Was tun mit einer Erbschaft, die man nicht für sich selber haben möchte? Eine ältere Dame wurde überrascht durch ein Testament, in dem sie als Alleinerbin eines ledigen, kinderlosen Bekannten. Sie braucht aber kein Geld und ist der Meinung, daß der Bruder des Erblassers mehr mit der Erbschaft anfangen kann als sie selber. Seine Schwestern sollen aber auf keinen Fall etwas bekommen.
Irgendwo hat die Erbin einmal gehört, man könne zu Gunsten eines anderen eine Erbschaft ausschlagen. Dieses Gerücht ist aber vollkommen falsch! Wenn ein Erbe seine Erbschaft ausschlägt, ist derjenige als Ersatzerbe berufen, der aus Sicht des Erblassers als nächster an der Reihe ist. Das kann entweder im Testament geregelt sein, durch Auslegung aus dem Testament folgen oder sich ggf. nach der gesetzlichen Erbfolge richten.
Im vorliegenden Fall ist kein Ersatzerbe benannt und auch nicht ersichtlich, daß der Erblasser sich Gedanken über einen Ersatzerben gemacht hätte. Das heißt: Wenn die Testamentserbin ausschlägt, sind die Ersatzerben in der gesetzlichen Erbfolge dran. Das sind beim ledigen, kinderlosen Erblasser seine Eltern oder deren Nachkommen als Erben der „zweiten Erbordnung“ (BGB § 1925). Nachdem seine Eltern bereits verstorben sind, sind also seine Geschwister zu gleichen Teilen Ersatzerben. Die testamentarische Erbin möchte ja aber unbedingt verhindern, daß die Schwestern des Erblassers irgend etwas bekommen. Also sollte sie nicht die Erbschaft ausschlagen, sonst würde ja genau das passieren.
Im Beratungsgespräch mit einem erfahrenen Fachanwalt für Erbrecht stellte sich dann auch noch heraus, daß die Testamentserbin bereits mehrere Lebensversicherungen angeschrieben hat, bei denen in der Police als Begünstigter im Todesfall „Erben“ stand. Außerdem hat sie Rechnungen über Nachlaßverbindlichkeiten bezahlt, die nicht kurzfristig bezahlt werden mußten. Das sind alles Dinge, um die sich üblicherweise nur ein Erbe kümmert. An dieser Stelle mußte der Anwalt zur Erbin sagen, daß sie die Erbschaft gar nicht mehr ausschlagen kann, weil sie durch ihr Verhalten die Erbschaft bereits angenommen hat. Und das Gesetz sieht eine Ausschaltung nur dann vor, wenn (1.) keine Annahme der Erbschaft erfolgt ist und (2.) die Frist noch nicht abgelaufen ist.
Nachdem eine Ausschaltung das Ziel der älteren Dame ohnehin nicht erreichen würde, ist das aber halb so schlimm. Es erleichtert sogar den Blick auf das, was realistisch möglich ist: Wenn der Bruder des Verstorbenen die Erbschaft bekommen soll, obwohl im Testament die ältere Dame steht, die die Erbschaft nun schon angenommen hat, dann kann sie ihm durch Abtretung in notarieller Form die Erbschaft seines Bruders zukommen lassen. Wenn das unentgeltlich erfolgt, ist es allerdings eine Schenkung. Und für den Wert der Schenkung, der über € 20.000 liegt, fällt mangels Verwandtschaft zwischen der älteren Dame und dem Bruder des Erblassers Schenkungsteuer von mindestens 30% an. Die Beteiligten sollten nun nachdenken, ob der Bruder vielleicht bestimmte Sachen aus der Erbschaft bekommen soll – oder ob sie die Steuer in Kauf nehmen.