Erbfall des Monats - September 2015

Erbrecht nach Reform (Europäische Erbrechts-Verordnung)

Eugen Müller hat von seinen Ersparnissen eine kleine Finca auf Mallorca gekauft in einem Dorf mit einigen anderen deutschen Einwohnern, einer deutschen Bäckerei und einem deutschem Arzt. Dort möchte er gern als Rentner zusammen mit seiner Ehefrau wohnen und das warme Klima genießen. Vor einigen Jahren hat er für seine Sommerurlaube in den Alpen bei einer Bank in Südtirol ein Konto mit seiner „Urlaubskasse“ eröffnet. Am Stammtisch hatte er vor kurzem eine Unterhaltung mit Freunden, die sich bei der Abwicklung von Erbschaften gewundert haben, was sie mit Vermögenswerten der verstorbenen Verwandten in europäischen Nachbarländern schon alles an Überraschungen erlebt haben. Nach dieser Unterhaltung vereinbarte Herr Müller einen Termin bei einem Fachanwalt für Erbrecht, damit der ihm die Details erklärt und schaut, ob das Testament gut ist, das Herr Müller „für den Fall der Fälle“ mit Hilfe eines Ratgeber-Buchs zu Hause selbst geschrieben hat.

Der Anwalt erklärte Eugen Müller gleich als erstes, daß die Unterhaltung am Stammtisch Altfälle betrifft; wenn ein Todesfall ab dem 17.08.2105 vorliegt, gilt schon wieder eine ganz andere Rechtslage für diesen Nachlaß. Die EU bringt – aller Kritik zum Trotz – immer wieder Vereinfachungen, indem Regelungen europaweit vereinheitlicht werden. So ist es seit dem Stichtag 17. August bei der Frage, welches nationale Erbrecht anzuwenden ist, wenn ein Erbfall Bezug zum Ausland hat. Dieser grenzüberschreitende Auslandsbezug entsteht sehr häufig, weil ein Ausländer dauerhaft in einem Land lebt aber seine bisherige Staatsangehörigkeit beibehält. Aber auch Vermögen im Ausland kommt oft vor, gerade bei Ferienimmobilien wie etwa einem Haus am Meer oder einer Ferienwohnung in den Alpen. Auch bei Bankguthaben im Ausland liegt ein derartiger Fall vor, bei dem es bisher immer wieder zu Schwierigkeiten bei der Abwicklung kam. Problematisch war vor allem die „Nachlaßspaltung“, wenn etwa das französische Ferienhaus eines deutschen Erblassers mit anderen Erbquoten vererbt wurde als sein restliches Vermögen.

Bei Eugen Müller ist es ein bißchen knifflig, die Auswirkungen der Reform genau vorherzusagen. Das neue internationale Erbrecht regelt zwar, daß der gesamte Nachlaß nach demselben nationalen Erbrecht zu beurteilen ist und daß nur ein einziges Nachlaßgericht für alle Vermögenswerte des Erbfalls zuständig sein soll. Die Anknüpfung ist jetzt aber nicht mehr die Staatsangehörigkeit des Erblassers sondern sein letzter gewöhnlicher Aufenthaltsort. Der Aufenthaltsort ist entgegen aller Gerüchte keinesfalls das selbe wie der melderechtliche Wohnsitz, der im Personalausweis eingetragen ist. Auch der Steuerwohnsitz sagt nichts über den „gewöhnlichen Aufenthalt“ aus. Der Begriff des „gewöhnlichen Aufenthalts“ richtet sich vereinfacht gesagt danach, zu welchem Ort ein Mensch die engste Bindung hat, die auf Dauer angelegt ist.

Wenn Eugen Müller später nach Spanien zieht und dort auch Freunde im „deutschen Dorf“ hat, kann sein „gewöhnlichen Aufenthalt“ die spanische Region Baleares sein, wo ein völlig anderes Erbrecht gilt als in Deutschland. Gerade die „Mallorca-Rentner“, die im Alltag fast alles in deutscher Sprache erledigen können, rechnen aber gar nicht mit einem fremden Erbrecht. Das Testament, das sie vor Jahren in Deutschland ausgeklügelt haben, kann da schnell zu einem ungewollten Ergebnis führen oder wegen Widersprüchen zu gesetzlichen Regelungen einen Erbstreit provozieren. Für dieses Problem gibt es aber auch eine Lösung im neuen europäischen Erbrecht:

Seit 17.08.2015 ist es möglich, eine Rechtswahlklausel für das Erbrecht der Staatsangehörigkeit ins Testament aufzunehmen. Das heißt konkret, daß Eugen Müller im Testament anordnen kann, daß das deutsche Erbrecht für seinen Nachlaß gelten soll. Dann ist egal, ob und wohin er seinen „gewöhnlichen Aufenthalt“ später einmal verlegt. Wenn er will, daß ein deutsches Nachlaßgericht für seinen Nachlaßfall zuständig sein soll, kann er außerdem in seinem Testament anordnen, daß die Erben nur unter der Bedingung etwas bekommen, daß sie den Nachlaßfall bei einem Nachlaßgericht in Deutschland verhandeln; die EU-Verordnung sieht nämlich vor, daß die Begünstigten des Testaments sich auf einen Gerichtsstand einigen können, wo sie dann zum Beispiel das Europäische Nachlaßzeugnis beantragen, das den Erbschein bei grenzüberschreitenden Fällen ersetzt.

Eine Besonderheit kann in Eugen Müllers Fall aber immer noch zu einem größeren Problem führen: Das deutsche Erbrecht kennt Erbverträge und gemeinschaftliche Ehegattentestamente. Diese Regelungen sind in manchen anderen Ländern ausdrücklich verboten, weil dort die Freiheit der willkürlichen Änderung des Testaments einen höheren Stellenwert hat. Italien ist hier besonders streng, so daß Eugen Müller für sein Bankkonto in Südtirol vorsichtshalber nicht mit einem gemeinschaftlichen Testament bzw. Erbvertrag sondern mit einem „normalen“, einseitigen Testament letztwillig verfügt, wer sein Erbe sein soll oder wer das Kontoguthaben als Vermächtnis bekommen soll.

Nachdem es noch keine Rechtsprechung zu den neuen Vorschriften gibt, kann ein juristischer Laie kaum selber absehen, wie die neuen Fachausdrücke vor Gericht ausgelegt werden. Gerade nach einer solchen größeren Reform ist Beratung durch kompetente Fachleute (Fachanwalt für Erbrecht oder Notar) besonders sinnvoll, damit die Erbschaft reibungslos und genau so vererbt wird, wie es vom Erblasser auch tatsächlich gewollt war.

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