Auswanderer hinterlassen meist eine Erbschaft in ihrer neuen Heimat, ihre Erben sind jedoch oft Verwandte im alten Heimatland. Wenn dann mit keinem Testament und auch sonst keinerlei Regelung vorgesorgt ist, tun sich die „daheimgebliebenen“ Erben schwer mit der Abwicklung. Diesen Monat haben wir folgenden Fall auf dem Schreibtisch:
Eine junge Frau zog nach Amerika, ihr Bruder blieb hier in Deutschland. Die Emigrantin (Heidi) war verheiratet, blieb aber kinderlos. Dafür hatten sie und ihr amerikanischer Mann finanziell durchaus Erfolg.
Als Heidi verstarb, war der nächste Verwandte ihr Bruder Alfred in Deutschland; ansonsten gab es noch einen Neffen (Joe), der genauso wie die Erblasserin in indie USA gegangen war. Als sie starb, fand sich kein Testament, keine Trust-Dokumente und auch sonst keinerlei Regelungen zum Nachlaß. Das hinterlassene Vermögen summierte sich auf rund eine Million US-Dollar. Neben den eigenen vier Wänden im Bundesstaat New Jersey war da eine Ferienwohnung auf Hawaii und auch eine ansehnliche Geldanlage bei einer Bank.
Die Verwandten standen nun vor der Frage, wie der Nachlaß denn nun abgewickelt wird – und wer denn überhaupt Erbe geworden ist. Hier gibt es im Erbrecht sehr große Unterschiede zwischen den Rechtstraditionen in Deutschland und in den USA bzw. den Erbrechten der einzelnen US-Staaten. In New Jersey ist es so geregelt: Wenn einzelne Geschwister noch leben, schließen diese die Nachkommen der vorverstorbenen Geschwister aus. Das heißt, Alfred erbt nach dem Erbrecht von New Jersey als Bruder alles, Joe als Neffe geht dagegen leer aus; in Deutschland wäre das bereits anders, weil bei uns nach Linien und Stämmen gleichmäßig vererbt würde.
Alfred wußte das zunächst nicht, seine deutsche Anwältin auch nicht. Beide dachten, daß die Erbschaft in Amerika schon irgendwie ähnlich laufen werde, wie sie es aus Deutschland gewohnt seien. Dieser Irrtum sorgte dann auch für die ersten Verstimmungen, als Alfred dem Angebot des Neffen Joe nicht zustimmte, daß der die Nachlaßverwaltung als „Administrator“ übernehmen solle. Joe war dazu bereit, diese Aufgabe zu übernehmen, weil er in derselben Stadt wohnt wie seine verstorbene Tante Heidi; er schrieb an Onkel Alfred, daß er dafür die „übliche Vergütung“ berechnen werde.
Alfred dachte an dieser Stelle, daß der Neffe gierig sei, zu seinem vermeintlichen Erbteil noch Geld für „das bißchen Nachlaßabwicklung“ zu verlangen. Dabei übersah Alfred, daß er selber alleiniger Erbe geworden war und sein Neffe Joe bereit war, die dazugehörige Arbeit der korrekten Nachlaßabwicklung für den gesetzlichen Vergütungssatz zu machen. Eine Besonderheit in New Jersey ist, daß dort im Gesetz geregelt ist, wieviel Prozent vom Nachlaßwert für die Abwicklung eines durchschnittlichen Erbfalls durch Testamentsvollstrecker oder sonstige Abwickler berechnet werden.
Eine weitere Irritation trat auf, als Joe von Alfred wünschte, daß der ein Formular des „Surrogate Court“ (Nachlaßgericht) unterschreibe, das unter der Überschrift „Renunciation“ (Verzicht) einen Verzicht auflistete auf „all right and claim to Administration of the good and chattels, rights and credits“. Auf den ersten Blick war für Alfred nicht klar zu erkennen, ob er damit nicht auf das Erbrecht verzichten würde. Tatsächlich ging es in dem Formular aber nur darum, daß er als nächster Verwandter nicht selbst die Nachlaßverwaltung vom Gericht übertragen bekommen möchte – was für ihn bei der Entfernung und fehlenden Kenntnissen der Gesetze und der Sprache kaum möglich wäre. Die Ernennung eines Nachlaßverwalters ist für deutsche Erben, anders als beim aktuellen Erbfall des Monats, sehr ungewöhnlich. In englischsprachigen Ländern wie eben in New Jersey jedoch ist es so üblich, daß nicht der Erbe selbst sondern nur ein Testamentsvollstrecker (Executor) oder ein vom Gericht ernannter Administrator den Nachlaß abwickeln kann.
Der Erbe sollte sich dann möglichst heraushalten, um keine Irritationen oder gar negative Rechtsfolgen zu provozieren. Das heißt, daß der Erbe sich nicht selber um den Verkauf der geerbten Immobilie kümmern kann. Dem Administrator darf er selbstverständlich trotzdem „auf die Finger schauen“ und Auskünfte zum Nachlaß erwarten.
Im aktuellen Erbfall des Monats haben wir noch die spannende Zusatzfrage, was eigentlich mit der Ferienwohnung auf Hawaii passiert. In den USA hat nämlich jeder Bundesstaat sein eigenes Erbrecht, dem jedenfalls die Immobilien im jeweiligen Staat unterliegen. Somit ist auf einen Teil der Erbschaft hawaiianisches Recht anwendbar, auch wenn sonst alles nach dem Erbrecht von New Jersey abgewickelt wird.