Pflichtteilsstufenklage, Auskunftsansprüche zu Vollmachten und Kontoverträgen, Beleganspruch bzgl. Erbschaftsteuermitteilung
§§ 2303, 2311, 2314 BGB; § 254 ZPO; § 33 ErbStG
Der Pflichtteilsberechtigte kann vom Erben in Bezug auf Kapitalvermögen die Vorlage von Mitteilungen an die Erbschaftsteuerstelle gemäß ErbStG § 33 verlangen.
(Leitsätze des Einsenders)
LG Stuttgart Versäumnisurteil v. 14.02.2024 – 7 O 191/23
(mitgeteilt von Rechtsanwalt Stefan Mannheim, Stuttgart)
1. Der Beklagte Ziff. 1 wird im Wege der Stufenklage verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen über den Nachlaß des Erblassers, dessen letzter Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthaltsort […] Remseck war, durch Vorlage eines Bestandsverzeichnisses, das folgende Punkte umfaßt:
1.1. alle beim Erbfall vorhandenen Sachen und Forderungen, einschließlich digitaler Positionen mit möglichem Wert und einschließlich bedingter, ungewisser oder unsicherer Rechte sowie verjährter Forderungen des Erblassers, solange der Schuldner dieser Forderung die Verjährungseinrede nicht erhebt und darüber hinaus auch eine anderweitige Realisierung der Forderung, etwa durch Aufrechnung, endgültig ausscheidet (Aktiva). Bei Kapitalvermögen ist die Mitteilung an die Erbschaftssteuerstelle gem. § 33 ErbStG vorzulegen,
1.2. alle beim Erbfall vorhandenen Nachlaßverbindlichkeiten (Erblasser- und Erbfallschulden),
1.3. alle möglicherweise ergänzungspflichtigen Zuwendungen einschließlich gemischter Schenkungen, die der Erblasser innerhalb von 10 Jahren vor dessen Todestag getätigt hat
(BGB § 2325), also insbesondere Schenkungen, auch gemischte Schenkungen bzw. durch vorwegegenommene Erbfolge erfolgte Zuwendungen, Erlaß von Forderungen (§ 397 BGB), Pflicht- und Anstandsschenkungen Lebensversicherungen und sonstige Verträge zugunsten Dritter, und zwar unter Benennung des Zuwendungsvollzuges (Eigentumsübergang). Diese Angaben sind unabhängig von einer Frist zu erteilen, wenn der Erblasser sich Nutzungsrechte wie einen Nießbrauch oder ein Wohnungsrecht vorbehalten hat, den Gegenstand tatsächlich (weiter) genutzt hat, Widerrufs- oder Rückübertragungsrechte vereinbart hat oder diese Zuwendung einschließlich unbenannten Zuwendungen seinem seinerzeitigen Ehegatten gewährt hat und die Ehe zur Zeit des Erbfalls nicht schon mehr als 10 Jahre beendet war. Ebenfalls sind unabhängig von einer Frist sämtliche gem. BGB §§ 2050 ff ausgleichspflichtigen Zuwendungen anzugeben, Ausstattungen, Zuschüsse zur Verwendung als Einkünfte und zur Ausbildung und Zuwendungen mit der Bestimmung der Anordnung der Ausgleichung auf den Erbteil mitzuteilen.
1.4. alle Veräußerungen und deren Vertragsbedingungen, wenn Umstände die Annahme nahelegen, es könne sich zumindest teilweise um eine Schenkung handeln, – die Person des Zuwendungsempfängers und das der Verfügung zugrundeliegende Rechtsverhältnis (Valutaverhältnis), – sämtliche vom Erblasser geschlossenen Eheverträge – sämtliche Kontoverträge des Erblassers, sowie etwaige Berechtigungen des Ehepartners an Einzelkonten des Erblassers,
1.5. alle möglicherweise ausgleichungspflichtigen Zuwendungen, die der Erblasser zu Lebzeiten an Abkömmlinge getätigt hat,
1.6. alle möglicherweise ausgleichungspflichtigen Leistungen, die der Erblasser zu Lebzeiten von Abkömmlinge erhalten hat,
1.7. ob der Erblasser zur Zeit seines Todes verheiratet war und wenn ja, den Güterstand, in dem der Erblasser verheiratet war,
1.8. mitzuteilen ist, ob und ggf. wem der Erblasser Vollmacht erteilt hat, über sein Vermögen, insbesondere über seine Bankkonten, zu verfügen und ob in diesem Zusammenhang Forderungen des Nachlasses gegen Bevollmächtigte bestehen, und bei dessen Erstellung die Klägerin anwesend ist, wobei sie sich durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen kann.
2. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Veröffentlicht in der Zeitschrift ErbR 2024, 557-556, Nomos-Verlag