Im aktuellen Erbfall des Monats ist ein Adoptivkind vor den Adoptiveltern verstorben. Die Tochter des Adoptivkindes möchte wissen, ob Ihr etwas vom Nachlaß ihrer Großeltern zusteht. Es gibt es ein Testament der Adoptiv-Großmutter, in dem sie nicht als Erbin vorgesehen ist. Die spannende Frage ist nun, ob sie von den Testamentserben einen Pflichtteil verlangen kann, nachdem sie im Pflichtteilsrecht an die Stelle ihrer verstorbenen Eltern getreten ist.
Im Erbfall spielt die rechtliche Verwandtschaft die entscheidende Rolle. Die gesetzliche Erbfolge ist auf das Verwandtenerbrecht aufgebaut, das dann gegebenenfalls noch durch das Ehegattenerbrecht ergänzt wird. Für die Frage, ob jemand als Erbe in Betracht kommt und im Fall der Enterbung einen Pflichtteilsanspruch geltend machen kann, entscheidet die rechtliche Verwandtschaft, nicht die genetische Abstammung. Durch eine Adoption werden also auch die gesetzlichen Erbansprüche zwischen den Beteiligten neu sortiert.
Eine Adoption begründet „rechtliche Verwandtschaft“, sie bewirkt daß juristisch gesehen ein Familienmitglied hinzukommt. Je nachdem, welche Art von Adoption stattfindet, kann sich diese Wirkung beschränken auf den „Annehmenden“ Adoptivelternteil und den „Angenommenen“, also das Adoptivkind. Bei einer Adoption mit „starker Wirkung“ wird aber auch eine rechtliche Verwandtschaft zu den leiblichen Angehörigen des Annehmenden hergestellt; das ist nach dem heutigen Adoptionsrecht vor allem bei der Adoption eines Minderjährigen der Fall. Außerdem erlöschen bei der Adoption mit starker Wirkung die rechtlichen Verwandtschaftsverhältnisse zu den leiblichen Verwandten des Angenommenen.
Immer wieder beschäftigen „Altfälle“ die Praxis. Bei der Reform des Adoptionsrechts zum Jahreswechsel 1976/1977 wurden große Veränderungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) vorgenommen. Allerdings sieht das Adoptionsgesetz Übergangsregelungen vor, die auch heute noch zur Anwendung des alten Adoptionsrechts führen können. Das betrifft gerade diejenigen Adoptionen, bei denen das adoptierte Kind am Stichtag 01.01.1977 noch keine 18 Jahre alt war. Bei der Lebenserwartung der damals noch jungen Adoptiveltern bedeutet das, daß uns die alte Regelung noch etliche Jahre lang begleiten wird. Was bedeutet das für einen konkreten Erbfall in der Praxis?
Das Gesetz sah vor, daß der Angenommene den Annehmenden beerben konnte und ein Pflichtteilsrecht erhielt. Nach dem alten Adoptionsrecht war es aber auch möglich, im Adoptionsvertrag Regelungen darüber zu treffen, das Erbrecht nach der Adoption einzuschränken. Der Adoptionsvertrag mußte vom Amtsgericht bestätigt werden.
Dazu kommt noch, daß das alte Adoptionsrecht vorsah, daß der die Beteiligten des Adoptionsverfahrens durch eine Erklärung gegenüber dem Amtsgericht Berlin-Schöneberg einen Widerspruch gegen die starke Adoptionswirkung einreichen konnten.
Die Wirkung einer Adoption betrifft im Erbrecht auch die Nachkommen des angenommenen Kindes. Es ist daher wichtig, die Unterlagen einer Adoption möglichst über mehrere Generationen hinweg aufzubewahren. Anderenfalls ist eine gründliche Recherche in den Archiven erforderlich, um festzustellen, wer nach einer Adoption vor 1977 zu welcher rechtlichen Familie gehört.