Erbfall des Monats - Oktober 2016

Als Gläubiger zu hoch gepokert

Der Erbfall des Monats zeigt uns dieses Mal, wie wir uns geschickter verhalten können als es eine große Wohnungsbaugesellschaft getan hat bei einem vermögenslosen Nachlaß ihres verstorbenen Wohnungsmieters.

Wenn Ihnen jemand etwas schuldet, beispielsweise die Wohnungsmiete, dann bleibt Ihre Forderung über dessen Tod hinaus bestehen. Als deutsche Besonderheit im Erbrecht müssen die Erben die geerbten Verbindlichkeiten bedienen – eigentlich. Im Detail steckt für manchen eine Überraschung: Die Erben können die Haftung beschränken auf den Nachlaß. Wenn das passiert, dann sollte der Gläubiger schnell mitdenken und taktisch geschickt vorgehen.

Im aktuellen Fall hat die Verwalterin beim Vermieter nur gewußt, daß der verstorbene Mieter von Hartz-4 lebte. Die Miete wurde pünktlich vom Sozialamt bezahlt, aber nur so lange wie der Mieter lebte, nach seinem Tod wurden die Zahlungen eingestellt, jeden Monat kamen neue Mietschulden dazu. Die Erben oder sonstige Verwandte waren der Vermieterin nicht bekannt. Das Mietverhältnis mußte jetzt möglichst schnell beendet und die Wohnung geräumt werden.Der Vermieter darf das nicht eigenmächtig machen, sonst macht er sich straf bar wegen Hausfriedensbruch und beim Wegschaffen der Einrichtung außerdem wegen Einbruchsdiebstahl und ggf. Sachbeschädigung. In unserem Fall machte die Vermieterin im ersten Schritt noch das beste, was in solchen Situationen möglich ist: Sie beantragte beim Nachlaßgericht die Bestellung eines Nachlaßpflegers, der für die unbekannten Erben den Nachlaß verwalten sollte.

Der Nachlaßpfleger sah, daß in diesem Nachlaß praktisch kein Geld vorhanden war und die Wohnung definitiv nicht mehr benötigt wurde; die Einrichtung war ziemlich wertlos und Kosten fürs Einlagern hätten sich nicht gelohnt, selbst wenn Geld für eine Lagermiete da gewesen wäre. Tatsächlich reichte das vorhandene Geld aber nicht einmal aus, um die Entrümpelung zu bezahlen. Also bot der Nachlaßpfleger der Vermietungsgesellschaft einen Aufhebungsvertrag an, mit dem die Wohnungseinrichtung an die Vermieterin übereignet worden wäre, damit die Vermieterin die Räumung veranlassen darf. Der Vorteil für die Vermieterin wäre gewesen, daß sie die Wohnung kurzfristig anderweitig hätte vermieten können.

Die zuständige Angestellte der Vermieterin pokerte aber hoch und bestand darauf, daß im Aufhebungsvertrag eine Zahlung auf die rückständige Miete vorgesehen wird. Der Nachlaßpfleger erkannte sofort, daß er so eine Vereinbarung nicht unterschreiben darf, schließlich war im Nachlaß kein Geld und mit dem haltlosen Versprechen einer Zahlung hätte er sich wegen Betrugs strafbar gemacht. Also wiederholte er sein Angebot, daß er die Wohnungsschlüssel kurzfristig zurückgibt, die Wohnung von der Vermieterin geräumt wird und der Nachlaß mit der Vermieterin „quitt“ ist.

Die Vermieterseite lehnte das Angebot wieder an und drohte eine Räumungsklage an. Den Nachlaßpfleger beeindruckte das überhaupt nicht, er beantragte einfach beim Amtsgericht ein Nachlaßinsolvenzverfahren. Nachdem das Vermögen im Nachlaß nicht einmal ausreichte, um die Kosten des Insolvenzverfahrens zu bezahlen, wurde der Insolvenzantrag „mangels Masse“ abgewiesen. Mit diesem Beschluß des Insolvenzgerichts ist die Haftung beschränkt auf den Nachlaß, Gläubiger des Erblassers kommen jetzt nicht mehr an das Vermögen der Erben ran; wenn der ursprüngliche Gläubiger nicht gestorben wäre, hätten sie ja erst recht nicht Leistungen von anderen auf ihre Forderung verlangen können.

Für die Vermieterin einer Wohnung kommt jetzt freilich ein „kleines Problemchen“ dazu: Die Wohnung kann noch immer nicht geräumt werden und das Nachlaßgericht hat den Nachlaßpfleger gebeten, nicht weiter tätig zu werden. Schließlich muß die Staatskasse das Honorar für den Nachlaßpfleger bezahlen. Wer handelt jetzt für den Nachlaß?

Immerhin konnte noch eine Schwester des verstorbenen Schuldners/Wohnungsmieters ermittelt werden, die möglicherweise Erbin ist. Die Vermieterin kann diese Verwandte nun bitten, die Wohnung freiwillig zu räumen. Der Haken an der Sache ist aber, daß die Schwester in Serbien lebt und kein Wort deutsch spricht. Mit dem „harten Verhandlungsstil“ trotz messelosem Nachlaß hat die Vermieterin hier eine verfahrene Situation provoziert. Und gleichzeitig sitzt ihr die Stadtverwaltung im Nacken, weil die subventionierte Sozialwohnung seit Monaten dringend für einen anderen Mensch benötigt wird.

Die Leser des Erbrechts-Blogs werden bestimmt derartige Fehler vermeiden und bei masselosem Nachlaß lieber einen Aufhebungsvertrag unterschreiben, der größere Verluste verhindert – oder einen Fachanwalt für Erbrecht fragen, was es für Möglichkeiten zur Verlustbegrenzung gibt

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