabwicklung des nichtigen Geschäfts verliert. Und wer die Rückabwicklung der nichtigen Geschäfte verweigert, obwohl einschlägige ärztliche Gutachten zur Geschäftsunfähigkeit bereits vor Klageerhebung vorlagen, findet seinen Namen vielleicht noch in Presseberichten über das Gerichtsverfahren wieder, das ja öffentlich verhandelt wird.

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