Eine alleinstehende älter Frau „mit etwas Vermögen“ hat mehrere Neffen und Nichten, die ihr Vermögen erben sollen. Außerdem soll eine wohltätige Organisation von ihrem Nachlaß etwas bekommen. Eine Erbengemeinschaft mit vielen Beteiligten ist in einem solchen Fall aus einigen Gründen alles andere als ideal. Sie möchte deshalb, daß ihr Vermögen im Erbfall durch einen Testamentsvollstrecker verteilt wird. Für diese Aufgabe hat sie sich einen Rechtsanwalt ausgesucht, der einige Fortbildungen und Praxiserfahrung in Sachen Testamentsvollstreckung hat. Den hat sie auch rechtzeitig gefragt, ob er das Testament auch tatsächlich vollstrecken wird oder ob er dabei Probleme sieht. Der Anwalt hat grundsätzlich zugestimmt, weil die Verfügungen im Testament voraussichtlich gut umgesetzt werden können.
In einem Punkt hat die Erblasserin allerdings eine andere Meinung als ihr Rechtsberater: Sie hat der Ehefrau eines Neffen hat eine Generalvollmacht erteilt, die über den Tod hinaus gilt. So eine Vollmacht kann zu Lebzeiten ganz gut sein, um handlungsfähig zu bleiben durch eine Vertrauensperson der eigenen Wahl. „Über den Tod hinaus“ betrifft dann aber nicht mehr die eigene Absicherung, sondern die Vertretung der Erben durch die Bevollmächtigte. Ob das sinnvoll ist, steht auf einem anderen Blatt.
Der Anwalt weist nun seine Mandantin darauf hin, daß es problematisch sein kann, wenn einerseits ein Testamentsvollstrecker den Nachlaß abwickeln soll, andererseits aber jemand anderes eine Vollmacht auch über ihren Tod hinaus ausübt. Die beiden können sich allzu leicht in die Quere kommen, und das Sprichwort sagt ja schon: „Viele Köche verderben den Brei.“ Es kann durch Zufall dazu kommen, daß widersprüchliche Entscheidungen getroffen werden. Die Erfahrung zeigt aber auch, daß immer wieder mit Absicht ein Streit geführt wird zwischen den Beteiligten, aus welchem Grund auch immer. Die Mandantin möchte trotz ausführlicher Beratung, daß der Testamentsvollstrecker und die Generalbevollmächtigte gleichzeitig zuständig sein sollen. Trotz des Tips des Rechtsberaters hält die Erblasserin an der transmortalen Vollmacht fest, weil die Bevollmächtigte ihr gesagt hat, sie wolle die Vollmacht auf jeden Fall auch über den Tod der Vollmachtgeberin hinaus ausüben. Leider möchte sie aber nicht entscheiden, wie die Zuständigkeiten der beiden verteilt werden sollen. Das wäre nämlich absolut notwendig, damit sowohl transmortale Vollmacht als auch Testamentsvollstreckung sinnvoll nebeneinander bestehen können. Auch die Bevollmächtigte will keine klare Abgrenzung der Aufgaben zwischen ihr und dem Testamentsvollstrecker haben oder wenigstens zur Abstimmung untereinander. Es ist also absehbar, daß ein Streit zwischen der Bevollmächtigten und dem Testamentsvollstrecker entstehen wird.
Im Lauf der Beratung zeigt die Mandantin dann auch noch Anzeichen von paranoider Störung, und es stellt sich heraus, daß sie deswegen in der Vergangenheit auch schon einige Tage in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik war. Das macht die Sache nicht einfacher, zumal nun auch noch in Frage steht, ob das Testament wirksam ist, mit dem sie den Testamentsvollstrecker einsetzt. Im schlimmsten Fall macht er seine Arbeit, hat viel Ärger damit, volles Haftungsrisiko für mögliche Flüchtigkeitsfehler, und bekommt am Ende nicht einmal eine Vergütung mit der Begründung, daß er gar nicht durch ein wirksames Testament eingesetzt wurde. Wenn wenigstens kein Streit mit der Generalbevollmächtigten entstehen könnte, gäbe es ein Problem weniger und der Fall wäre trotz allem einigermaßen beherrschbar.
Diese Situation macht es zum Glücksspiel, ob der vorgesehene Fachmann das Amt des Testamentsvollstreckers antreten wird und falls nicht, ob überhaupt irgendjemand das Testamentsvollstreckeramt annehmen wird. Damit stellt sich natürlich auch die Frage, warum die alte Frau sich überhaupt die Mühe macht, ein Testament mit der Anordnung der Testamentsvollstreckung zu errichten. Wenn dann am Ende niemand die Aufgabe übernehmen wird, kann man sich das ganze auch sparen. Falls die Testamentsvollstreckung durch einen Fachmann wirklich wichtig ist, sollte man auf den Fachmann hören, der davor warnt, daß neben einem Testamentsvollstrecker eine andere Person mit einer Vollmacht über den Tod hinaus für die Erben handeln wird. Wie man sich entscheiden möchte, bleibt dabei natürlich jedem selbst überlassen.