Erbfall des Monats - Oktober 2020

Erbfolge planen bei vorverstorbenem Kind

Gerade war ein Mandant (M.) mit wichtigen Fragen in der Beratung zu einem besonderen Fall: Sein Vater (V.) ist verstorben und hat mehrere Kinder aus erster Ehe hinterlassen; im „Berliner Testament“ hat der Vater seine zweite Frau nach kinderloser Ehe zur Alleinerbin bestimmt. Die Großeltern des Mandanten (GV und GM), also die Eltern seines verstorbenen Vaters V., leben noch. Jetzt möchten die GV und GM ihr Erbe regeln und die Familie überlegt, wie das am besten gehen kann. Die zweite Frau des bereits Verstorbenen soll möglichst nichts bekommen, sondern alles an die noch lebenden Kinder K. und an die Enkel des vorverstorbenen V. gehen. Sie befürchten, daß das Testament des V. eine Rolle spielen kann, vor allem wenn nichts geregelt wird; die Befürchtung ist konkret, daß die zweite Frau des V. als seine testamentarische Alleinerbin ins Spiel kommen könnte.
Eine Sorge kann man gleich beiseite legen: Auf zukünftige Erbfälle hat das Testament des V. keine Auswirkungen. Es regelt nur, wer V.s Vermögen erbt. Wenn später seine Eltern GV und GM sterben, bestimmt sich deren Vermögensnachfolge allein nach ihren eigenen Regelungen. Und wenn sie nichts regeln würden, dann würden in der gesetzlichen Erbfolge mit der gleichmäßigen Verteilung in den Familienstämmen V.s Kinder an seine Stelle treten. Eine Schwiegertochter kommt in der gesetzlichen Erbfolge nicht direkt vor und das Testament des V. kann nicht bestimmen, wohin das Vermögen von anderen geht, die ihn überlebt haben.
In einer sauberen Rechtsberatung werden aber auch Fragen beantwortet, die nicht gestellt wurden. Im vorliegenden Fall kam das Gespräch auf die Erbschaftsteuer. Hier wurde ein „Luxusproblem“ sichtbar:  Die Kinder K. und der Enkel M. und seine Geschwister haben bei der Erbschaftsteuer jeweils einen persönlichen Freibetrag von € 400.000. Das ist zunächst einmal sehr viel, was sie steuerfrei erben können. Allerdings gehört GV und GM eine Villa in Hamburg, und die ist mehrere Millionen Euro wert. Relevant für die Erbschaftsteuer ist der Wert des Erbteils jedes Erben im Zeitpunkt des Erbfalls. Das läßt sich nicht exakt planen, immerhin aber grob einschätzen. Falls der Freibetrag nicht ausreichen sollte, müssen die Beteiligten genügend Ersparnisse flüssig halten, um später die Steuer auf den Immobilienwert kurzfristig zahlen zu können. Das Privileg der Steuerbefreiung für ein geerbtes „Familienheim“ gilt nämlich nur für einen von ihnen, der dann außerdem kurzfristig nach dem Erbfall in die Villa einziehen muß. Die Details für die Steuerbefreiung sind nicht immer so, daß es mit den Plänen der Erben für ihr Leben zusammenpassen würde. Zu diesem Punkt überlegt die Familie noch einmal, wie das Vermögen später einmal am besten zwischen den Erben aufgeteilt wird, so daß die Steuer niemanden zum Notverkauf unter Wert zwingt.
Nachdem die Villa den größten Teil des Vermögens von GV und GM ausmacht, spielen sie aber auch mit dem Gedanken an ein „Berliner Testament“, mit dem der länger lebende Ehegatte Alleinerbe wird und die Nachkommen erst als Schluderten nach dem Tod des zweiten etwas erben. Dadurch würde sich die Erbschaftsteuerlast erhöhen, das Vermögen soll nun aber erst einmal für die beiden Ehegatten da sein und erst nach beider Tod für die Kinder bzw. Enkel.
Pflichtteilsansprüche gefährden die gewünschte Absicherung beim Berliner Testament noch stärker, als die Erbschaftsteuer es tut. Daher ist die nächste ungestillte Frage, wie man damit umgehen soll. Daran hat in der Familie noch niemand gedacht. Zur Absicherung von GV und GM könnten ihre Kinder K. und die Enkel M. und seine Geschwister notarielle Pflichtteilsverzichte erklären. Dann wären GV und GM erst einmal abgesichert. Allerdings ist der Pflichtteil gewissermaßen die Verlängerung des Unterhaltsrechts: Pflichtteilsberechtigt sind diejenigen Verwandten in aufsteigender und absteigender Linie, die zu Lebzeiten der Beteiligten gegenüber dem Erblasser zum Unterhalt berechtigt und verpflichtet waren, sofern einer von ihnen bedürftig wurde und der andere leistungsfähig war. Im Augenblick ist das zwar nicht der Fall – aber was ist im Fall eines schweren Unfalls, Krankheit oder im altersbedingten Pflegefall? Wenn die Kinder und Enkel auf ihre Pflichtteile verzichten und dann zum Unterhalt herangezogen werden, wäre das eine schlechte Regelung für sie. Durch eine neue Regelung sind sie allerdings nur noch mit dem Einkommen zum Unterhalt gegenüber Vorfahren verpflichtet, das über € 100.000 Jahreseinkommen hinausgeht. Die meisten Kinder und Enkel brauchen also nicht mehr zu befürchten, daß sie für die Pflegeheimkosten der Eltern bzw. Großeltern aufkommen müssen. Im Erbfall des Monats will es nun aber der Zufall, daß das für einen von ihnen eben doch konkret möglich ist, während die anderen nicht über diese Einkommensgrenze kommen. Damit stellt sich die Frage, wie dieses potentielle Problem gelöst werden soll, daß einer viel bezahlt, ohne etwas vom Familienvermögen zu erben. Die Rechtsberatung endet vorläufig mit der „Hausaufgabe“, daß die Familie sich überlegt, welches Ergebnis für sie alle gut erscheint, Der Fachanwalt für Erbrecht wird dann den passenden Weg zum gewünschten Ergebnis entwickeln.

Falls wir Ihr Interesse geweckt haben, melden Sie sich gerne bei uns.

Wir sind umgezogen

Wir haben einen neuen Standort! Besuchen Sie uns jetzt in der Uhlandstraße 16, 70182 Stuttgart. Freuen Sie sich auf unsere gewohnte Qualität an unserem neuen Ort!