Mehrere Erben werden als Gesamtschuldner verklagt. Sollen sie den Erbstreit mit gemeinsamem Anwalt führen? Viele wollen einen gemeinsamen Anwalt nehmen, der sie alle gleichzeitig vertritt und unterm Strich billiger ist. Schauen wir uns einen aktuellen Fall aus der Praxis an, der nahe liegende Konsequenzen aufzeigt:
Fakten zum Erbstreit mit gemeinsamem Anwalt
Fakten zum Hintergrund dieses Erbstreits mit einem gemeinsamen Anwalt: Der Erblasser war mehrfach geschieden, hatte Kinder von verschiedenen Frauen. Er ging immer wieder zum Notar und ließ einige Testamente beurkunden. Erben wurden am Ende nicht seine Kinder aus erster Ehe, sondern diverse andere, vor allem familienfremde Personen. Einen der familienfremden Erben ernannte er sogar zum Testamentsvollstrecker, obwohl der keine Ahnung vom Erbrecht hat. Das wird häufig gemacht, kostet meist weniger als beim Fachmann; es fehlt dann aber die nötige Fachkompetenz für die anspruchsvolle Tätigkeit als Testamentsvollstrecker (siehe BGB Titel 6 Testamentsvollstrecker §§ 2197 – 2228).
Pflichtteilsforderung und Klageerhebung
Ein enterbtes Kind verlangte den Pflichtteil. Dafür wurde erst einmal Auskunft über den Nachlaß verlangt, so daß später die Pflichtteilsforderung berechnet werden kann.
Die Erben reagierten erst einmal überhaupt nicht. Also kam es zur Klage. Das enterbte, pflichtteilsberechtigte Kind verlangte im Rahmen einer Pflichtteilsstufenklage zunächst Vorlage eines Nachlaßverzeichnisses, bei dessen Erstellen das pflichtteilsberechtigte Kind oder sein Anwalt anwesend ist. Später soll dann die Bewertung der Nachlaßgegenstände und am Ende Zahlung des Pflichtteils erfolgen. Dabei richtet sich die Klage gegen die Erben als Gesamtschuldner, so daß sie alle Beklagte im selben Gerichtsverfahren sind.
Das erste Problem ist hier, daß das Gericht für die Beklagten sehr wohl unterschiedlich entscheiden kann, wenn der eingeklagte Anspruch in Wirklichkeit nicht gegen sie alle besteht.
Miterben beauftragen gemeinsamen Rechtsanwalt
Fast alle Miterben haben trotzdem einen gemeinsamen Rechtsanwalt beauftragt, einer davon ist auch Testamentsvollstrecker. Vermutlich dachten sie, damit könnten sie Geld sparen. Miteinander streiten? Das machen doch immer nur die anderen, der eigene Erbfall läuft doch garantiert ohne Streit. Das denken jedenfalls die meisten, bevor der Streit dann anfängt.
Interessenkollision trotz Einigkeit
Nur ein Miterbe reagierte auf nichts, beteiligte sich auch nicht am Auftrag an den gemeinsamen Rechtsanwalt. Im Gerichtsverfahren wurde ihm die Klage zugestellt, er verteidigte sich aber nicht dagegen. Deshalb hat das Gericht ein Versäumnisurteil gegen ihn erlassen. Auch ein Versäumnisurteil ist ein „vollstreckbarer Titel“. Damit kann die Klägerin dann Zwangsvollstreckung beantragen, um dieses Urteil gegen diesen beklagten Miterben durchzusetzen. Und wenn einer der Miterben Testamentsvollstrecker ist, dann verlangen Pflichtteilsberechtigte mit Hilfe des gepfändeten Erbteils am Besten erst einmal Auskunft über den Stand der Testamentsvollstreckung. Dann ist der „gemeinsame Anwalt“ entweder gleichzeitig nur im Interesse dieses einen Miterben tätig oder er weigert sich, auch diesen Teil des Erbstreits zu übernehmen. Hier sind sich möglicherweise die Miterben einig, die den gemeinsamen Anwalt genommen haben. Eine objektive Interessenkollision kann es dem Rechtsanwalt trotzdem verbieten, daß er sie alle vertritt. Die Einigkeit der Miterben ändert nichts daran, daß die Interessen objektiv gegeneinander stehen können. Und das Berufsrecht für Rechtsanwälte verbietet es, solche Mandate für mehrere Mandanten zu führen. Möglicherweise muß der gemeinsame Anwalt nach der Pfändung des Erbteils eines anderen Miterben das Mandat niederlegen. Jedenfalls wird er seine Arbeitszeit auf die Frage konzentrieren müssen, ob er für den Testamentsvollstrecker und die anderen Miterben weiter tätig sein darf, und in der Zeit nützt er ihnen nichts.
Nachlaßverzeichnis nicht richtig
Die Miterben, die den gemeinsamen Anwalt hatten, legten eine Liste vor, in der Gegenstände und Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit der Erbschaft standen. Der Anwalt des pflichtteilsberechtigten Kindes legte aber Wert auf Details. Deshalb nahm er die Klage nicht gleich zurück, nur weil irgendein „Nachlaßverzeichnis“ vorgelegt wurde. Es handelte sich um ein Verzeichnis, das schon vor der ersten Aufforderung zum Vorlegen eines Nachlaßverzeichnisses erstellt wurde, seine Mandantin konnte also gar nicht anwesend sein; die Anwesenheit beim Erstellen des Nachlaßverzeichnisses ist aber das gute Recht der Pflichtteilsberechtigten. Außerdem wurde das Verzeichnis nach anderen Regeln aufgestellt als denen, die im Pflichtteilsrecht gelten. Hört sich kompliziert an, ein Fachanwalt für Erbrecht kann damit aber in manchen Fällen scheinbar mühelos „zaubern“, wenn ein Nachlaßverzeichnis nicht richtig ist.
Vor Gericht lief die mündliche Verhandlung erst einmal erwartungsgemäß: Der Richter machte deutlich, daß das Nachlaßverzeichnis in Anwesenheit der Klägerin oder ihres Rechtsanwalts erstellt werden muß. Nachdem das nicht geschehen war, hat er die beklagten Erben verurteilt, ein Nachlaßverzeichnis in Anwesenheit der Klägerin oder ihres Anwalts zu erstellen. Dafür reichte schon die Begründung, daß die Klägerin nicht dabei war, als das Nachlaßverzeichnis erstellt wurde.
Fehler wiederholt
Die Beteiligten des Rechtsstreits über das Erbe wohnen weit auseinander. Somit ist es nicht einfach, einen gemeinsamen Termin vor Ort zu vereinbaren, außer man trifft sich passend zum Thema Erbschaft im leerstehenden Haus des Erblassers. Der Anwalt der beklagten Erben sah es dann vermutlich als Erfolg an, daß das neue Nachlaßverzeichnis nicht in dem Gerichtsbezirk erstellt wurde, in dem der Erblasser verstorben war. Er erreichte immerhin, daß der Klägeranwalt bei Schneefall mehr als eine Stunde fahren mußte, um im Haus des Beklagten beim Erstellen des Nachlaßverzeichnisses zuzuschauen, der besonders weit weg wohnt. Das finden die einen „richtig so“, die anderen Beteiligten werden dadurch provoziert, „alle Register zu ziehen“.
Der Anwalt der Klägerseite schaute in dem Termin beim beklagten Miterben zu, wie einer der Erben Daten in seinen Computer tippte. Das tat er betont langsam, der Termin dauerte über eine Stunde und war eigentlich nur eine Wiederholung des alten Verzeichnisses, das schon auf den ersten Blick nicht korrekt auflistet, was zur Berechnung des Pflichtteils erforderlich ist. Am Ende sagte der Miterbe zum Anwalt der Pflichtteilsberechtigten, das Verzeichnis werde dann durch den Anwalt der Beklagten verschickt. Das hört sich auf den ersten Blick nicht gerade nach einem Erfolg für die Klägerin an, die endlich ein korrektes Nachlaßverzeichnis haben wollte. Aber der Volksmund sagt nicht umsonst: Wer zuletzt lacht, lacht am besten!
Es dauerte mehrere Monate, bis die Klägerseite endlich ein neues Nachlaßverzeichnis vorgelegt bekam. Darin war aber manches anders, als der eine Beklagte in seinen Computer getippt hatte. Und es nannte ein Aktenzeichen, was überflüssig ist. Das war dann auch noch das Aktenzeichen des gemeinsamen Anwalts der Beklagten, der überhaupt nicht bei dem Termin anwesend war, an dem das Nachlaßverzeichnis in Anwesenheit der Klägerseite erstellt werden sollte. Es war also wieder kein Nachlaßverzeichnis, das in Anwesenheit der Klägerin oder ihres Anwalts erstellt wurde. Das Urteil verlangt aber genau das.
Der eine Miterbe hat den Fehler wiederholt, der schon zur Verurteilung geführt hatte. Nachdem die anderen Miterben gar nichts getan haben, um das Nachlaßverzeichnis zu erstellen, könnte der Fehler des einen und die Untätigkeit der anderen Miterben wieder ein Problem darstellen für die Frage, ob ein gemeinsamer Anwalt hilfreich ist.
Zwangsvollstreckung nur gegen eine Miterbin
Es lag also noch immer nicht das Nachlaßverzeichnis in der Art und Weise vor, die im Urteil stand. Wie gesagt: Wer zuletzt lacht, lacht am besten! Der Anwalt des enterbten Kindes beantragte Zwangsvollstreckung gegen eine Erbin, die bisher selber gar nichts getan hat. Schließlich war das Nachlaßverzeichnis etliche Monate nach dem Urteil immer noch überfällig. Vermutlich hat sie sich darauf verlassen, daß der Testamentsvollstrecker für sie die Auskünfte korrekt erteilen wird, das hat er aber nicht getan. Und bei der Zwangsvollstreckung geht es nur um die Frage, ob das getan wurde, was der Pflichtteilsberechtigten im Urteil zugesprochen wurde.
Nun stellt sich auch die Frage, ob der gemeinsame Anwalt der Beklagten überhaupt noch weiter tätig sein darf. Es drängt sich ja auf, daß die Miterben unterschiedliche Interessen haben. Gegen eine von ihnen läuft die Zwangsvollstreckung, gegen die anderen nicht. Außerdem hat der Anwalt der Beklagten eine Interessenkollision, sobald ein Miterbe ein Stück weit nachgeben möchte, während ein anderer lieber stur bleibt. Und dann darf der Rechtsanwalt keinen von ihnen vertreten. Sie müssen dann alle einen neuen Anwalt nehmen, was teurer wird, als wenn sie gleich von Anfang an alle einen eigenen Anwalt genommen hätten.
Fazit zur Frage: Erbstreit mit gemeinsamem Anwalt führen?
Als Erbengemeinschaft sollten die Erben jedenfalls gegen Pflichtteilsberechtigte nicht den Erbstreit mit gemeinsamem Anwalt führen. Auch sonst ist es selten gut, sich in einem Rechtsstreit von einem „gemeinsamen“ Anwalt vertreten zu lassen. Sonst werden sie womöglich schlecht vertreten und müssen mit unnötigem Ärger rechnen, enttäuschtes Vertrauen inklusive.