Bei der Berechnung des Pflichtteils stellt sich für den Erben die Frage: Welche Kosten können bei der Berechnung des Anspruchs eines Enterbten berücksichtigt werden, der zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten gehört? Umgekehrt stellt sich für den Pflichtteilsberechtigten die Frage, welche Abzüge er vom Wert der Vermögensgegenstände hinzunehmen hat.
Das Bürgerliche Gesetzbuch stellt ab auf den „Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls“. Das sind einerseits positive Vermögenswerte, andererseits auch Verbindlichkeiten des Erblassers und diejenigen Verbindlichkeiten, die durch den Erbfall verursacht wurden und den Erben gerade in der Eigenschaft als Erbe treffen mit Ausnahme der durch Testament verursachten Verbindlichkeiten des Erben (also beispielsweise der Pflichtteilsanspruch selbst, Vermächtnisse, Auflagen). Im Gesetz gibt es aber keine Liste mit Beispielen, welche Kosten solche Nachlaßverbindlichkeiten sind. Es hilft in der Praxis auch nicht, auf das zu vertrauen, was der gegnerische Anwalt einem schreibt; der kann nämlich versuchen, ob er im Interesse seiner Mandantin mit einer rechtswissenschaftlich gerade noch vertretbaren Ansicht durchkommt, die im Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung steht.
Die abzuziehenden Verbindlichkeiten des Erblassers sind z.B. Schulden, die er bei der Bank hatte. Auch bei offenen Rechnungen aus der Zeit vor dem Todesfall besteht kein Zweifel, daß sie bei der Pflichtteilsberechnung berücksichtigt werden können.
Kosten der Testamentseröffnung werden ebenfalls vom Wert des Nachlasses abgezogen.
Die Bestattungskosten hat der Erbe gemäß BGB § 1968 zu tragen, weshalb sie auch bei der Pflichtteilsberechnung berücksichtigt werden. Hier wird allerdings oft in einen Topf geworfen, was das Erbrecht auseinanderhält: Bestattung und Grabpflege sind „zwei Paar Stiefel“. Die Kosten der Grabpflege gehören nicht mehr zur Bestattung, nur das erstmaliges Anlegen des Grabs wird anerkannt. Es gibt zwar ein Urteil des Landgerichts Heidelberg, das bei der Pflichtteilsberechnung auch Kosten der Grabpflege für die Liegedauer gemäß Friedhofsatzung zu Lasten des Pflichtteilsberechtigten akzeptiert hat. Dieses Urteil ist jedoch juristisch nicht sauber begründet und hat eine Grundlage eher in moralischen Pflichten, nicht jedoch in Rechtspflichten. Besonders wichtig ist bei der Beurteilung dieser Frage nämlich auch, daß die Grabpflege den nächsten Angehörigen zusteht und diese verpflichtet, nicht jedoch den Erben in der Eigenschaft als Erbe – und durch Bestimmungen im Testament können die Erben und die nächsten Angehörigen ganz andere Personen sein.
In letzter Zeit werden gerne auch Kosten für die Unterstützung des Erben durch einen Rechtsanwalt beim Erstellen des Nachlaßverzeichnisses aufgeführt. Das braucht der Pflichtteilsberechtigte sich allerdings nur bei einer Schwierigkeit des Nachlasses gefallen zu lassen, die es ihm praktisch unmöglich macht, die Auskunft selbst zu erteilen. Fehlende Kenntnisse des Erben im Erbrecht reicht dabei nicht aus, um den Pflichtteilsberechtigten an den Anwaltskosten zu beteiligen. Ob es sinnvoll ist, den Erben solche Mühen aufzuerlegen, ist eine Frage – die Regelung im Gesetz gibt jedoch nichts dafür her, daß die Kosten anwaltlicher Unterstützung als Nachlaßverbindlichkeiten anerkannt werden könnten. Lediglich beim notariellen Nachlaßverzeichnis ist vorgesehen, daß die Kosten dem Nachlaß und damit auch dem Pflichtteilsberechtigten zur Last fallen. Im eigenen Interesse sollte der Erbe aber schon überlegen, ob er nicht doch auf eigene Kosten die Hilfe eines qualifizierten Fachmanns in Anspruch nimmt, um den „schwierigen Dschungel“ des Erbrechts ohne Blessuren zu durchwandern.
Zum Streit kommt es immer wieder auch über Kosten einer Testamentsvollstreckung. Diese Kosten treffen zwar den Erben. Der Pflichtteilsanspruch des enterbten Verwandten wird dadurch aber nicht geschmälert. Sonst könnte der Erblasser den Pflichtteil ins Leere laufen lassen, indem er einen guten Teil des Erbes in das Honorar des Testamentsvollstreckers fließen läßt. Der Pflichtteil heißt aber so, weil gegenüber nahen Angehörigen dieser Teil des Erbes Pflicht ist. Kosten der Testamentsvollstreckung werden lediglich in den Ausnahmefällen bei der Pflichtteilsberechnung berücksichtigt, in denen Sie gerade dem Pflichtteilsberechtigten etwas nützen, beispielsweise bei der „Pflichtteilsbeschränkung in guter Absicht“ gemäß BGB § 2338 für Überschuldete, Alkoholiker oder Verschwendungssüchtige.
Erbschaftsteuer trifft zwar den Erben. Allerdings ist die Steuerpflicht eine persönliche Pflicht des Zuwendungsempfängers,
Aktuell hat eine Erbin ihren Anwalt mit einer besonders „kreativen“ Auflistung von Verbindlichkeiten überrascht: Sie ließ sich von einem Steuerfachgehilfen, der im Erbrecht überhaupt keine Beratung anbieten darf, ein Verzeichnis erstellen. Und in diesem Verzeichnis wurden großzügige Beträge aufgeführt für „Beratung zur Erbschaftsteuererklärung“, die keineswegs abzugsfähig waren. Außerdem wurde ein fünfstelliger Betrag für Testamentsvollstreckung in die Tabelle aufgenommen, obwohl im Letzten Willen des Erblassers überhaupt keine Testamentsvollstreckung angeordnet war. Wenn ein derartiges Nachlaßverzeichnis an den Pflichtteilsberechtigten übergeben wird, sind Mißtrauen und ein heftiger Streit vorprogrammiert. Mit einer Beratung durch einen kompetenten Fachmann für Erbrecht würden hier die Ansprüche viel sachlicher und ohne unnötige Konflikte abgewickelt.