Erbfall des Monats - April 2022

Erbschaft rechtzeitig Aufteilen

Unser aktueller Erbfall des Monats zeigt sehr deutlich, warum die Abwicklung einer Erbschaft besser nicht auf die lange Bank geschoben werden sollte:  Eine Erbengemeinschaft hat Vermögen in Deutschland und in Luxemburg geerbt.  Einer der Miterben zog danach ins Ausland.  In der Familie verstand man sich gut genug, um alles „einfach so“ laufen zu lassen, ohne die Erbschaft sauber abzuwickeln, also im Grundbuch die Erben einzutragen usw.  Der Miterbe, der ins Ausland gezogen war, starb wenige Jahre später dort; weil er kurz vor seinem Tod ein entsprechendes Testament machte, wurde seine zweite Ehefrau Erbin und eines seiner Kinder zusammen mit einem Stiefkind seine Nacherben.  Später starb ein anderer Miterbe und seine Enkel aus den USA wurden seine Erben.
Damit entstand eine „mehrstufige Erbengemeinschaft“, bei der die Erben eines Erben  (die „Erbeserben“) mit den Erben eines anderen Erben gemeinschaftlich handeln müssen; sie müssen erst in der einen Erbengemeinschaft eine gemeinsame Meinung bilden, damit sie in der anderen Erbengemeinschaft anstelle des verstorbenen Miterben handeln können.  Nachdem die Beteiligten auch noch in Ländern mit sehr unterschiedlichen Rechtsordnungen leben, haben sie nicht einmal ein gemeinsames Verständnis von dem, was in einem Erbfall zu tun ist.
In einem der drei Erbfälle wurde zwar Testamentsvollstreckung angeordnet.  Allerdings ist das nur für einen der Miterben dieser Erbengemeinschaft geschehen, wobei auch noch eine gute Freundin des Erblassers aufgrund der persönlichen Beziehung, jedoch ohne Sachkenntnisse, für dieses Amt vorgesehen wurde.  Diese Testamentsvollstreckerin hat weder vom deutschen noch vom luxemburgischen Erbrecht Ahnung, Sie benötigt für jede Frage den Rat eines Rechtsanwalts.  Und es gibt nur wenige Anwälte, die Testamentsvollstrecker in dieser Art beraten, weil man für das verantwortungsvolle Amt des Testamentsvollstreckers eigentlich selber wissen muß, was zu tun ist.
Leider ist diese Erbschaft nun ein einziges Chaos, da keiner der beiden vorangegangenen Erbfälle jemals abgewickelt wurde.  Es wurde zwar im einen Erbfall ein Erbschein beantragt, jedoch hat dieser Erbschein das Immobilienvermögen in Luxemburg nicht korrekt abgedeckt und außerdem wurde der Erbfall dort ja auch nie abgewickelt.  Es ist zwar unverständlich, warum ein Erbschein beantragt wurde, wenn die Immobilien dann doch nicht auf die Namen der Erben umgeschrieben wurden, aber so ist das eben im vorliegenden Fall.  Nun müssen die Erben drei Erbfälle gleichzeitig abwickeln und dabei drei verschiedene Rechtsordnungen berücksichtigen.  Teilweise erfolgt das im vorliegenden Fall nach dem Stand vor EU-Erbrechtsverordnung (Stichtag: 17.08.2015) und teilweise mit dem heute aktuellen Gesetzesstand.  Für die Erben ist das eine große Belastung, sowohl menschlich als auch finanziell.  Es fängt schon mit den Zuständigkeiten an, kompliziert zu werden:  In Deutschland ist das Amtsgericht als Nachlaßgericht zuständig für den Erbschein, die Erben selber müssen sich dann um die Abwicklung kümmern.  Für den Erbfall des ausgewanderten und dann nachverstorbenen Erben ist eine andere Behörde für den Nachlaßfall zuständig.  Und in Luxemburg, wo Immobilienvermögen zur Erbschaft gehört, erledigt der Notar die Abwicklung einschließlich der Erbschaftsteuer.  Erbschaftsteuer kann in solchen Fällen außerdem gleichzeitig in mehreren Ländern anfallen, weil im einen Land geerbtes Vermögen, im anderen Land der Steuerwohnsitz des Erben und in einem dritten Land der letzte Wohnsitz des Erblassers war.
Der aktuelle Fall wird noch dadurch unnötig aufwendig und auch komplizierter, daß ein Teil der Beteiligten nicht mit allen anderen Beteiligten Informationen austauschen möchte, was die Abwicklung fast unmöglich macht.  Aus diesem Grund sind nun in den verschiedenen Ländern insgesamt mehr Rechtsanwälte beauftragt worden, als es Erben gibt.  Außerdem stellte sich heraus, daß die Immobilie in Luxemburg nur dann auf die Erben übertragen werden kann, wenn der Erbschein zum ersten Erbfall geändert wird.  Dafür wurde über den Notar, der den alten Erbschein beantragt hatte, die Einziehung des Erbscheins und Neuerteilung eines neuen Erbscheins beantragt.  Allerdings ließ sich die Nachlaßrichterin so viel Zeit damit, daß der Notar im Alter von 70 Jahren in den Ruhestand gehen mußte und nun ein Nachfolger erst einmal die Akte lesen muß, um weitere Schritte zu unternehmen.
Der Fall ist zwar nicht nicht abgeschlossen.  Trotzdem kann man mehrere Lehren daraus ziehen:
1.) Wer Vermögen und/oder Erben in mehreren Ländern hat, sollte eine besonders gut durchdachte Regelung im Testament anordnen.  In einem derartigen Fall kann es auch sehr sinnvoll sein, einen Testamentsvollstrecker zu ernennen, und zwar für den gesamten Nachlaß.  Dabei muß auf jeden Fall beachtet werden, daß (a) die Aufgaben und Grenzen eines Testamentsvollstreckers in jeder Rechtsordnung anders geregelt werden und (b) der Testamentsvollstrecker die Fachkompetenz zur Abwicklung einer derartigen Erbschaft hat.  Das Testament sollte auf jeden Fall von einem guten Juristen entworfen werden, der die Beratung zur Rechtslage in allen beteiligten Ländern übernimmt, damit der Erbfall als großes Ganzes auch funktionieren kann.  Die einzig sinnvolle Alternative ist es, Vermögen im Ausland zu vermeiden, so daß nur ein nationales Erbrecht relevant werden kann.
2.) Wenn eine Erbengemeinschaft besteht, sollten der Nachlaß zeitnah abgewickelt und die geerbten Vermögenswerte zwischen den Miterben aufgeteilt werden.  Aufschieben vergrößert nämlich die Probleme der Erbengemeinschaft im Lauf der Zeit immer mehr.
3.) Die Miterben sollten immer bereit sein, mit allen anderen Miterben Informationen auszutauschen, damit die Abwicklung reibungslos funktionieren kann.

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