Ein schlechter Witz sagt: „Ich fühle mich nicht als Einzelkind — Alleinerbe hört sich schöner an.“ Wer das wörtlich meint, ist beim Erblasser nicht unbedingt beliebt. So war es auch im Erbfall des Monats:
Ein Landwirt aus einer deutschen Großstadt hatte nur ein Kind aber ein Vermögen im Wert von mehrere Millionen. Das einzige Kind verstand sich nicht allzu gut mit seinem Vater. Auch zu seiner ersten und zweiten Exfrau und einem Teil seiner Kinder hatte er kein gutes Verhältnis. Außerdem war er nicht bereit, den Bauernhof seines Vaters zu übernehmen. Trotzdem stellte ihm sein Vater jahrzehntelang kostenlos ein Einfamilienhaus zur Verfügung, auch noch als der Sohn nach Asien ausgewandert war.
Als dann der Sohn dieses Sohns den Hof des betagten Landwirts übernahm, war der „gefühlte Alleinerbe“ auf seinen eigenen Sohn neidisch – dabei hatte der Altbauer über lange Jahre hinweg immer wieder versucht, seinen Sohn dazu zu bewegen, Nachfolger auf dem Hof zu werden, was der Sohn im Gegensatz zum Enkel aber nicht wollte. Der Enkel des Altbauern machte also die ganze Arbeit auf dem Bauernhof und hatte, wie das in Hofübergabeverträgen oft vereinbart wird, auch noch die Pflege der Großeltern zu leisten.
Der Altbauer wurde mit seiner Situation irgendwann unzufrieden und wollte in das leerstehende Haus ziehen, das der Sohn bisher genutzt hatte. Er wollte, daß sein Sohn zusammen mit Pflegepersonal für ihn sorgt. Erst waren die beiden sich einig, dann wollte der Sohn doch noch einen Monat länger im Ausland bleiben, während sein gebrechlicher Vater nicht länger warten wollte. Da war der „gefühlte Alleinerbe“ endgültig über seinen Vater verärgert und schrieb in einem Brief, daß der alte Herr sich jetzt gefälligst selber um seine Pflege kümmern solle.
Der Sohn weigerte sich auch, das Haus an den Vater herauszugeben, obwohl er nur noch selten für wenige Wochen dort war. Daraufhin verklagte ihn der Vater auf Herausgabe des Hauses.
Der Vater enterbte außerdem seinen Sohn und setzte die Enkel zu Erben ein. Das kann man machen, der Sohn hat dann lediglich sein Pflichtteilsrecht. Dieses Recht übte der Sohn auch aus und verlangte von den Erben, also von seinen eigenen Kindern, den Pflichtteil. Nach etwas Hin und Her erteilten die Kinder nicht nur sehr umfangreiche Auskünfte über den Nachlaß und über Schenkungen, Ausstattungen, Aussteuer usw., die sie von Ihrem Großvater (dem Erblasser) bekommen hatten. Sie überließen ihm auch einen dicken Aktenordner mit Belegen, obwohl das Pflichtteilsrecht eigentlich nicht vorsieht, daß Belege gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten vorgelegt werden müssen. Schließlich zahlten die Erben auch noch € 800.000,- als Pflichtteil.
Davor schon hatten die Erben das Gerichtsverfahren zum Ruhen gebracht, mit dem der Erblasser seinen Sohn auf Herausgabe des kostenlos genutzten Einfamilienhauses verklagt hatte. Wenn eine Prozesspartei stirbt, ist das eine Möglichkeit, um das Verfahren „auf Eis zu legen“. Wenn dann ein paar Jahre lang niemand etwas beantragt, verjähren die Ansprüche, ohne daß der eine dem anderen Prozeßkosten erstatten müßte oder dergleichen. Eigentlich ist das eine gute Möglichkeit, mit der die Erben eines verstorbenen Klägers einen Streit auch im Interesse des Beklagten beenden.
Normalerweise könnte die Geschichte nun zu Ende sein. der „gefühlte Alleinerbe“ brachte es aber zum Erbfall des Monats, indem er seine Kinder mit mehreren Klagen überzog. Er wollte noch mehr Auskünfte und Geld haben. Daher erhob er eine Pflichtteilsstufenklage. Dabei wollte er seine aktuelle Adresse verschweigen, die Kinder aus erster Ehe sollten nicht wisse wo er jetzt wohnt. Das ging schief; wer jemanden verklagt, muß seine Anschrift in der Klage angeben. In unserem Fall machte ihm das der Richter im Lauf des Verfahrens deutlich, so daß er die aktuelle Adresse nachreichen mußte. Außerdem machten er und seine Anwältin noch weitere Fehler: Die Klage wurde erst einmal da erhoben, wo es dem Kläger am bequemsten war. Nachdem der Erblasser wegen des Streits um die Herausgabe des Hauses noch nicht an diesen Ort zurück gezogen war, war dieser Ort aber nicht der besondere Gerichtsstand des Erbstreits; außerdem wohnte ja einer der Beklagten auf dem Bauernhof in dem Landgerichtsbezirk, in dem auch der Erblasser bis zuletzt gewohnt hatte. Nun kam der nächste Fehler: Anstatt die gebührenfreie Verweisung an das andere Landgericht zu beantragen, wurde die Klage zurückgenommen und ein paar Wochen später am anderen Gerichtsort wieder erhoben. Dafür fielen die Prozeßkosten doppelt an, und wer die Klage zurücknimmt, muß auch die Anwälte der Beklagten bezahlen. Die Anwälte der Beklagten rechneten also mit dem Kläger ab.
Als nächstes beantragte der enterbte Sohn, das ruhende Verfahren fortzuführen, in dem sein verstorbener Vater ihn auf Herausgabe des Hauses verklagt hatte. Einige Zeit nach dem Todesfall hat er „freiwillig“ die Schlüssel herausgegeben, so daß die Angelegenheit doch eigentlich erledigt war. Nachdem er es unbedingt „wissen wollte“, bekam er nun aber eine weitere mündliche Gerichtsverhandlung. Hier erklärte ihm der Richter, daß er wohl schon dazu verpflichtet war, das Haus herauszugeben, das sein Vater ihm ohne Mietvertrag und ohne sonst ein dauerhaftes Nutzungsrecht überlassen hatte, bis die beiden am Ende furchtbar zerstritten waren. Seinen Kindern war das Verfahren auch unangenehm, sie wollten alle nur ihre Ruhe haben. Skurril war dann die Behauptung des Enterbten im Gerichtssaal, er habe ein gutes Verhältnis zu seinen Kindern — ein normaler Mensch fragt sich da: Warum verklagt er sie dann so oft?!? Jedenfalls entschied das Gericht, daß der Enterbte das Verfahren verloren hat und nun sowohl die gegnerischen Rechtsanwalts- und Reisekosten als auch die Gerichtsgebühren erstatten muß. Die Gerichtsgebühren hatte noch der Erblasser als Vorschuss ans Gericht bezahlt, und weil das Verfahren ruhte, hätte der enterbte Sohn eigentlich nie etwas bezahlen müssen, wenn er nicht die Fortsetzung des Rechtsstreits mit den Erben (seinen Kindern) verlangt hätte. Nun muß er wegen seiner streitsüchtigen Vorgehensweise einen hohen Betrag an Prozeßkosten erstatten.
Ein Teil der Gerichtsverfahren läuft noch. Am Ende werden in diesem Fall wahrscheinlich mehr als € 100.000,- für Gerichtsgebühren, Rechtsanwaltshonorare und Reisekosten draufgegangen sein. Im Schwabenland nennt man dieses Verhalten, daß einer die Erbschaft verdummt. Ein anderer Umgang mit dem Familienvermögen und seiner Lebenszeit wäre sicher sinnvoller. Man erinnert sich bei solchen Fällen aber auch an die volkstümliche Weisheit, daß jeder als Vorbild dienen kann – und wenn er nur dafür ein Vorbild ist, wie man selber es einmal ganz bestimmt nicht machen will. Immerhin hat der Fall diesen einen positiven Aspekt: Machen wir es besser als dieser Streithansel!