Passend zu den Sommerferien dreht sich der Erbfall des Monats dieses Mal um die Problematik von Ferienimmobilien.
Der Erblasser (E) verstarb in Stuttgart. E war deutscher Staatsangehöriger und lebte auch überwiegend in Deutschland. Er hinterließ eine Witwe (W), den Sohn (S) und ein weiteres Kind. An Vermögen hinterließ E sein Vermögen in Stuttgart und ein Wochenendhaus an seinem Zweitwohnsitz im Elsaß. Das Haus im Elsaß hat E sich gekauft, weil ihm dort die Landschaft und das Essen besonders gut gefallen, die Immobilienpreise viel niedriger sind als im Schwabenland, und es ist ohne allzu lange Anfahrt zu erreichen. Testament hat E keines geschrieben, weil er – wie so viele andere auch – darauf vertraute, daß die gesetzliche Erbfolge schon recht sei. E und W hatten auch keinen Ehevertrag, so daß ihr Ehegüterstand die deutsche Zugewinngemeinschaft war.
Bei der Abwicklung des Nachlasses kam es zu heftigem Streit. Es kam nämlich zur sogenannten Nachlaßspaltung, so daß auf Es Nachlaß die Gesetze verschiedener Staaten anzuwenden waren; die Nachlaßspaltung irritiert oft sogar die Juristen, die die Erben vertreten, ohne daß sie auf internationales Erbrecht spezialisiert wären. Das deutsche Erbrecht bestimmt nämlich, daß ein deutscher Staatsangehöriger nach deutschem Erbrecht beerbt wird, egal wo sein Vermögen sich befindet. Im französischen Erbrecht spielt die Staatsangehörigkeit keine Rolle sondern bei einer Immobilie entscheidet der Ort, an dem sie sich befindet, und für „bewegliches Vermögen“ kommt es auf den letzten Hauptwohnsitz des Erblassers an.
Nachdem der letzte Hauptwohnsitz und die Staatsangehörigkeit bei E zusammenfielen, konnte wenigstens das weltweite bewegliche Vermögen, also z.B. das Kontoguthaben bei den Banken an beiden Wohnsitzen des E, einheitlich nach deutschem Recht vererbt werden.
Bei dem Haus im Elsaß jedoch war es für das französische Grundbuch egal, was im deutschen Erbschein steht. Schließlich bestimmt das französische Gesetz, daß Immobilien in Frankreich immer nach französischem Recht vererbt werden. Und danach hat die Witwe neben den Kindern des Erblassers seit einer Reform im Jahr 2002 das Wahlrecht zwischen dem dort traditionellen Quotennießbrauch oder einem Erbteil von einem Viertel – das französische Erbrecht ist nämlich „kinderfreundlicher“ als das deutsche Recht, das der Witwe im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft neben den Kindern immerhin die Hälfte der Erbschaft zuweist.
W wollte das nicht verstehen. Sie wollte auch am Ferienhaus die Hälfte erben. Der Streit zwischen W und S zog sich über mehr als fünf Jahre hin. Dann kam endlich ein Erbauseinandersetzungsvertrag zustande, mit dem jedem Miterben sein Anteil zugewiesen wurde. Dieser Vertrag mußte sowohl von einem deutschen Notar und von dem Notar in der elsässischen Kleinstadt beurkundet werden, damit alle Immobilien auf die neuen Eigentümer umgeschrieben werden konnten.
Es gilt noch eine weitere Besonderheit, die in Elsaß und Lothringen zu beachten ist: Für das Nachlaßverfahren gilt dort aus historischen Gründen noch das alte preußische Nachlaßverfahrensrecht, das sonst nirgendwo mehr gilt.
Erbschaftsteuer für das Wochenendhaus im Elsaß mußte übrigens in beiden Ländern bezahlt werden. Die ausländische Steuer wird in der Regel nur teilweise auf die deutsche Erbschaftsteuer angerechnet. Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) für die Erbschaftsteuer hat Deutschland nur mit wenigen Ländern abgeschlossen. In unserem Beispielsfall starb E, bevor das DBA mit Frankreich in Kraft trat.
Unser Tip für Ferienimmobilien: Kaufen Sie nur dann im Ausland eine Immobilie, wenn Sie sämtliche Folgen kennen und damit zufrieden sind. Die gesetzliche Erbfolge läßt sich in gewissen Grenzen durch ein Testament ändern. Allerdings gibt es gerade in Frankreich (aber auch in Italien) ein „Noterbrecht“ (‚Reserve’), das zu den Kindern ein Mitspracherecht in der Erbengemeinschaft zubilligt, während der deutsche Pflichtteil „nur“ ein Anspruch auf eine Zahlung ohne Mitspracherechte ist. Auch bei den Formalien des Testaments sind Besonderheiten zu beachten, beispielsweise erkennen die meisten romanischen Länder keine Eheverträge und keine gemeinschaftlichen Ehegattentestament an sondern nur einseitige Verfügungen. In manchen anderen Ländern sind die Unterschriften von Zeugen erforderlich, damit ein Testament wirksam ist. Kurzum: Immobilien im Ausland kaufen Sie am besten nur, nachdem ein Jurist mit Erfahrung im internationalen Immobilien- und Erbrecht Sie beraten hat. Jeder Euro, den Sie in solchen komplexen Fällen bei der Beratung sparen, kommt spätestens Ihre Erben teuer zu stehen.
Ausblick auf die zukünftige Rechtsentwicklung: Die Erbrechtsverordnung der Europäischen Union wird in Zukunft eine Rechtsvereinheitlichung bei der Anknüpfung an das relevante nationale Erbrecht bringen; lediglich Großbritannien, Irland und Dänemark nehmen an dieser klärenden Regelung nicht teil. Wenn die EU-Erbrechtsverordnung am 17. August 2015 in Kraft tritt, wird das Erbrecht des letzten „gewöhnlichen Aufenthalts“ des Erblassers für diejenigen Erbfälle entscheidend sein, die unter das EU-Recht fallen. Es wird dann aber vermutlich bei „Menschen mit Migrationshintergrund“ (z.B. deutsche Rentner mit Winterquartier auf Mallorca) häufig Streit darüber geben, wie der „letzte Aufenthalt“ abzugrenzen ist; in den Ländern, in denen ähnliche Kriterien gelten wie die der EU-Erbrechtsverordnung, gibt es immer wieder interessante und oft auch überraschende Entscheidungen darüber, ob beispielsweise das Abonnement einer Zeitung aus der Heimatstadt wichtiger ist als die (einzige) Wohnung am Arbeitsort, wo der Erblasser seit 20 Jahren bis zu seinem Tod lebte. Der Erblasser kann aber nach der EU-Erbrechtsverordnung durch Testament auch die Anwendbarkeit des Erbrechts seiner Staatsangehörigkeit wählen, wenn ihm das besser gefällt als das Erbrecht am gewöhnlichen Aufenthaltsort.