Erbfall des Monats - Juli 2016

Digitaler Nachlass

Was passiert eigentlich mit unseren „digitalen Lebensspuren“ nach unserem Tod? Und wem stehen Rechte an Accounts bei den Social Media-Diensten wie beispielsweise Facebook zu? Mit dieser Frage beschäftigt sich derzeit die Justiz in Berlin. Nachdem das Landgericht in Berlin-Charlottenburg letzten Dezember das vermutlich erste Urteil zum digitalen Nachlaß verkündet hat, das in Deutschland bisher veröffentlicht wurde, läuft derzeit noch das Berufungsverfahren beim Kammergericht. Worum geht es in dem Rechtsstreit und wie ist die Rechtslage – Jahrzehnte nach Erfindung des Internet? Was steht dazu im „Internetgesetz“?

Zunächst einmal ist eines für Juristen einfach: Alte Gesetze passen oft überraschend gut auf neue Sachverhalte, so daß das Internet nur in wenigen Bereichen spezielle Regelungen nötig machte und ansonsten die allgemeinen Gesetze ganz gut auf die modernen Realitäten im Netz angewendet werden können. Deshalb gibt es auch kein „Internetgesetz“ sondern allgemein gültige Gesetze für die einzelnen Sachverhalte, die im Netz wie auch anderswo vorkommen. Beim Digitalen Nachlaß geht es unter anderem um Rechte an Bildern, an Videos, an kreativen Texten oder auch um Forderungen aus Konten bei Paypal oder bei Bitcoin-„Börsen“. Für Bilder, Videos und Texte gelten Urheberrechte unabhängig davon, ob diese in einer Zeitung, auf einer altmodischen VHS-Videokassette oder heute eben auf einem digitalen Datenträger, im Internet auf einer Website oder in einem Stream zu sehen sind. Und bei Paypal-Konten haben wir es mit einem Unternehmen zu tun, das über eine europäische Banklizenz verfügt, so daß Konten dort weitgehend mit Online-Banking bei einer herkömmlichen Bank vergleichbar sind.

Etwas anders war der spezielle Fall, der die Berliner Justiz beschäftigt: Eine Jugendliche hatte ein Facebook-Account. Sie starb in einer S-Bahn-Station und die Eltern, die gleichzeitig ihre Erben sind, wollten ihre letzten Nachrichten lesen, um einen möglichen Suizid zu verstehen. Als der Todesfall beim Dienstanbieter (Facebook) bekannt wurde, stellte der den Account auf „Gedenkstatus“ um, Nachrichten konnten nicht mehr gelesen werden. Dagegen richtet sich die Klage mit dem Ziel, daß den Erben Zugriff auf die Nachrichten gewährt wird. Das Landgericht entschied zu Gunsten der Eltern. Begründet wurde das vor allem mit einem Vorrang des Erbrechts vor dem Datenschutz. Beim Datenschutz ist im Internet eine Reihe konkreter Vorschriften zu beachten, die im Telekommunikationsgesetz, im Strafgesetzbuch und anderen Gesetzen stehen und das Fernmeldegeheimnis schützen; das ist auch ein Grund dafür, daß Dienstanbieter hier vorsichtig sind.

Hier kann man kritisch anmerken, daß Datenschutz den Deutschen als heilige Kuh gilt. Außerdem gibt es im Verfassungsrecht kein Rangverhältnis zwischen den Grundrechten, das Erbrecht (GG Art. 14) steht also grundsätzlich gleichberechtigt neben den anderen Grundrechten, hat aber keinen Vorrang. Allerdings haben das Bundesverfassungsgericht und auch der Bundesgerichtshof in anderen Zusammenhängen immer wieder entschieden, daß nach dem Tod das Persönlichkeitsrecht nur noch geringe Bedeutung hat – und Datenschutz hat seine Verankerung in den Grundrechten eben über das „allgemeine Persönlichkeitsrecht“.

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