Erbfall des Monats - Januar 2019

Erben gegen Bevollmächtigte

Der Erblasser (Eugen D.) war bis zu seinem Tod verheiratet, lebte aber seit langen Jahren mit einer anderen Frau zusammen, der er auch eine notarielle Generalvollmacht anvertraute. In der Vollmacht waren weitreichende Vertretungsbefugnisse geregelt, es fehlte aber an jeglichem Auftrag, der beispielsweise eine Verjährung der Auskunftsansprüche gegen die Bevollmächtigte geregelt hätte (das wird bei Vollmachten an Verwandte und Freunde allzu oft „vergessen“). Seine Ehe ließ er nicht scheiden, änderte auch nicht sein Testament. Die Lebensgefährtin (Lola S.) war eine „gute Seele“, hatte aber keine größeren Kenntnisse vom Bürgerlichen Recht, das die „Spielregeln fürs richtige Leben“ enthält. Sie übte die Vollmacht aus ohne zu wissen, welche Pflichten damit zusammenhängen.
Die beiden Kinder aus der Ehe besuchten ihn und seine Lebensgefährtin Lola immer wieder, ebenso kamen die Enkel zu Besuch. Wenn die Kinder nicht anwesend waren, sagte er jedoch öfter mal, daß die von seinem Vermögen einmal nichts bekommen werden. Allerdings weigerte er sich, ein Testament oder dergleichen zu machen, obwohl er von verschiedenen Freunden immer wieder dazu ermuntert wurde. Als er bereits 90 Jahre alt war, meinte er immer noch, für solche Regelungen sei später noch genug Zeit.
Irgendwann starb Eugen dann aber doch. Nun werden die Ehefrau und Kinder seine Erben und verlangen von der generalbevollmächtigten Lola Auskunft. Sie weigerte sich erst einmal, weil sie dachte, mit der Vollmacht, die „über den Tod hinaus gilt, auch zur Vertretung der Erben“ sei sie diejenige, die alles zu bestimmen habe. Die Ehefrau und ihre beiden Kinder wußten aber, daß das Vermögen und die Auskunftsansprüche ab dem Erbfall den Erben zustehen. Sie gingen deshalb zum Anwalt, der die Auskunft noch einmal einforderte und eine Kopie eines Antrags auf einen Erbschein vorlegte. In diesem Antrag standen zwei weitere Kinder des Eugen aus einer geschiedenen Ehe als Miterben drin, Lola hatte von ihm in all den Jahren kein Wort über diese geschiedene Ehe und über die weiteren Kinder erfahren. Dementsprechend war sie erst einmal mit den Nerven fertig. Sie spürte aber auch, daß es wohl an der Zeit ist, sich selbst Rat beim Rechtsanwalt zu holen.
Aus der Sicht des Erbrechtlers hat bis hierher niemand wirklich recht. Die Erben sind zwar Rechtsnachfolger des Eugen geworden. Allerdings beweist der Antrag auf einen Erbschein noch überhaupt nicht, wer denn nun wirklich Erbe ist. Das muß erst einmal vom Nachlaßgericht festgestellt werden, das dann entweder den Erbschein ausstellt – oder aber den Antrag abweist. Die Auskunft steht nur dem tatsächlichen Erben zu.
Auf der anderen Seite muß die Bevollmächtigte natürlich schon Auskunft erteilen, was sie alles mit der Vollmacht für den verstorbenen Eugen gemacht hat. Juristische Laien haben hier viele Irrtümer, die schnell zu einem Problem führen. Die Auskunft beschränkt sich nicht auf Überweisungen vom Bankkonto des Vollmachtgebers auf das Konto der Bevollmächtigten. Auch Barabhebungen auf Eugens Anweisung hin sind anzugeben, auch wenn ihm das Geld fünf Minuten später ausgehändigt wurde; auch hier hat Lola in Vollmacht für Eugen gehandelt und muß darüber Auskunft geben.
Erbschaften haben allerdings nicht nur mit Paragraphen zu und Rechtsansprüchen zu tun. Es geht fast immer auch um die unterschiedliche emotionale Situation der Beteiligten, die zu Lebzeiten in irgendeiner Weise eine intensive (positive oder negative) Beziehung zum Erblasser hatten; und manchmal ist auch die Beziehung der Hinterbliebenen untereinander das, was entscheidet über aufreibenden Streit oder gute Abwicklung des Nachlasses. Manchmal ist daher es sinnvoll, etwas mehr Auskünfte zu erteilen, als das Gesetz einen dazu verpflichtet. In anderen Fällen sollte man aber besser nicht zu viele Informationen weitergeben, weil sonst immer neue Ansprüche erhoben werden oder weil es manchmal Gründe zur Verschwiegenheit gibt. Die Entscheidung darüber ist oft eine Gratwanderung, bei der ein erfahrener Fachmann. Noch besser wäre es gewesen, Eugen und Lola hätten zu seinen Lebzeiten einen Auftrag formuliert, wie Lola die Vollmacht ausüben soll, wer wie viele Jahre lang Auskunft von ihr verlangen kann, inwiefern ihre Haftung für leicht fahrlässige Fehler begrenzt wird usw. Im vorliegenden Erbfall ist es dafür zu spät, für die vielen anderen Vollmachten ohne klaren Auftrag ist dieser reale Fall aber eine Erinnerung daran, diese wichtige Regelung nachzuholen.

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