Erbfall des Monats - November 2020

Bei Rechtsberatung Fehler vermeiden

Wir möchten, daß Ihre Rechtsberatung ein gutes Erlebnis wird. Damit das gelingt, schildern wir heute einen Beispielsfall für vermeidbare Fehler, wie er landauf, landab fast täglich passiert. Jeder erfahrene Erbrechtsberater denkt ungern daran, hat es aber schon so oft erlebt:
Die Mandantin kommt zur Beratung zum Fachanwalt für Erbrecht, weil sie ein schwerbehindertes Kind und „ein bißchen“ Vermögen hat. Ein Sozialarbeiter der Einrichtung, in der dieses Kind lebt, hat ihr dringend zu dieser Beratung geraten, damit das Kind durch ein sog. „Behindertentestament“ gut abgesichert werden kann. Es gibt noch mehrere weitere Kinder. Soweit so gut, bis jetzt läuft alles perfekt.
Allerdings verschweigt die Mandantin dem Rechtsberater eines der Testamente, die sie sich in den letzten Jahren selber ausgedacht und handschriftlich abgefaßt hat. Dann verneint sie im Beratungsgespräch auch noch die Frage nach größeren Schenkungen, obwohl sie vor ein paar Jahren mehrere Immobilien unter Vorbehalt des Nießbrauchs an die anderen Kinder geschenkt hat.
Durch Zufall erfährt der Rechtsanwalt dann doch noch, daß es diese Schenkungen und das Testament gibt. Warum ist es so wichtig, daß ein Rechtsanwalt in der Beratung über alles bescheid weiß?
Das verschwiegene Testament kann dann zum Verhängnis werden, wenn es ein gemeinschaftliches Ehegattentestament ist und außerdem wechselbezügliche Verfügungen mit Bindungswirkung enthält. Wenn das der Fall ist, sind spätere Testamente unwirksam. Als Experte für Erbrecht könnte man in einem solchen Fall allerdings manchmal mit anderweitigen Regelungen helfen – wenn man denn wüßte, was in dem Testament steht, das die Mandantin einem verschweigt.
Die Schenkungen, die ebenfalls verschwiegen wurden, können im Handumdrehen zum Verhängnis für die ganze Familie werden: Schenkungen spielen beim Pflichtteilsergänzungsanspruch eine Rolle. Durch den Vorbehalt des Nießbrauchs hat die Schenkerin sich selber wirtschaftlich abgesichert. Dadurch hat sie allerdings auch verhindert, daß der Pflichtteilsergänzungsanspruch innerhalb von zehn Jahren abgeschmolzen wird. Somit droht die Gefahr, daß nach ihrem Tod der Sozialhilfeträger den Pflichtteilsergänzungsanspruch überleitet. Für die restliche Familie bedeutet das einen Liquiditätsengpaß. Sie müssen dann nämlich die Pflichtteilsquote am Wert des Nachlasses und der ergänzungspflichtigen Schenkungen ans Amt zahlen. Außerdem geht der Pflichtteil dann ohne die Absicherung des behinderten Kindes direkt an den Sozialhilfeträger für das, was die letzten zehn Jahre an das behinderte Kind als Existenzminimum geleistet wurde. Ein Behindertentestament würde im Gegensatz zum Pflichtteil dafür sorgen, daß die Lebenssituation des Behinderten verbessert wird durch Testamentsvollstreckung mit Auflagen zur Verwendung der Mittel aus dem Erbteil. Über den Pflichtteil kann man aber keine Testamentsvollstreckung anordnen, der abzusichernde Behinderte muß dafür mehr bekommen als nur den Pflichtteil.
Am Ende der Beratung schickte der Fachanwalt dann einen Entwurf für ein Testament an die Mandantin. In einem Begleitschreiben erklärte er, wie das Testament wirksam errichtet wird: „Sie müssen es noch handschriftlich abschreiben und mit Ort sowie aktuellem Datum unterschreiben.“ Die Mandantin blieb jedoch ihrer widerspenstigen Art treu und ließ ihre Tochter eine eMail an den Anwalt schreiben, daß sie einfach den ausgedruckten Entwurf unterschreiben und beim Nachlaßgericht hinterlegen werde. Sie habe nämlich „aus gesundheitlichen Gründen“ keine Lust, das Testament eigenhändig abzuschreiben. Das wollte sie so machen, obwohl sie die Beratung schwarz auf weiß hatte, daß so daß kein wirksames Testament errichtet wird.
Warum machen viele Mandanten so etwas, daß sie dem Berater derart wichtige Informationen selbst dann verschweigen, wenn sie ausdrücklich danach gefragt werden? Das ist schwer zu sagen und überhaupt nicht sinnvoll. Familienvermögen wird damit kaputtgemacht, ohne daß im vorliegenden Fall der Behinderte etwas davon hätte. Bei einer Abrechnung des Rechtsanwalts nach Stundenhonorar spielt nicht einmal eine Rolle, daß viele Mandanten bei Notaren oder bei anderen Beratern mit Abrechnung nach Gegenstandswert einige Vermögenswerte verschweigen, um das Honorar durch Betrug niedrig zu halten. Erfahrungsgemäß schimpfen dieselben Leute dann aber am lautesten über ein Beratungsergebnis, das weder zur Vermögensstruktur paßt noch jemals auf Steuerproblematik jenseits der Freibeträge hingewiesen hat. Wieso sollte der Berater das denn tun, wenn das Vermögen nach Angaben des Mandanten bequem in die Steuerfreibeträge paßt? Man kann nur hoffen, daß die Leser dieses Berichts über einen konkreten, aktuellen Fall daraus lernen, es besser zu machen: Sagen Sie Ihrem Rechtsanwalt alles, worauf es ankommen kann – geben Sie ihm lieber zu viel als zu wenig Informationen.

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