Erbfall des Monats - Juni 2024

Gemeinschaftliches Testament ändern: Ist das auch alleine möglich?

Ehegatten machen häufig ein gemeinschaftliches Testament.  Oft steht der jeweils andere Ehegatte dann für den ersten Erbfall als Alleinerbe im Testament.  Damit wollen sie häufig erreichen, daß beim Tod des einen Ehegatten der andere die Erbschaft nicht mit entfernteren Verwandten teilen muß.  Das geschieht meistens durch ein eigenhändiges Testament, das ein Ehegatte von Hand schreibt und beide unterschreiben.  In den meisten gemeinschaftlichen Ehegattentestamenten sind auch die Schlußerben vorgesehen, die beim Tod des zweiten Ehegatten erben sollen.  Das gemeinschaftliche Testament hat eine vergleichbare Wirkung wie ein Erbvertrag, den man nur beim Notar wirksam errichten kann.  Was passiert aber, wenn die beiden später nicht mehr das gleiche wollen, einer von ihnen möchte also ein gemeinschaftliches Testament ändern:  Ist das auch alleine möglich?
Im Erbfall des Monats haben die Ehegatten gleich zu Beginn ihrer Ehe ein Testament gemacht, als sie noch keine Kinder hatten. Viele Jahre danach wollte ein Ehegatte etwas ändern, der andere nicht.  Kann das gemeinschaftliche Testament jetzt geändert werden und falls ja: wie ist das auch alleine möglich?

Wechselbezügliche und einseitige Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament

Das Bürgerliche Gesetzbuch unterscheidet hier zwischen den wechselbezüglichen Verfügungen und den einseitigen Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament.  Problemlos ist eine Änderung derjenigen Verfügungen möglich, die nach der Definition des Gesetzes einseitig getroffen wurden.  Anders sieht es aus bei den wechselbezüglichen Verfügungen, die in BGB § 2270 definiert sind:  Wechselbezügliche Verfügungen liegen dann, aber auch nur dann vor, wenn anzunehmen ist, daß der eine Ehegatte sie nicht getroffen hätte, wenn der andere nicht im Gegenzug eine ganz bestimmte andere letztwillige Verfügung getroffen hätte.  Und hier fängt das häufigste Problem an:  Woher weiß man denn, ob eine wechselbezügliche Verfügung mit Bindungswirkung vorliegt oder nicht?

„Wechselbezüglich“: Wortlaut oder andere Kriterien?

In der Praxis ist es ziemlich egal, ob im Wortlaut des Testaments ausdrücklich geschrieben steht „alle Verfügungen in diesem Testament sind wechselbezüglich“ oder dergleichen.  Entscheidend ist aber nicht nur der Wortlaut.  Wichtig sind gerade auch die Kriterien, die im Gesetz stehen sowie die, die in der Praxis der Gerichtsverfahren entscheidend sind.  Vor Gericht wird nur geschaut, ob die Richter davon überzeugt sind, dass es zur Zeit der Errichtung des Testaments tatsächlich so war.  Wenn die Richter nicht davon überzeugt sind, weil sie beispielsweise annehmen, daß der Erblasser die andere Regelung sowieso verfügt hätte, dann liegt eben gerade keine Wechselbezüglichkeit vor.  Dann kann jeder von beiden ein neues Testament machen, das dann Vorrang hat vor dem älteren gemeinschaftlichen Testament.
Nur dann, wenn die Abhängigkeit der einen Verfügung im Testament von einer bestimmten Verfügung des anderen Ehegatten feststeht, gibt es Bindungswirkung.  Das bedeutet dann, daß die Ehegatten diese Verfügung nur noch gemeinsam ändern oder aufheben können.

Widerruf statt Änderung

Wenn einer der beiden nichts ändern möchte oder es zum Beispiel wegen fortgeschrittener Demenz nicht mehr wirksam ändern kann, dann is eine Änderung nicht mehr möglich.  Es bleibt für den andern Ehegatten als Alternative nur noch der Widerruf der Verfügung.  Diesen Widerruf muß man durch einen Notar zustellen lassen, damit der Ehegatte definitiv Kenntnis vom Widerruf des Testaments hat.  Schließlich ist der Sinn der Bindungswirkung wechselbezüglicher Verfügungen, daß beide sich darauf verlassen können, was nach dem Tod des anderen mit dem Vermögen passieren wird.  Wenn das geändert oder widerrufen wird, muß man sich darauf einstellen können.
Eine Nebenwirkung des Widerrufs ist freilich, daß dann auch die andere Verfügung wegfällt, mit der die eine Verfügung im Wechselbezug stand.  Das kann Nachteile bringen, wenn man eigentlich „nur“ die Schlußerben austauschen möchte, weil sich einiges verändert hat, seit das Testament errichtet wurde.  In so einem Fall muß man sich gut überlegen, was unter dem Strich besser für einen ist.

Verfügung – Testament

Bei wechselbezüglichen Verfügungen ist auch ein Detail wichtig:  Eine Verfügung macht nicht unbedingt das ganze Testament aus.  Die meisten Testamente enthalten mehrere Verfügungen.  Wechselbezüglich mit Bindungswirkung ist nie das Testament als solches, sondern immer jede einzelne Verfügung.  Das gilt auch dann, wenn sämtliche Verfügungen im Testament wechselbezüglich sind.  Geprüft wird das aber für jede einzelne Verfügung, also für jede Einsetzung als Erbe, für jedes Vermächtnis, für jede Auflage und ggf. auch eine Rechtswahlklausel. Im gemeinschaftlichen Testament wird für jede einzelne Verfügung beurteilt, ob man sie alleine ändern kann oder die Mitwirkung des anderen Ehegatten benötigt.

Widerrufen nach Tod des anderen Ehegatten

Wenn einer der Ehegatten bereits verstorben ist, kann die wechselbezügliche Verfügung nicht mehr widerrufen werden.  Nach dem Tod des anderen Ehegatten bleibt nur noch ein Ausweg, aus der Wechselbezüglichen Verfügung herauszukommen:  Was der länger lebende Ehegatte vom zuerst verstorbenen zugewendet bekommen hat, muß er ausschlagen, was aber nur in einer kurzen Frist und in der gesetzlich vorgeschriebenen Form möglich ist.  Danach kann er dann seine Verfügungen neu regeln.

Fazit

Je nach Einzelfall ist es möglich, eine gemeinschaftliche Verfügung im Testament auch alleine zu ändern. Bei Ehegattentestamenten ist es sehr wichtig, daß sich beide die möglichen Folgen schon von Anfang an gründlich überlegen.  Manche gemeinschaftlichen Testamente sind schon mehr als 50 Jahre vor dem Tod des zweiten Ehegatten verfügt worden.  Bei derart langfristigen Bindungen ist es besonders wichtig, sehr sorgfältig vorzugehen.  Beratung durch einen erfahrenen Fachmann für Erbrecht kann spätere Überraschungen vermeiden.

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