Diesen Monat haben wir die Abwicklung eines internationalen Erbfalls im Blick: Ein US-Bürger verbrachte seinen Ruhestand in Deutschland und hinterläßt nun seine Witwe und ein erwachsenes Kind, die ebenfalls in Deutschland leben. Eigentlich wäre so ein Erbfall einfach abzuwickeln, weil in solchen Fällen dank der EU-Erbrechtsverordnung das deutsche Erbrecht wegen des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Verstorbenen gilt. Und auch fast alle US-Staaten lassen für alles außer Immobilien das nationale Erbrecht des letzten „domicile“ gelten.
In der Praxis gibt es aber doch Hürden, weil die Erben oft nicht wissen, welche Dokumente zu einer Bankverbindung des Erblassers gehören und vor allem wie diese Gelder dann nach Deutschland transferiert werden können. Die englische Sprache ist dabei nur das kleinste Hindernis, die Erben können oft mit den finanztechnischen Ausdrücken nichts anfangen und somit nicht einschätzen, welches Papier etwas wert ist und was zum Altpapier gehen kann. Außerdem müssen die Vorschriften des Bankrechts sowie Richtlinien zur Verhinderung von Geldwäsche beachtet werden.
An diesen Stellen treffen dann auch die Unterschiede der beiden äußerst verschiedenen Rechtsordnungen aufeinander. Bankangestellte kennen in aller Regel nur die Abwicklung nach ihrem eigenen Recht. Die Formulare zur Abwicklung von Nachlässen sind auch nur darauf abgestimmt, was es vor Ort gibt. Die Schwierigkeiten beginnen in deutsch-amerikanischen Erbfällen schon dann, wenn es keinerlei Regelungen des Erblassers gibt. In den USA werden viele Nachlaßverfahren vermieden durch Family Trusts und andere Regelungen, die das umständliche Nachlaßverfahren vermeiden. Wenn es doch ein Nachlaßverfahren geben muß, dann sind in den USA fast nie die Erben zuständig sondern ein „Personal Representative“, in aller Regel ist das ein Testamentsvollstrecker („Executor“); wenn der Erblasser das nicht durch Testament angeordnet hat ein „Public Administrator“, den das Nachlaßgericht („Probate Court“) einsetzt. In Deutschland ist das anders, hier werden fast alle Erbfälle von den Erben abgewickelt.
In unserem aktuellen Erbfall des Monats gab es folgende Vermögenswerte in den USA:
– Savings Accounts mit und ohne „Beneficiary“,
– ein Teil dieser Sparkonten als „IRA Account“ aus der Zeit, als der Verstorbene in den USA gearbeitet hat,
– US Savings Bonds,
– Gift Certificates für Savings Bonds der Federal Reserve Bank,
– Investment Account,
– Orderschecks auf den Namen des Erblassers auch für Dividendenzahlungen nach dem Todesfall.
Worum handelt es sich dabei? Und wie kann der Erbe die Vermögenswerte auf sein deutsches Bankkonto bekommen?
Ein „Savings Account“ ist ein Sparbuch. Die Abwicklung kann recht einfach sein. Allerdings kommt es vor, daß ein Auswanderer seine Sparbücher lange Jahre nicht mehr nachtragen läßt und dann die Bank durch Übernahmen oder Insolvenz nicht mehr die bisherige Bank ist. Hier kann eine Recherche bei der Bankenaufsicht helfen, die aktuellen Ansprechpartner zu finden. Wenn ein „Beneficiary“ (Begünstigter) eingesetzt ist, dann geht die Abwicklung relativ einfach, ähnlich wie bei der Bezugsberechtigung im Todesfall bei Lebensversicherungen. Sonst lösen der bzw. die Erben das Bankkonto auf, was in aller Regel problemlos im direkten Kontakt mit der Bank geht.
Ein „IRA Account“ ist in den USA ein steuerbegünstigtes Konto zur Altersvorsorge. Hier ist sehr häufig vom Kontoinhaber ein Begünstigter eingesetzt worden. Anderenfalls bekommen die Erben das Guthaben. Für die Abwicklung stellt die Bank Formulare zur Verfügung.
„Investement Account“ ist der englische Begriff für Wertpapierdepot. Nachdem die USA das Trennbankensystem streng durchführen, hat ein Anleger in den USA oft mehrere Bankverbindungen, und für die Abwicklung von Wertpapierdepots gibt es dann noch einen „Transfer Agent“. Damit die Erben hier als Inhaber die Verfügungsmacht erhalten, müssen sie ihre rechtliche und wirtschaftliche Berechtigung nachweisen im Rahmen eines „Signature Guarantee Program“, beispielsweise mit einem „Medallion STAMP“. Dabei prüft entweder die kontoführende Stelle oder ein ans jeweilige „Signature Guarantee Program“ angeschlossener Finanzdienstleister, wer die Erben sind und ob deren Unterschriften auf den Formularen auch wirklich von ihnen stammen. Nachdem diese „Signature Guarantee Programs“ nur in den USA und Kanada benötigt werden, ist die Abwicklung aus Übersee schwierig. Es gibt allerdings auch in Europa ein paar wenige Dienstleister, mit denen das sogar auf dem Postweg gemacht werden kann.
Orderschecks machen trotz aller internationaler Abkommen größere Schwierigkeiten. Das liegt einerseits daran, daß Orderschecks nur von der Person eingelöst werden können, die auf dem Scheck genannt ist; dadurch ist sichergestellt, daß der Scheck nicht von einem Postdieb eingelöst werden kann. Nach dem Tod kann diese Person den Scheck aber nicht mehr selbst einlösen. Nachdem das Erbrecht in jedem Land anders ist, reicht es auch nicht aus, einen Erbschein vorzulegen. In den USA werden immer noch häufig Schecks verschickt, beispielsweise für Dividendenzahlungen auf Aktien. Hier sollte zunächst das Depot auf die Erben umgeschrieben werden, um dann die Schecks neu ausstellen zu lassen auf die Namen der Erben. Anderenfalls würde in unserem Erbfall des Monats ein unverhältnismäßig großer Aufwand entstehen, um die Erben bzw. einen davon vom „Probate Court“ (Nachlaßgericht) ermächtigen zu lassen, den Nachlaß selbst abzuwickeln.
US Savings Bonds sind Staatsanleihen, die nur Privatpersonen halten dürfen, also nicht institutionelle Anleger. Seit 2012 werden diese Bonds nur noch in elektronischer Form ausgegeben, die Abwicklung geht dann weitgehend über eine Internetplattform der amerikanischen Regierung. Ältere Savings Bonds liegen noch in Papierform vor; zum Einlösen müssen Formulare ausgefüllt werden, auf der Rückseite jedes Bonds vor den Augen eines US-Konsularbeamten unterschrieben und dann zusammen mit einem Steuerformular per Post eingereicht werden. Die Auszahlung erfolgt auch auf ausländische Bankkonten. Wenn diese Savings Bonds von Eltern oder Großeltern an ein Kind geschenkt wurden, steht normalerweise auch schon der Name des Kindes auf dem Bond, so daß die Einlösung ohne größere Schwierigkeiten möglich ist. Wenn nur der Name des Erblassers auf den Bonds steht, ist der Aufwand beim Einlösen etwas höher.
Gift Certificates für Savings Bonds sind keine Wertpapiere sondern lediglich etwas, was dem Beschenkten beispielsweise zum Geburtstag oder anderen Anlässen übergeben wird, wenn die Savings Bonds an die Adresse des Schenkers gingen. Gerade wenn minderjährige Kinder oder im Ausland ansässige Personen beschenkt wurden, haben diese oft nur das Gift Certificate erhalten. Falls der Savings Bond an sich nicht gefunden werden kann, gibt es trotzdem eine Möglichkeit, ihn einzulösen: Die amerikanische Finanzverwaltung hat ein Formular, mit dem verloren gegangene, gestohlene und beschädigte Savings Bonds eingelöst werden können. Dafür sind möglichst genaue Angaben zum Erwerb des Savings Bonds nötig, also vor allem der Nominalwert und das ungefähre Datum des Erwerbs durch den Schenker.
Bei der Übertragung der Geldanlagen aus den USA nach Deutschland ist regelmäßig auch ein Steuerformular auszufüllen. Dabei wird unterschieden zwischen der steuerrechtlichen Situation von US-Bürgern und von anderen Staatsangehörigen. Das Doppelbesteuerungsabkommen hilft dabei, daß in Deutschland ansässige Nicht-US-Bürger in der Regel nur das einseitige Formular W8-BEN ausfüllen müssen und die Erbschaft dann problemlos transferieren können.
Dieser Überblick zeigt, daß es durchaus möglich ist, geerbte Vermögenswerte aus den USA nach Deutschland zu holen. Allerdings wird ein „normaler Mensch“ ohne Jurastudium und ohne größere Erfahrung mit Verwaltungstätigkeiten sich an der ein oder anderen Stelle überfordert fühlen. Die beste Unterstützung finden Sie dann bei einem Rechtsanwalt, der sich in deutsch-amerikanischen Erbrechtsfällen auskennt und möglichst auch einige Erfahrung mit dem Bankgeschäft hat.