„Laut Testament ist mein Vater Alleinerbe. Dürfen meine Geschwister Gegenstände einfach aus der Wohnung mitnehmen?“ war eine Anfrage, die vor kurzem über eine andere Website von Rechtsanwalt Stefan Mannheim gestellt wurde.
Im Bürgerlichen Gesetzbuch ist gleich am Anfang des Erbrechts geregelt, daß im Todesfall das gesamte Vermögen des verstorbenen, also des Erblassers, auf den Erben übergeht (BGB § 1922 I). Das bedeutet, daß alle Gegenstände mit Vermögenswert dem Erben zustehen, selbst wenn der Wert sehr gering ist. Deshalb dürfen diejenigen Familienangehörigen, die nicht Erbe geworden sind, nichts davon mitnehmen. Wie gesagt gilt das für Gegenstände mit wirtschaftlichem Wert, die also verkauft werden können, auch wenn der Erlös sehr gering wäre. Gegenstände ist übrigens ein juristischer Fachausdruck, es ist der Oberbegriff für Sachen und Rechte.
Reine Erinnerungsstücke sind im Erbrecht etwas komplizierter zu beurteilen. Wenn es definitiv keinerlei materiellen Wert gibt, handelt es sich nicht um einen Vermögensgegenstand. Der Erbe wird aber nur Gesamtrechtsnachfolger für Vermögensgegenstände des Erblassers. Für Familienfotos, Liebesbriefe und andere Erinnerungsstücke kann das im Einzelfall bedeuten, daß sie nicht dem Erbe zustehen. Sofern lediglich das Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen betroffen ist, kommt es im Einzelfall in Frage, daß die nächsten Angehörigen Vorrang vor dem Erben haben. Dabei ist es in der Praxis allerdings immer noch schwer genug, im Einzelfall die Abgrenzung zwischen Vermögenswert und rein persönlichem Gegenstand vorzunehmen. Bei Familienfotos von Prominenten gibt es nämlich durchaus einen Marktwert, und Liebesbriefe eine poetisch begabten Menschen können auch über das Urheberrecht einen wirtschaftlichen Wert haben.
Die Antwort, ob im Beispiel der Anfrage am Anfang des Erbfalls dieses Monats die Geschwister am Erben vorbei Sachen wegnehmen dürfen, ist trotzdem leicht: Wenn es Geschwister sind, sind sie gleich nahe Angehörige. Ohne Absprache untereinander sollten sie gar nicht erst daran denken, aus der Wohnung des Erblassers irgendwelche Sachen mitzunehmen.