Erbfall des Monats - Juni 2019

Erbstreit wegen Grabstein

Eine kinderlose Bauersfrau hinterließ Grundstücke und Wohnhäuser im Millionenwert. Die Erben sind einerseits ihre Schwester, die in die USA ausgewandert war, und andererseits die Verwandten Ihres Mannes, der 20 Jahre vor ihr verstorben ist. Bei den Verwandtschaftsgraden könnte eigentlich jeder Miterbe froh sein, überhaupt etwas zu erben. Schließlich gibt es für keinen von ihnen einen Pflichtteil. Die Erbschaft hätte genauso gut auch an eine Freundin oder an einen guten Zweck gehen können.
Streit entstand trotzdem, als die angeheiratete Verwandtschaft sich weigerte, den Grabstein vom Steinmetz so ausführen zu lassen, wie die alte Bauersfrau es im handschriftlichen Testament ausdrücklich als ihren letzten Wunsch angeordnet hatte: wie ein aufgeschlagenes Buch sollte der Stein aussehen. Die Verwandten des vorverstorbenen Ehemanns, der im gleichen Grab liegt wie seine nun verstorbene Frau, beriefen sich auf angebliche religiöse Gründe, die gegen diese Form des Grabdenkmals sprächen, weil der Ehemann Atheist und Nazi war und das aufgeschlagene Buch in den Augen seiner Verwandten ein Symbol von „Frömmigkeit und Gelehrsamkeit“ sei, was sie anscheinend beides ablehnen. Nachdem dieses Grabmal überhaupt keine Symbole, und über die Namen und Lebensdaten der bestatteten Ehegatten hinaus, auch keinen Text enthalten sollte, ist das aber kein vernünftiges Argument. Aufgeschlagene Bücher können nämlich bestenfalls für Analphabeten ein „Stein des Anstoßes“ sein. Ohne religiösen Text und ohne Symbole hat ein aufgeschlagenes Buch keinerlei religiöse Bedeutung. Bücher sind auch nicht immer ein Zeichen von Gelehrsamkeit, sonst gäbe es nicht unterhaltsame Bücher wie beispielsweise Romane, Comics oder Witzbücher. Es kann alles und nichts bedeuten, beispielsweise daß ein Kapitel im Leben zu Ende geschrieben ist – oder was auch immer der Betrachter sich denkt, wenn er einen derart gestalteten Grabstein sieht.
Der Preis für das Umarbeiten des Grabsteins war ein weiterer Streitpunkt. Bei Licht betrachtet kann jedoch auch das kein gutes Argument sein: Was sind schon die im Angebot des Steinmetzes veranschlagten wenigen tausend Euro im Vergleich zum Gesamtwert der Erbschaft von rund zwei Millionen Euro? Pietät würde es gebieten, den letzten Willen im Hinblick auf den Grabstein allein schon aus Anstand zu erfüllen.
Die Verwandten des vor 20 Jahren verstorbenen Ehemanns machten nach einigem Hin und Her den Vorschlag, daß die Schwester der jetzt Verstorbenen Ehefrau doch auf eigene Kosten einen Steinmetz beauftragen könne, den aber die angeheiratete Verwandtschaft aussucht. Außerdem sollte der Name des Ehemanns vom Grabstein entfernt werden, damit es so aussieht, als ob die beiden Ehegatten nichts miteinander zu tun hätten. Das wiederum ist für die Schwester der Verstorbenen undenkbar, schließlich waren ihre Schwester und ihr Schwager verheiratet, bis der Tod sie schied. Und nun sind sie im Tod vereinigt und liegen im selben Grab. Wieso sollte da der Name des Ehegatten auf dem Grabstein ausgelöscht werden?
Nun stellt sich die Frage, wie man in einer derart verfahrenen Situation noch etwas erreichen kann. Die kompliziertere Lösung wäre die, auf direktem Weg vor Gericht einen Grabstein zu erzwingen, wie die Erblasserin ihn wollte. Dann bleibt es aber immer noch bei der Erbengemeinschaft, die inzwischen heillos zerstritten ist, der aber gemeinschaftlich mehrere dutzend Grundstücke gehören. Die juristisch einfachste Lösung ist hier die Teilungsversteigerung zur Vorbereitung der Aufteilung des restlichen Nachlasses. Dann kann man bei der Aufteilung des Versteigerungserlöses immer noch über den Grabstein diskutieren.
Gesagt – getan. Der Rechtsanwalt der Schwester beantragte die Versteigerung der Immobilien beim zuständigen Amtsgericht. Die Miterben wollten aber die Immobilien entweder gar nicht verkaufen sondern in ungeteilter Erbengemeinschaft behalten oder anderenfalls in geheimen Verhandlungen hinter dem Rücken der Miterbin aus den USA einzelne Grundstücke an Bauträger zu verkaufen. Dabei übersahen sie, daß die andere Miterbin sehr mißtrauisch sein mußte, weil sie über die Verkaufsverhandlung mit den Bauträgern nicht informiert worden war, sondern nur mit einem konkreten Vertragsangebot konfrontiert wurde. Als nächstes versuchten die angeheirateten Miterben nun, durch einen Anwalt vom historischen Typus „Mietmaul“ die Versteigerung verhindern zu lassen. Es wurden Schreiben verfaßt, in denen die ordnungsgemäße Grabpflege durch die betagte Schwester in Übersee angezweifelt wurde; dabei ist es überhaupt kein Problem, einen Dauergrabpflegevertrag mit Friedhofsgärtnern abzuschließen. Abgesehen davon hätte die Grabpflege sowieso nichts mit der Versteigerung der Grundstücke zu tun.
Das Verfahren geht nun seinen Gang, und am Ende werden wir sehen, wie es mit dem Grabstein ausgehen wird. Der Fall bleibt spannend. Und an diesem Beispiel aus der Praxis zeigt sich, welche ungewöhnlichen Ursachen zu einer Teilungsversteigerung führen können. Ohne den Streit über den Grabstein wäre es vermutlich nie zum Antrag auf die Versteigerung gekommen.

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